Katja Hoyer, geboren 1985 in Guben, ist Historikerin und Autorin. Hoyer lebt in Großbritannien, wo sie am King's College London forscht und Fellow der Royal Historical Society ist. Ihr Buch „Diesseits der Mauer. Eine neue Geschichte der DDR 1949- 1990“ wurde ein Bestseller. 2024 erschien von ihr „Im Kaiserreich. Eine kurze Geschichte 1871–1918“. Seit April 2024 ist sie Kolumnistin der Berliner Zeitung.

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Über die Angst auf Weihnachtsmärkten: „Man muss die Gründe dafür diskutieren dürfen“

Katja Hoyer: Über das mulmige Gefühl auf Weihnachtsmärkten muss man reden dürfen 

Es war eine abscheuliche Show, die der Todesfahrer von Magdeburg in dieser Woche im Gerichtssaal abgezogen hat. Knapp elf Monate nach der Tat wurde am Montag <a href="https://www.berliner-zeitung.de/news/anschlag-auf-weihnachtsmarkt-prozess-in-magdeburg-beginnt-li.10004828">der Prozess gegen den mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäter</a> Taleb al-Abdulmohsen eröffnet. Vom ersten Moment an nutzte der Angeklagte diese Bühne zur Selbstdarstellung, sei es durch wirre Nachrichten, die er auf seinem Laptop in die Kameras hielt, sei es durch die Androhung eines Hungerstreiks.

Weihnachtsmärkte würden instrumentalisiert, um Stimmung zu machen, behauptet ein Faktencheck des ZDF. Doch wer Glühwein hinter Pollern trinkt, merkt, dass sich das Land verändert hat.

16:9

B+ plus

Politik

Berlin

Kultur

Alle Jahre Wieder

Es war ein tolles Erlebnis, letztes Wochenende mit der Leipziger Papierschnitt-Künstlerin Annette Schröter an der University of Cambridge eine Ausstellung ihrer Werke eröffnen zu dürfen. Der Veranstaltungsort war bis auf den letzten Platz besetzt, und das Publikum hörte gebannt zu, als Schröter in sächsisch gefärbtem Deutsch von ihrer Arbeit und ihrem Leben erzählte, bevor Kurator Matthew Shaul und ich ihre Antworten ins Englische übersetzten. Die Atmosphäre an der britischen Eliteuni war von einer aufrichtigen Neugier geprägt, die ich so aus Deutschland nicht kenne.

Viele Werke von DDR-Künstlern sind so relevant wie nie, etwa weil sie sich mit Krieg und Frieden beschäftigen. Im Ausland hat man das bemerkt. Anders als in Deutschland.

Katja Hoyer zum Umgang mit DDR-Kunst: „Schwer vermittelbar?“ Nur im Westen, nicht im Ausland

Hamburg

Katja Hoyer über Erfolge von Parteilosen: „Problem liegt bei Parteien, nicht bei Wählern“

Katja Hoyer über Erfolge von Parteilosen: "Der Trend stellt das ganze System in Frage"

Noosha Aubel und Axel Strasser sind sehr unterschiedliche Menschen. Erstere ist westdeutsch sozialisiert und vertritt eher <a href="https://www.maz-online.de/lokales/potsdam/oberbuergermeister-wahlkampf-in-potsdam-wer-ist-noosha-aubel-ML7J2YNEHBBPFMZWJ3VHTRMYYM.html">linksgerichtete Positionen</a>. Strasser <a href="https://onecdn.io/media/dr-axel-strasser-wahlprogramm-ffo-25ca00fe-35f4-427c-9041-a3cc912b7c04.pdf">betont</a>, er sei „in Berlin, der damaligen Hauptstadt der DDR, und im Osten aufgewachsen“ und „spreche die Sprache der Unternehmer“. Zwei Dinge aber haben sie gemeinsam: Beide wurden am vergangenen Sonntag in Oberbürgermeister-Ämter brandenburgischer Städte gewählt – Aubel in Potsdam, Strasser in Frankfurt (Oder). Und beide sind parteilos.

Nach den Wahlerfolgen von Parteilosen im Osten wird behauptet, das Erbe der SED-Herrschaft sei schuld. Aber warum ist der Trend dann auch im Ausland zu beobachten? Ein Kommentar.

