Noch vor drei Monaten kannte kaum jemand seinen Namen, noch wofür Wegner steht. Doch am Donnerstag wurde der 50-Jährige neuer Regierender von Berlin und wird nun daran gemessen, wie er die nächsten dreieinhalb Jahre gestaltet. Wer ist der neue Mann im Roten Rathaus? Ein kleines Handbuch.
1. So wuchs er auf
Wegner ist ein Stadtrandkind aus West-Berlin, wuchs nahe der Mauer auf. Der neue Regierende ist 1972 in Berlin geboren, lebte in seiner Kindheit in Spandau-Hakenfelde im dritten Stock eines Hochhauses, am westlichen Ende von Berlin. Das Einzelkind Wegner spielte als Junge Fußball, warf manchmal Steine über die Mauer und begrub an der Mauer auch seinen toten Wellensittich. Erste politische Ambitionen: Er war Schulsprecher und setzte sich unter anderem erfolgreich für die Anschaffung einer Tischtennisplatte ein. Seine Eltern beschreibt er als „liebevoll“ – seine Mutter war Verkäuferin, sein Vater Eisenflechter auf dem Bau (sie wurde nur 63, er nur 65). Wegner ist seit seiner Kindheit Hertha-Fan.
2. Das machte er nach der Schule
Wegner hat kein Abitur, machte den Realschulabschluss an der Hans-Carossa-Oberschule in Spandau, absolvierte von 1993 bis 1994 seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe. Der neue Regierende wollte zunächst bei der Bundeswehr Helikopterpilot werden, arbeitete danach beim Wachschutz, entschied sich dann aber für etwas Bodenständiges und machte eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Wegner arbeitete danach für eine Versicherung im Vertrieb, bevor er in einem Bauunternehmen als Mitglied der Geschäftsführung tätig wurde. Früher machte er außerdem viel Kampfsport, konnte mal Spagat. Heute nicht mehr. Stattdessen hält er sich bei Spaziergängen in seiner neuen Heimat Kladow (der noble Teil von Spandau) mit seinem Hund Casper fit.
3. Der Weg in die Politik
Wegner ist ein Vollblutpolitiker, nimmt seit Jahren jede Veranstaltung und jeden Posten mit. In die CDU trat er 1989 ein. Zunächst engagierte er sich bei der Jungen Union in Spandau und der Berliner Schüler Union. Von 2000 bis 2003 war er Landesvorsitzender der Jungen Union. Seit 2005 ist er Vorsitzender der CDU Spandau. Laut seinem Lebenslauf war Kai Wegner Vorsitzender der Landesgruppe Berlin der CDU/CSU-Fraktion, Beauftragter der CDU/CSU-Fraktion für große Städte und baupolitischer Sprecher. Im Bundestag saß er 16 Jahre, Mitglied bis 2021. Dort war er im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (2005 bis 2013) tätig. Im Abgeordnetenhaus saß er von 1999 bis 2005. Daher auch sein magerer Bekanntheitsgrad, den er im Wahlkampf versuchte wettzumachen – auch durch Twitter: Kai Wegner hat etwas über 10.000 Follower.
4. Seine Niederlagen
Ohne Rückschläge lief die Partei-Karriere Wegners nicht ab. 2000 wurde er Landesvorsitzender der Jungen Union. Doch 2003 scheiterte auf dem Parteitag sein erster Versuch, Generalsekretär der Landespartei zu werden. In dieses Amt kam Wegner erst acht Jahre später. Nachdem die Berlin-Wahl 2016 für die CDU enttäuschend verlief und Parteichef Frank Henkel zurücktrat, wurde auch Wegner von der neuen Vorsitzenden Monika Grütters abgesetzt. Grütters’ Kandidatur hatte Wegner zuvor unterstützt, es als „charmant“ bezeichnet, wenn eine Frau in der von Männern dominierten Parteiführung die Leitung übernähme.
5. Seine Siege
2019 putschte er Monika Grütters dann aus dem Amt und wurde selbst Landesvorsitzender der CDU. Kurz darauf ernannte ihn die Partei zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2021. Erst scheiterte er kläglich mit seiner Partei, um bei der Wiederholungswahl in diesem Februar haushoch zu gewinnen und mit seiner CDU fast alle Bezirke zu erobern (außer die grünen in der Innenstadt).
6. Silvesterkrawalle – darum haben sie ihm mit zum Wahlsieg verholfen
Wegner profitierte von der Sprachlosigkeit der rot-grün-roten Landesregierung. Vor allem Grüne und Ganz-Rote verurteilten zwar die Angriffe auf Polizisten und Feuerwehrleute, blieben bei möglichen Konsequenzen aber wortkarg. Die CDU spielte das Thema groß: Vornamen-Abfrage und Pascha-Spruch kamen zwar nicht von Wegner, aber aus seiner Partei. Damit gelang es auch, die AfD kleinzuhalten, der viele ein besseres Ergebnis zugetraut hatten. Am Ende holte die CDU 28,2 Prozent – zehn Prozentpunkte mehr als anderthalb Jahre zuvor.

