Nach dem eher knappen Mitgliedervotum bei der SPD, in der seit Wochen für und gegen die neue Landesregierung gestritten wurde, soll es nun ganz schnell gehen. Am Donnerstag soll es eine neue Landesregierung geben. Die Verteilung der Ressorts steht bereits fest – jedenfalls so gut wie: Es gibt eine handfeste Überraschung und vor allem viele Frauen in der neuen Landesregierung.
Regierender Bürgermeister

Kai Wegner (CDU): Kai Wegner hat einen langen Weg hinter sich, an dessen vorläufigem Ende er sich am Donnerstag zum Regierenden Bürgermeister wählen lassen kann. Der 50-jährige gebürtige Spandauer saß lange im Bundestag, weit weg von der Berliner Landespolitik. In der traditionell zerstrittenen Hauptstadt-CDU war Wegner aber immer ein Machtfaktor, etwa als er 2019 die Vorsitzende Monika Grütters stürzte. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 hatte Wegner keine Chance, weil der Bundestrend gegen die Partei sprach. Jetzt hat er dreieinhalb Jahre lang Zeit zu beweisen, dass der überraschend hohe Sieg bei der Wiederholungswahl – plus zehn Prozentpunkte – kein historischer Zufall war, sondern 2026 erneut möglich ist. Wegner will nach eigener Aussage die zerrissene Stadt einen. Er will den Streit beenden zwischen Autofahrern und Radfahrern, Alten und Jungen, Bewohnern der Außenbezirke und der Innenstadt. Und ganz nebenbei muss er sich mit seiner machtbewussten Stellvertreterin Franziska Giffey arrangieren. (elm.)
Wirtschaft

Franziska Giffey (SPD): Franziska Giffey muss sich schon wieder auf einen neuen Job einstellen. Nachdem sie nach nur anderthalb Jahren auf das Amt als Regierende Bürgermeisterin verzichtete und lieber Juniorpartnerin der CDU unter Kai Wegner wurde, wird sie jetzt Wirtschaftssenatorin. Das Ressort, das den rasanten ökonomischen Aufstieg des einstigen Armenhauses Berlin verantwortet, ist eine außergewöhnliche Chance für die 44-Jährige. Vielleicht sogar schon ihre letzte in der Berliner Landespolitik. Die frühere Neuköllner Bürgermeisterin ist und bleibt die mit Abstand bekannteste Berliner Politikerin. Doch sie bietet vor allem der eigenen Partei ungeheuer viel Reibefläche. Vor allem die Jusos und andere Linke nehmen ihr den Koalitionswechsel hin zur CDU nachhaltig übel. Für den nächsten Parteitag im Mai wird sich Giffey auf ein Stahlbad einstellen müssen, der Posten der Wirtschaftssenatorin wird sie davor kaum bewahren. Eher im Gegenteil. (elm.)
Bildung

Katharina Günther-Wünsch (CDU): Das Schulressort wechselt nach gefühlt Hundert Jahren von der SPD zur CDU – aber auf dem Chefinnensessel nimmt erneut eine Lehrerin Platz. Katharina Günther-Wünsch ist schon seit Beginn der Koalitionsverhandlungen gesetzt. Die 40-Jährige hat ein gewaltiges Programm vor sich. Wegen des enormen Lehrermangels unterrichten immer mehr Quereinsteiger in den Berliner Schulen, die verlässlich jedes Jahr eine hohe Zahl an Schülerinnen und Schülern ohne Abschluss entlassen. Auch bei den Leistungen sieht es schlecht aus: In Deutsch und Mathe liegen die Berliner Kinder schon seit Jahren unter dem Bundesdurchschnitt. Die CDU-Politikerin sieht in der Bildungsqualität eine ihrer Hauptaufgaben. Die Abgeordnete gilt in ihrer Fraktion als durchsetzungsfähig, hat aber wie ihre SPD-Vorgängerin keine Regierungserfahrung. Den Lehrerinnen und Lehrern in Berlin muss sie zudem erst mal erklären, warum es wichtig ist, in diesen Zeiten Religion wieder als ordentliches Schulfach einzuführen. (cd.)
Gesundheit und Wissenschaft