Brandenburg

Berlin wählt

Unordnung und Müll vor dem Reichstag stehen für die Politik von Friedrich Merz: ambitionslos, mutlos, improvisiert

Katja Hoyer über Deutschland: "Die Politik verschanzt sich – buchstäblich und geistig"

Ich war in der vergangenen Woche mit einer Gruppe Briten und Amerikaner in Berlin unterwegs auf einer Bildungsfahrt zum Thema Kaiserreich. Am <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/reichstag">Reichstag</a> – eigentlich ein Highlight der Tour – machte sich Verwunderung breit. Denn dort sieht man nicht nur eines der bekanntesten Parlamentsgebäude Europas, sondern auch eine trostlose Szenerie aus Bauzäunen, Betonblöcken und Containern.&nbsp; &nbsp;&nbsp; „Stört es denn niemanden, wie es hier aussieht?“, wollte ein verdutzter Amerikaner wissen, nachdem er vergeblich versucht hatte, einen Winkel für ein schönes Foto zu finden. Das ist eine gute Frage, die ich mir auch schon oft gestellt habe. Jährlich strömen 2,5 Millionen Menschen aus aller Welt in den Reichstag, eines der meistbesuchten Regierungsgebäude der Welt. Sie nehmen Eindrücke mit nach Hause und Fotos. Eigentlich sollte der Platz der Republik einer der beeindruckendsten Orte der Hauptstadt sein. Tatsächlich gibt es Pläne für eine Umgestaltung des Platzes, aber auch die fallen in ihrer Gestaltung eher nicht dadurch auf, dass man die Ästhetik des Gebäudes in Szene setzt und die deutsche Demokratie feiert, die sich trotz aller Umbrüche durch unsere Geschichte zieht. Als der Reichstag Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, errichtete man vor ihm eine gepflegte Parklandschaft mit Springbrunnen. Das ganze Ensemble zeugte vom Selbstbewusstsein eines noch jungen Parlaments, das den Anspruch hatte, der deutschen Bevölkerung eine bessere Zukunft zu bieten.

Der Reichstag in Berlin vermüllt, dabei wollen die Menschen doch stolz sein auf ihre Hauptstadt. Das sagt sehr viel über unsere Politiker aus. Ein Kommentar von Katja Hoyer.

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Europa

„Was ist denn da bei euch in England los?“, fragte mich ein Bekannter in Brandenburg, als ich dort in dieser Woche unterwegs war. Er hatte einen Tagesschau-<a rel="nofollow" target="_blank" href="https://www.youtube.com/watch?v=gqOsDJsq9NM">Bericht</a> gesehen, in dem es hieß, dass in <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/london">London</a>, der Hauptstadt meiner Wahlheimat, zehntausende Demonstranten „ein Ende der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/migration">Migration“</a>&nbsp;gefordert hätten. Die Korrespondentin erklärte, dass die englische Flagge „den ganzen Sommer schon immer mehr von Rechts-außen-Bewegungen aufgehängt gezeigt wurde, um die englische Identität zu betonen und sich gegen Migration auszusprechen.“

Mehr als 100.000 Menschen haben in London protestiert. Im Land wächst der Unmut. Aber nicht gegen jede Form der Migration, wie es in deutschen Medien heißt.

Katja Hoyer über Großbritannien: „ARD-Zuschauer bekommen hochnäsige Berichterstattung aus zweiter Hand“

London

Wohnen

Rundfunk

Dresden wirkt aufgewühlt in diesen Tagen. Ich bin eigentlich wegen geschichtlicher Recherchen in der sächsischen Hauptstadt unterwegs, aber viele Dresdner treiben eher die großen Themen der Gegenwart um, vor allem die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/news/nach-oeffentlichkeitsfahndung-messerstecher-von-dresden-stellt-sich-li.2352883">Messerattacke in einer Straßenbahn</a> Ende August, bei der ein Amerikaner eine tiefe Schnittwunde im Gesicht erlitt, als er Mitfahrerinnen beschützen wollte, die von zwei Männern belästigt wurden. Beide Tatverdächtige sind Syrer. Über solche Zusammenhänge zwischen Migration und Sicherheit wollen in Dresden schon länger viele Menschen reden.

Deutsche Politiker verweigern Debatten über den Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität. Das schadet der Demokratie, findet Katja Hoyer. Ein Kommentar.