7. So will er Berlin regieren
Wegner und seine Partei werden nun mit der SPD regieren – nach sieben Jahren Opposition und nach 21 Jahren nicht an der Spitze, der letzte Regierende von der CDU war Eberhard Diepgen. Viele monieren, dass der Koalitionsvertrag zu viele Zugeständnisse an den Koalitionspartner enthält. Wegner selbst beschreibt die große Koalition als Vernunftehe statt einer Liebesheirat. Eine Zwangsheirat wie Rot-Grün-Rot sei es jedenfalls nicht. Es gehe um Vernunft im Wohnungsbau genauso wie in der Verkehrspolitik. Wegners (arg) pragmatische Ansagen: Er will die Stadt wieder vereinen – die Autofahrer mit den Radfahrern, die Alten mit den Jungen und die Bewohner der Innenstadt mit denen in den Außenbezirken.

8. Das sind seine Gefolgsleute
Kai Wegner hat die früher zerstrittene Berliner CDU geeint – zumindest die im alten Westen. Verlassen kann er sich auf Falko Liecke (Neukölln), Frank Balzer (Reinickendorf), Sven Rissmann (Mitte), Cornelia Seybeld (Steglitz-Zehlendorf), Klaus-Dieter Gröhler (Charlottenburg). Ottilie Klein hat er einen sicheren Platz im Bundestag verschafft. Und Joe Chialo, Katharina Günther-Wünsch und Manja Schreiner sind ihm zu Dank verpflichtet, weil er sie in den neuen Senat geholt hat. Ein Fragezeichen bleibt die neue Justizsenatorin Felor Badenberg, die er vom Verfassungsschutz geholt und damit alle überrascht hat.
9. Das sind seine Widersacher
Jetzt mal alle potenziellen Gegner aus den anderen Parteien ausgenommen: Wegner, der manchen als gefährlich rechts-konservativ gilt, ist nicht ohne, er hat schon einigen Parteikollegen Knüppel in den Weg gelegt. Dazu zählen vor allem Mario Czaja, der heutige Generalsekretär der Bundes-CDU, und Monika Grütters. Grütters hat er aus dem Amt der Berliner CDU-Vorsitzenden geputscht, Czaja hat er bei der Aufstellung zur letzten Bundestagswahl kaltgestellt. Czaja schaffte es dann nicht wegen, sondern trotz Wegner ins Hohe Haus. Noch im Herbst wollte Czaja Wegner als Spitzenkandidaten stürzen und Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn installieren. Aber auch Czajas Chef Friedrich Merz ist Wegner nicht immer wohlgesonnen – das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit.

10. Der Familienmensch
Kai Wegner ist ein „Vollblut-Politiker“. Erst die Partei, dann die Familie – das ist das Erfolgsrezept, aus dem der heute 50-Jährige nie ein Geheimnis gemacht hat. Er ist ein „Meine Frau hält mir den Rücken frei“-Politiker der alten Schule, zum zweiten Mal verheiratet, mit drei Kindern. Von seiner ersten Frau Ina, mit der er einen Sohn hat, trennte er sich 2015. Das Paar ging aber im Guten auseinander. „Wir hatten eine sehr schöne Zeit. Ich bin meiner Frau unendlich dankbar. Ehen gehen aus unterschiedlichen Gründen auseinander. Ich werde aber immer für meine Familie da sein“, sagte er mal zur Berliner Zeitung. Die neue Frau an seiner Seite heißt Kathleen Kantar, das Paar bekam zwei weitere Kinder. Sie war bis 2014 Geschäftsführerin der Piraten-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), wechselte dann in Wegners Spandauer Büro als persönliche Referentin. Dort, heißt es, funkte es zwischen den beiden. Kathleen Kantar hat an der Universität Potsdam Politikwissenschaften studiert. Während des Studiums sammelte sie Erfahrungen in der Landesverwaltung Brandenburgs. Im Innen- und Finanzministerium absolvierte sie Praktika. Dabei war sie vorrangig mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut.
11. So ist der neue Regierende im Umgang
Wegner versteht sich als Anwalt der kleinen Leute, weil er selbst in einer kleinbürgerlichen Familie aufwuchs. Meistens tritt er ungezwungen auf, ist ziemlich locker. Manche beschreiben ihn allerdings als humorlos, anderen ist er zu altbacken.
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