Gewalt und Ausschreitungen überschatteten den Jahresausklang in der Hauptstadt. Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr wurden mit Feuerwerk beschossen – es gab Verletzte und Randale. Autos und Busse wurden angezündet, Bushaltestellen und Schaufenster zerstört. Stadtweit wurden zahlreiche Randalierer festgenommen, die meisten jedoch entkamen. Am Dienstagabend veröffentlichte die Polizei weitere Informationen.
Demnach wurden im Zusammenhang mit den Ausschreitungen insgesamt 145 Menschen vorläufig festgenommen, die meisten davon Männer. Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen.
Festnahmen an Silvester: Polizei erfasst 18 verschiedene Nationalitäten
Es seien insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. Wie viele von ihnen eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, prüft die Polizei derzeit. „Wir versuchen das aufgrund der vielen Nachfragen nachzuliefern“, erklärte der Polizeisprecher. Der Rest verteilt sich auf 17 weitere Nationalitäten. Demnach sind unter den Festgenommen zudem 27 Afghanen und 21 Syrer. Bei 13 der mutmaßlichen Täter ist die Staatsangehörigkeit noch unklar.
Ursprünglich war die Zahl der Festgenommenen mit 159 angegeben worden. Es habe Doppelzählungen gegeben. Die Zahlen seien auch immer noch als vorläufig anzusehen. So gehen die 145 Festnahmen ausschließlich auf das Konto der 1300 Beamten der „Besonderen Aufbauorganisation“ (BAO), die an Silvester zusätzlich eingesetzt wurden. Alle weiteren Festnahmen, die von Einsatzkräften von den Abschnitten und den Funkwagenbesatzungen getätigt wurden, konnten in der Statistik noch nicht mit eingerechnet werden. „Sie werden derzeit alle noch bearbeitet“, so der Sprecher.
Gegen die Verdächtigen wird überwiegend wegen Brandstiftungsdelikten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruchs sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt. Nach Angaben der Berliner Polizei wurden insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.
GdP fordert klare Konzepte und einen Plan
Um solche Angriffe in Zukunft zu verhindern, brauche es rasch einen Runden Tisch mit Politikern und Praktikern sowie neue Ansätze in der Integrationspolitik, forderte am Dienstag die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Wir brauchen diese Debatte sofort, und wir brauchen Ergebnisse, klare Konzepte und einen Plan, wer was umzusetzen hat“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, am Dienstag. Eine Einsatznacht mit schockierenden Vorfällen wie in der Nacht auf Sonntag dürfe sich zum nächsten Jahreswechsel nicht wiederholen, betonte er, „somit ist der Zeitrahmen gesetzt“.
Wegen der Krawalle in Berlin seien insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden, so die Polizei. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
Noch nicht bekannt ist, wie viele der 41 im Einsatz verletzten Polizisten zeitweise dienstunfähig waren. Der Sprecher sagte nur, ein Polizist, der schwere Brandverletzungen erlitten hatte, wurde inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen.
GdP-Chef Kopelke forderte: „Die Bundesregierung muss ihrem Koalitionsvertrag gerecht werden und Integrationspolitik auf Bundesebene neu angehen.“ An dem von ihm vorgeschlagenen Runden Tisch sollten sich neben Politikern und Polizei auch Rettungskräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Integrationsbeauftragte beteiligen.
Giffey: „Es schadet unserer Stadt, es schafft Angst und Schrecken“
Nach Angaben der Polizei sei die Intensität der Gewalt mit den Silvesternächten der Vorjahre nicht zu vergleichen gewesen. Zahlreiche Chaoten haben es in der Silvesternacht wortwörtlich krachen lassen. In mehreren Bezirken – vornehmlich Neukölln – lieferten sich Gruppen Böller-Schlachten und schossen mit Schreckschusspistolen um sich und in die Luft.
„Dieses Ausmaß an Gewaltbereitschaft und Zerstörung geht darüber hinaus und erschüttert auch mich zutiefst. Es schadet unserer Stadt, es schafft Angst und Schrecken“, erklärte Berlins Regierende Bürgermeisterin.
Dieses Ausmaß an Gewaltbereitschaft und Zerstörung geht darüber hinaus und erschüttert auch mich zutiefst. Es schadet unserer Stadt, es schafft Angst und Schrecken und hat mit dem feierlichen Begrüßen des neuen Jahres nichts zu tun. (2/3) #Silvesternacht #Berlin
— Franziska Giffey (@FranziskaGiffey) January 1, 2023
Die Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Neukölln, Güner Balci, sagte im Deutschlandfunk, in Großstadtvierteln „mit schwierigen sozialen Problemlagen“ sei zu beobachten, „dass wir Kinder und Jugendliche haben, die mit häuslicher Gewalt als Alltag aufwachsen“. Diese Jugendlichen seien zwar auch in diesen Vierteln nur eine Minderheit, „allerdings reicht ein Einziger, um ein ganzes Haus zu terrorisieren“.
Angriffe auf Einsatzkräfte: „Berlin ist keine Ausnahme“
„Die Ausschreitungen in Berlin waren extrem. Die Hauptstadt ist damit jedoch keine Ausnahme“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Stefan Hussy. Kräfte der Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen klagten bereits seit Jahren über zunehmende verbale und körperliche Gewalt bei Einsätzen. Er forderte ein entschlossenes politisches Handeln und sagte: „In der Diskussion um Sicherheitskonzepte darf es keine Denkverbote geben - hierbei ist auch der Umgang mit Böllern zu prüfen.“
Der Hamburger FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Sami Musa sagte: „Nach Angaben der Sicherheitskräfte handelt es sich bei vielen Angreifern um junge Männer mit Migrationshintergrund.“ Dies sei auch ein Schock für die große Mehrheit der gut integrierten Migranten in Hamburg. In Teilen der Stadt gebe es Integrationsprobleme. Diese müsse der Senat anpacken, anstatt über Böller-Verbote nachzudenken.
Nach den chaotischen Szenen und den vielen Verletzten erwägt Giffey eine Ausweitung der Böllerverbotszonen. Sogar ein komplettes Böller-Verbot wird derzeit in sozialen Netzwerken und Medien heiß diskutiert.
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