Katja Hoyer: „Die Dresdner Rezeptionistin riet mir davon ab, nachts allein zum Bahnhof zu laufen“

Ostdeutschland

Debatte

Köln

Reisen

Würden Sie nackt ins Museum gehen? Viele Stuttgarter beantworten die Fragen offenbar mit ja. Dort lädt das Haus der Geschichte <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/baden-wuerttemberg">Baden-Württemberg</a> zu zwei besonderen Führungen der neuen Ausstellung „Frei Schwimmen – Gemeinsam?!“ ein. An jenen Terminen dürfen die Besucher nur unbekleidet hinein. Das Museum wird auf 23 Grad geheizt und man wird gebeten, ein Handtuch mitzubringen, wenn man sich zwischendurch setzen möchte. Der Andrang war riesengroß, wie Museumssprecher Joachim Rüeck <a href="https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-stuttgarter-museum-bietet-nacktbesuch-an-andrang-riesengross-100.html">mitteilte</a>: „Die Karten waren innerhalb weniger Wochen weg.“

In der DDR war FKK weit verbreitet. Doch 35 Jahre nach der Wende hat sich der Umgang mit Nacktheit im Osten Deutschlands stark verändert. Eine Analyse zur Badesaison.

Katja Hoyer: Wieso es mit FKK vorbei ist – auch im Osten Deutschlands

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, dichtete einst Matthias Claudius. Es ist ein Motto, das gern zitiert wird, weil es stimmt: Wer reist, erlebt etwas, kommt mit Menschen ins Gespräch und gewinnt Erkenntnisse, von denen er berichten kann. Genau das treibt diesen Sommer Grünen-Chef Felix Banaszak an. Auf einer Deutschlandreise will er Land und Leute besser kennenlernen und dabei einen Weg aus der Krise seiner Partei finden.

Die Mehrheit der Deutschen ist für Umwelt- und Naturschutz. Doch die Grünen haben die Menschen mit ihren gesellschaftspolitischen Projekten verprellt. Kann Felix Banaszak das stoppen?

Katja Hoyer über die Grünen: „Den Umweltschutz hat die Partei bis zur Unkenntlichkeit verzerrt“

Elektroauto

Ostdeutsche Bürgermeister

Ost-Wahlen

„Die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/afd">AfD</a> hat keinerlei Anrecht auf ein Sommerinterview“, sagt Philipp Ruch, der Leiter des Zentrums für Politische Schönheit, das letzten Sonntag den Auftritt der AfD-Co-Chefin <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/alice-weidel">Alice Weidel</a> in der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/ard">ARD</a> gestört hatte. Er meldete sich in einem Welt-<a href="https://www.welt.de/kultur/plus687e02d3232ed33c4173a473/stoeraktion-gegen-alice-weidel-die-afd-hat-keinerlei-anrecht-auf-ein-sommerinterview.html">Interview</a> zu Wort, das im Gegensatz zu Weidels „vollkommen ungestört“ ablief. Ruch glaubt fest daran, dass er selbst das Recht auf freie Meinungsäußerung hat, das er Weidel abspricht.

Das Sommerinterview von Alice Weidel ging in Gebrüll unter, im Bundestag johlt die AfD bei Reden von Kanzler Merz. Hält wirklich niemand mehr andere Meinungen aus?

Katja Hoyer über die AfD: „Die Demokratie rettet man nicht, indem man ihr den Diskurs entzieht“

Bundespolitik

Katja Hoyer über den Niedergang der SPD: „So schlecht stand die Partei zuletzt im Jahr 1887 da“

Katja Hoyer über die aktuelle Krise der SPD: Ein Rückblick auf die historische Misere der Partei

Neulich wurde ich in <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/england">England</a>, wo ich seit langem lebe, gefragt, was denn mit der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/spd">SPD</a> los sei. Viele Briten kennen die Partei aus dem Geschichtsunterricht. Da gibt es einen Kurs, „Deutschland 1918–1945“, in dem die SPD als Partei dargestellt wird, die die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/weimarer-republik">Weimarer Republik</a> aufgebaut und gegen Kommunisten verteidigt hat, sich als tragische Heldin mutig den Nazis entgegenstellte und dabei unterging. „And now?“, fragte der Brite. Er lese in letzter Zeit oft, dass sich die Partei im freien Fall befinde.

Es geht längst nicht mehr um schlechte Umfragewerte, sondern um die Existenz der Partei, sagt die Historikerin. Warum aber geht die Selbstzerstörung immer weiter?