Ina Czyborra (SPD): Die Abgeordnete aus Steglitz-Zehlendorf ist nicht nur gebürtige Berlinerin, sondern auch eine langjährige Parteipolitikerin. In der ersten Reihe angekommen ist sie vorher jedoch noch nie. Zwar war sie früher schon immer mal wieder im Gespräch als Wissenschaftssenatorin, geklappt hat es aber erst jetzt. Das Ressort bleibt im Verbund mit der Gesundheitspolitik, die die 56-Jährige durch ihre politische Zuständigkeit für die Charité zumindest teilweise kennt. Dennoch dürfte ihre Personalie ein Zeichen dafür sein, dass der Berliner Wissenschaft im Senat wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Czyborra gehört dem aufmüpfigen SPD-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf an, der sich schnell gegen eine schwarz-rote Koalition ausgesprochen hat. Sie selbst ist eher eine gemäßigte Stimme der Parteilinken. Czyborra war während der Koalitionsverhandlungen auch Mitglied der Dachgruppe – und leitete die Auszählug des Mitgliedervotums am Sonntag. (cd.)
Verkehr und Umwelt

Manja Schreiner (CDU): Die 44-Jährige bekommt ein Schlüsselressort im neuen Senat: Die Verkehrs- und Umweltpolitik ist schließlich das Thema, bei dem sich SPD und Grüne so richtig zerlegt haben. Nun wird eine „Bau-Lobbyistin“ Verkehrssenatorin – das sagt jedenfalls die künftige Opposition aus Linker und Grünen. Die Juristin leitet seit fünf Jahren die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, einen Verband für mittelständische Bauunternehmen. Nach den Abmachungen zwischen CDU und SPD haben Fußgänger und Radfahrer nicht viel Gutes vom neuen Senat zu erwarten. Diesen Argwohn befeuerte Manja Schreiner mit einer Aussage, wonach die Menschen größere Sorgen hätten als Gendersprache und Vorfahrt für Fahrräder. Die CDU bestritt ihren Wahlkampf unter anderem mit dem Versprechen, dass man auch in Zukunft mit dem Auto gut durch Berlin kommen soll. Schreiner wird das als Nachfolgerin der Grünen Bettina Jarasch durchsetzen. Gut möglich, dass sie ähnlich polarisiert – wenn auch mit anderem Vorzeichen. (cd.)
Finanzen

Stefan Evers (CDU): Stefan Evers ist seit vielen Jahren einer der einflussreichsten Politiker der Berliner CDU. Geboren in Herdecke nahe des Ruhrgebiets, kam Evers 1999 nach Berlin. Der Jurist, der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, wurde 2011 erstmals ins Abgeordnetenhaus gewählt. Die CDU wählte ihn 2016 auf Vorschlag der damaligen Parteichefin Monika Grütters zum Generalsekretär. Nach Grütters’ Sturz wackelte auch Evers. Doch der neue starke Mann Kai Wegner hielt an Evers fest, der es zwischenzeitlich auch zum Parlamentarischen Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion – und damit zum Herren über alle Zahlen – gebracht hatte. Evers dankte es Wegner, indem er die Kampagne für die 2023er-Wahl verantwortete, die die CDU jetzt zurück an die Macht brachte. So ist es folgerichtig, dass Wegner dem erst 43-jährigen Generalisten Evers den eminent wichtigen Posten des Finanzsenators, mit dem ein Regierender Bürgermeister besonders vertrauensvoll zusammenarbeiten muss, reserviert hat. (elm.)
Justiz