Im Getöse um den Iran-Israel-Krieg ging diese Woche eine Meldung fast unter: Laut Regierungsangaben zahlt der Staat rund sieben Milliarden Euro an Arbeitnehmer, deren Einkommen nicht zum Leben ausreicht. Anders ausgedrückt: Mehr als&nbsp; 800.000 Menschen in Deutschland arbeiten und sind trotzdem so arm, dass sie ihr Leben nicht allein finanzieren können. Diese Zahl der „Aufstocker“ ist seit 2015 das erste Mal gestiegen. Das ist nicht nur für die betroffenen Menschen und für den Staatshaushalt ein Problem, sondern bedeutet de facto auch eine Subventionierung des Billiglohnsektors durch Steuerzahler. Dazu kommen rund zwei Millionen Arbeitnehmer, die das fehlende Einkommen selbst ausgleichen, indem sie noch einen zweiten oder sogar dritten Job annehmen. Die „<a href="https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/zweitjobl.html">Zweitjobquote</a>“ hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt. Laut dem aktuellen <a href="https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/paritaetischer-armutsbericht-2024/">Paritätischen Armutsbericht</a> gehen fast zwei Drittel aller Erwachsenen, die unter der Armutsgrenze leben, einer Arbeit nach oder sind in Rente.

Die meisten Deutschen tun nur noch das Nötigste in ihrem Job. Katja Hoyer sagt, woran das liegt. Und warum Deutschland in eine große Krise stürzen könnte.

Katja Hoyer: „Mit Druck und leeren Phrasen bekämpft man keine schlechte Arbeitsmoral“

Ich bin diese Woche einmal quer durch Polen gereist. Los ging es mit dem Berlin-Warszawa-Express von der deutschen Hauptstadt in die polnische. Dann weiter nach Augustów. Der schöne Kurort im Nordosten des Landes liegt in der sogenannten Suwałki-Lücke – jener kritischen Stelle, in der Polen an Litauen, Belarus und die russische Oblast Kaliningrad grenzt. Was ich auf der ganzen Reise nicht ein einziges Mal gehört habe: Kritik an der neuen deutschen Migrationspolitik. So ähnlich ging es wohl dem deutschen Innenminister Alexander Dobrindt, der zeitgleich in Warschau war, um dort um Beistand für seine Migrationspolitik zu werben. Es war kein leichter Besuch, denn es hatte in den vergangenen Wochen von polnischer Seite immer wieder Bedenken wegen der Zurückweisungen von illegalen Einwanderern an der deutsch-polnischen Grenze gegeben, unter anderem vom polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Der polnische Grenzschutz weigerte sich mitunter auch, Asylbewerber zurückzunehmen, die versucht hatten, nach Deutschland einzureisen.

In den deutschen Medien wird Kanzler Merz für seine Zurückweisungen von Migranten nach Polen kritisiert. Vor Ort zeigen aber viele Verständnis für die schärfere Migrationspolitik. Eine Kolumne.

Katja Hoyer über Grenzkontrollen: Was die Grünen an Donald Tusks Deutschland-Kritik missverstehen

Russland

Frankreich

Katja Hoyer: „Zeit, das Narrativ vom Narrativ zu beenden“

Katja Hoyer: „Migrationsskepsis ist kein ‚Narrativ‘, sondern eine Meinung, die man diskutieren können muss“

„Warum greifen migrationsskeptische Narrative besonders in Ostdeutschland?“, fragte mich neulich eine deutsche Professorin auf einer Konferenz in London. Ich holte Luft, um zu antworten und schloss meinen Mund gleich wieder. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.

Viele Menschen erleben durch Zuwanderung reale Veränderungen und wollen darüber offen sprechen – statt ihre Sorgen als „Narrative“ abtun zu lassen. Eine ehrliche Debatte ist nötig.

Bündnis Sahra Wagenknecht

Es gibt deutlich weniger deutsche Lehnwörter in der englischen Sprache als andersherum. Sie werden meist nur dann verwendet, wenn es kein Äquivalent gibt. „Schadenfreude“ und „Kindergarten“ sind klassische Beispiele. Ein Lehnwort, das man neuerdings wieder öfter hört, ist „Verboten“. Man sagt den Deutschen eine besondere Regulierungsgläubigkeit nach und verwendet das Lehnwort oft humorvoll für moralisch aufgeladene Verbote, die das eigentliche Problem unberührt lassen. Schaut man sich die neu aufgeflammte Debatte um ein AfD-Verbot an, scheint da was dran zu sein. Seitdem der Verfassungsschutz vor zwei Wochen bekannt gab, die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einzustufen (was bis zu einem Gerichtsurteil vorerst ausgesetzt ist), diskutiere ich in Großbritannien, wo ich lebe, viel darüber und stelle immer wieder fest, dass die vorherrschende Perspektive hier eine ganz andere ist als jene in Deutschland. In einem Radiointerview, in dem ich die rechtlichen Hürden für ein Parteiverbot beschrieb, unterbrach mich der Moderator und fragte, wie man überhaupt darüber nachdenken könne, die größte Oppositionspartei zu verbieten, um damit die Demokratie zu retten. Der Gedanke erschien ihm absurd.

Unsere Kolumnistin beschreibt, wie man in Großbritannien über die neu entflammte deutsche Verbotskultur staunt. Eine Analyse.

Katja Hoyer über die AfD: Warum es falsch ist, Deutschlands größte Oppositionspartei zu verbieten

Verfassungsschutz

Bis Ostern wollte Friedrich Merz eine Regierung bilden. Das hat zwar nicht ganz geklappt, doch nun steht die Koalition. CDU, CSU und SPD haben dem gemeinsamen Koalitionsvertrag zugestimmt. Der soll am Montag unterschrieben werden. Inzwischen nimmt das neue Kabinett Gestalt an. Erfreulich ist, dass einige neue Leute dabei sein werden, die sich sowohl von der Ampel als auch von den großen Koalitionen vergangener Jahre abgrenzen. In der Substanz wird damit der Politikwechsel möglich, aber im Stil erinnert Merz dann doch etwas an Merkel. Die Liste der Unionsminister birgt gleich mehrere Überraschungen, nicht zuletzt wegen der fehlenden Parteiprominenz. Leer ausgegangen ist zum Beispiel der ehemalige Kanzlerkandidat und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der für das Amt des Außenministers gehandelt worden war, das zum ersten Mal seit fast 60 Jahren wieder an die Union gehen soll. Dafür ist jetzt der Schleswig-Holsteiner Johann Wadephul vorgesehen, der als Merz-Mann gilt.

Friedrich Merz hat seine Minister benannt. Die Auswahl überrascht positiv. Doch von Aufbruch kann nicht die Rede sein. Die Analyse.

Katja Hoyer: Ist Friedrich Merz eine Merkel 2.0? Erste Aussagen geben zu denken

Stil

Sport

Ostern

„Innerlich noch ein Teenie“, „rechtspopulistischer Quatsch“, „ein Tiefpunkt der Berichterstattung“. Ob die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/news/julia-ruhs-klar-format-zu-migration-zdf-kollegin-kritisiert-moderatorin-scharf-li.2316475">Journalistin Julia Ruh</a>s damit gerechnet hatte, wie heftig der Gegenwind ausfällt, wenn man im <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/rundfunk">öffentlich-rechtlichen Rundfunk</a> eine Meinung widerspiegelt, die die Mehrheit der Deutschen teilen dürfte?

Rechtspopulistischer Quatsch, migrationsfeindliche Narrative: Die ARD-Sendung „Klar“ hat viel Häme hervorgerufen. Katja Hoyer hofft, der ÖRR hält dem Druck diesmal stand.

„Ein Tiefpunkt der Berichterstattung“? Katja Hoyer verteidigt Migrations-Doku in der ARD

Der russische Angriffskrieg gegen die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/ukraine">Ukraine</a> „machte eine Zäsur in allen Bereichen der deutsch-russischen Beziehungen erforderlich“, heißt es auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Wo vor 2022 „ein reger Kultur- und Bildungsaustausch“ stattgefunden hätte, gäbe es nun „weitreichende Finanzsanktionen und strenge Exportkontrollen“. Soweit der Stand der Dinge. Völlig unklar ist, wie es mit den Beziehungen zwischen Deutschland und <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/russland">Russland</a> nach dem Ukrainekrieg weitergehen soll. Darüber streitet man sich zwar gerade laut, doch wirklich neue Ansätze fehlen.

Es wird darüber gestritten, ob Deutschland zu einer „normalen“ wirtschaftlichen Beziehung mit Russland zurückkehren kann. Doch was wäre eigentlich „normal“? Eine Analyse.