Felor Badenberg (parteilos): Felor Badenberg wird Justizsenatorin – und ist inhaltlich gut vorbereitet auf ihre neue Aufgabe. Sie hat Rechtswissenschaften studiert und arbeitet seit 2006 beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Bundesinnenministerin Nancy Faeser machte die promovierte Juristin im vergangenen Juni zur Vizepräsidentin des Inlandsnachrichtendienstes. Dort leitet die gebürtige Iranerin den Bereich Rechtsextremismus und Terrorabwehr, war zuvor für Cyberabwehr zuständig. Badenberg war maßgeblich an der Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beteiligt. Eine große Überraschung ist die Besetzung der 47-Jährigen durch die CDU trotzdem. Badenberg hat keine Erfahrung im politischen Betrieb. Der designierte Regierende Bürgermeister und CDU-Chef Kai Wegner freute sich im RBB über eine „exzellente Frau“, eine „parteilose Expertin“. Sie wird beweisen müssen, dass sie nicht nur eine Behörde leiten kann, sondern auch für das Gerangel der Parteipolitik gerüstet ist. (mxb.)
Inneres

Iris Spranger (SPD): Als einziges bisheriges Senatsmitglied darf Iris Spranger das Schlüsselressort Inneres weiterführen. Das ist nicht verwunderlich, denn im Grunde ähneln ihre Vorstellungen von Sicherheit denen der CDU. Die 61-jährige Politikerin ist seit Dezember 2021 Innensenatorin. Zunächst etwas ahnungslos und als „Ankündigungssenatorin“ wirkend, konnte sie in dieser Zeit unter anderem die umstrittene Polizeiwache am Kottbusser Tor realisieren. Dies gegen den Widerstand von Grünen und Linkspartei. Anderes war wegen der früheren Koalitionspartner nicht möglich: etwa der Einsatz von Körperkameras durch Polizisten bei Fällen von häuslicher Gewalt oder mehr Videoüberwachung an gefährlichen Plätzen. Das soll sich jetzt ändern. Spranger kann Projekte weiterführen, ohne trickreich sein zu müssen, wie bei der Einführung der Taser. Diese führte sie bisher als „Probelauf“ – zum Verdruss von Grünen und Linker, die die Elektroschocker ablehnen. (kop.)
Arbeit und Soziales

Cansel Kiziltepe (SPD): Für Cansel Kiziltepe geht es aus dem Bundestag in den Senat: Die Abgeordnete aus Kreuzberg sitzt seit 2013 im Parlament, in der laufenden Legislaturperiode wurde sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bauministerium. Als Leiterin der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeit ist die 47-Jährige vertraut mit ihrem neuen Jobprofil: Die Senatorin wird für den wichtigen Bereich Arbeit zuständig sein, aber auch für Soziales, Vielfalt und Antidiskriminierung. Die Volkswirtin und gebürtige Berlinerin gehört dem linken SPD-Flügel an. Vor ihrem Einzug in den Bundestag war sie unter anderem für den Deutschen Gewerkschaftsbund tätig, sie ist Mitglied der Parlamentarischen Linken. Kiziltepe unterstützte den Volksentscheid für Enteignungen in Berlin, gilt als gut vernetzt mit Mieterinitiativen. Vor der Bundestagswahl 2013 sprach sie sich für Gespräche mit der Linkspartei aus. Seit 2022 ist sie stellvertretende SPD-Landeschefin. (mxb.)
Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen

Christian Gaebler (SPD): Der 58-Jährige ist ohne Zweifel einer der erfahrensten Politiker im künftigen Senat. Seit mehr als zwanzig Jahren mischt er in der Landespolitik an verantwortungsvollen, mächtigen Positionen mit. Dass er dennoch relativ unbekannt ist, dürfte daran liegen, dass er meist in der zweiten Reihe agierte: als Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus, als Staatssekretär in verschiedenen Verwaltungen, als Chef der Senatskanzlei. Sein Aufstieg vollzog sich parallel zur Karriere des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller. Gaebler ist Berliner, sein Abitur machte er in Charlottenburg, in die SPD trat er in Wilmersdorf ein. Später war er Chef des in der Berliner SPD mächtigen Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf. 1995 zog er erstmals ins Abgeordnetenhaus ein. Er wurde der Verkehrsexperte der Fraktion, Verkehrswesen hatte er an der TU studiert. Seit 2011 ist er Staatssekretär, zuletzt in der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen. Gaebler ist meist konziliant im Ton, kann aber auch schneidend scharf sein, wenn ihm etwas nicht passt oder wenn sein Gegenüber schlecht vorbereitet ist. (tom.)
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