Katja Hoyer: „Man kann sich Russland nicht von der Landkarte wünschen“

Ukraine

Sanktion

Katja Hoyer: „Es waren also die Ossis, die in ihrem eigenen Interesse betrogen werden mussten“

Katja Hoyer: „Die Lüge von Friedrich Merz könnte nicht nur die Union heimsuchen“

Nun ist er da, der Politikwechsel, den uns die Union versprach. Leider hatte es <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/friedrich-merz">Friedrich Merz</a> versäumt zu erklären, dass er damit eine Abkehr vom eigenen Kurs meinte und nicht von dem der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/ampel-koalition">abgestraften Ampel</a>. Der Bruch seines Wahlversprechens ist dreist: In einem Moment bezeichnet man die Schuldenbremse als „DNA der Union“, um dann im nächsten <a href="https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/experten-zerlegen-merz-schuldenpaket-deutsche-werden-6000-euro-pro-kopf-aermer-li.2308083">das größte Schuldenpaket der Geschichte der Bundesrepublik</a> zu schnüren. Damit hat sich Merz Handlungsraum ermogelt, dem er nun unbedingt gerecht werden muss, wenn das letzte bisschen Grundvertrauen in die Politik nicht auch noch sterben soll.

Friedrich Merz hat gelogen, Annalena Baerbock getrickst, Roderich Kiesewetter gibt den Ostlern die Schuld. Katja Hoyer über das Sondervermögen und die Glaubwürdigkeit der Politik.

Bundestagswahl

Die Ära <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/olaf-scholz">Olaf Scholz</a> geht zu Ende, und als Historikerin kann ich es mir natürlich nicht verkneifen, laut darüber nachzudenken, wie sie wohl in die Geschichte eingehen wird. Als eine der kürzesten Kanzlerschaften der Bundesrepublik auf jeden Fall, aber ich denke, auch als eine außerordentlich führungsschwache. Der nächste Kanzler muss es anders machen. Es reicht nicht mehr, <a href="https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/grosse-koalition-ein-verlorenes-jahrzehnt-fuer-deutschland-li.2302091">den steten Niedergang</a> zu verwalten und schönzureden. Was Deutschland jetzt braucht, ist eine Regierung, die sich traut, nationale Interessen zu definieren und diese souverän und mit Zuversicht zu verfolgen.

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt rede sich klein, sagt die Historikerin Katja Hoyer. Und zeigt, wie sich das ändern könnte.

Katja Hoyer: Deutschland kann nicht weiter ziellos durch die Welt driften

Die Bundestagswahl 2025 hat die Menschen im Vorfeld aufgewühlt wie keine andere seit 1990. Dafür spricht jedenfalls die Wahlbeteiligung von 84 Prozent, die höchste seit der historischen Wahl im Wendejahr. Aber im Gegensatz zu damals waren die Erwartungen vieler Deutscher diesmal eher von Pessimismus, Frustration und Sorge geprägt als von Aufbruchstimmung. Die <a href="https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-bundestagswahl-2025-sonntag-100.html">vorläufigen Ergebnisse</a> werden die Stimmung im Land wohl erst mal auch nicht ändern. Denn es ist noch völlig unklar, ob der Politikwechsel, den sich laut den Wahlergebnissen das Gros der Wähler wünscht, mit CDU und SPD grundsätzlich möglich wird.

Der CDU-Chef wetterte vor den Wahlen gegen Linke wie die SPD. Jetzt muss er mit ihnen regieren. Eine bittere Erkenntnis. Der Kommentar von Katja Hoyer.

Bundestagswahl: Merz will Veränderung und keine linke Politik: Wie soll das mit der SPD gehen?

Können Sie sich noch an den Wahlkampf von 2002 erinnern? Ich gerade so. Ich war 17 Jahre alt, ging in einer ehemaligen NVA-Kaserne zur Schule und durfte noch nicht wählen. Aber spannend war das Ganze trotzdem: ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinem Herausforderer Edmund Stoiber (CSU).

Es kann für die Demokratie nicht gut sein, wenn echte Machtwechsel durch Wahlen schwierig bis unmöglich werden. Ausgerechnet Edmund Stoiber sagte 2002 dazu etwas Weises. Eine Kolumne.

Katja Hoyer: „Es gibt keine realistische Möglichkeit, eine wirklich neue Regierung zu wählen“

Am helllichten Tag attackierte der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/nach-der-messerattacke-von-aschaffenburg-sind-die-taeter-immer-psychisch-krank-li.2290982">Afghane Enamullah Omarzai</a> eine Kindergartengruppe in einem öffentlichen Park in Aschaffenburg. Mit einem Küchenmesser stach er achtmal auf den zwei Jahre alten Yannis ein, bis der Junge starb. Die ebenfalls zweijährige Elin wurde von hinten in den Hals gestochen, überlebte aber zum Glück – anders als der Familienvater Kai-Uwe D., der unerschrocken eingegriffen hatte.

Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen: Die Mehrheit der Deutschen findet, der deutsche Staat ist überfordert. Warum sorgen sich linke Politiker nur um den Rechtsruck? Eine Analyse.

Katja Hoyer über Migrationsdebatte: „Als stehe man im Widerstand gegen ein faschistisches System“

„Meine Mutter hat mich immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu Hitler zu Honecker [...]. Das führt in direkter Linie zur AfD.“ Das <a href="https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/die-zeit-ueber-mathias-doepfner-enthuellung-zu-seinem-negativen-bild-ueber-ostdeutsche-li.337530">schrieb der Springer-Chef Mathias Döpfner in einer Nachricht</a> Ende März 2020. Damals schienen alle Mittel recht, um den Aufstieg der AfD als ostdeutsches Phänomen zu abzutun, selbst wenn man dafür Hohenzollern, Österreicher und Saarländer als Beispiele anführen musste. Getreu nach Mark Twains Motto: „Lass niemals die Wahrheit einer guten Geschichte im Wege stehen“ wurde die AfD zum Symptom der Demokratieunfähigkeit der <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/ostdeutschland">Ostdeutschen</a> erklärt – in der Tat eine gute Geschichte, die den Rest des Landes ruhig schlafen ließ.

Hätten Parteien den Unmut ernst genommen, statt ihn als ostdeutsches Problem zu pathologisieren, hätten sie darauf reagieren können. So ging viel Zeit verloren. Eine Kolumne.

Katja Hoyer: Der Osten ist ein „politisches Frühwarnsystem“ – etwa bei der Migration

„Neues Jahr, neues Glück“ heißt es immer so schön zum Jahreswechsel. Anfang Januar ist die Zeit der guten Vorsätze. Manche wollen im neuen Jahr gesünder essen, mehr Sport treiben und ein paar Kilo abnehmen. Andere wollen mehr Zeit mit der Familie verbringen. Doch oftmals halten die guten Vorsätze nur ein paar Wochen, bevor sie im Getriebe des Alltags zermahlen werden. In einer <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/ndr">NDR</a>-Umfrage glaubten zwar neun von zehn Befragten, dass sie ihre Vorsätze für 2025 einhalten werden, jedoch gab über die Hälfte zu, das 2024 nicht geschafft zu haben. Aber vielleicht wird ja 2025 tatsächlich alles anders.

Politiker machen sich zu Recht Sorgen, dass der Ton des öffentlichen Diskurses immer rauer wird. Nun fordern sie im Wahlkampf Fairness – und halten sich selbst nicht daran.

Katja Hoyer über das „Fairnessabkommen“: Warum versucht man nicht, die AfD einzubinden?

Es ist noch gar nicht so lange her, da diskutierte man in den deutschen Medien darüber, ob man <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/afd">AfD-Politiker</a> zu Fernsehdebatten einladen soll. Nun ist die AfD aber nicht nur weiterhin eine legal zugelassene Partei, sondern schon seit Monaten zweitstärkste Kraft in den <a href="https://www.wahlrecht.de/umfragen/">Umfragen</a>&nbsp;und daher medial nicht mehr so einfach auszuschließen. Also hat man <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/alice-weidel">Alice Weidel</a> diesmal in ein TV-Duell zur kommenden Bundestagswahl eingeladen, allerdings nur in die sogenannte Ameisenrunde, in der sie gegen den grünen Kanzlerkandidaten <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/robert-habeck">Robert Habeck</a> antreten sollte. In die Elefantenrunde am 9. Februar wurden nur der Unionskandidat Friedrich Merz und der amtierende SPD-Kanzler Olaf Scholz geladen.

Die öffentlich-rechtlichen Medien bestimmen, wer die politischen „Elefanten“ und „Ameisen“ sein sollen. Das ist ein Eingriff in den Wahlkampf. Ein Kommentar.

Katja Hoyer