Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht gegen Polizisten und Feuerwehrleute werden Forderungen nach einer härteren Gangart gegen die Straftäter laut. Vor allem Jugendlichen mit Migrationshintergrund fehle der Respekt vor dem Rechtsstaat, sagte CDU-Fraktionschef Kai Wegner am Dienstag. „Berlin hat ein wesentlich größeres Problem als die Debatte um Böllerverbote.“ Er sprach auch von Parallelgesellschaften.
Der Täterkreis müsse klar benannt werden. „Es waren vorwiegend männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund, die für den Staat und seine Repräsentanten nur Verachtung übrighaben“, sagte Wegner, der auch Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Februar ist. Der Senat dürfe nicht länger die Augen davor verschließen.
Das organisierte Wegschauen sei aber Teil des jahrzehntelangen Systems SPD, sagte der CDU-Mann, dessen Partei ebenfalls mehrere Jahrzehnte lang in West- und Gesamtberlin regierte und auch mehrere Innensenatoren stellte.
Wegner verlangte eine „tabulose Aufklärung der Ausschreitungen“. Zudem verlangte er eine Stärkung von Polizei und Feuerwehr. „Wie lange will sich der SPD-geführte Senat noch hinter Probebetrieben von Bodycams und moderner Technik verstecken?“ Die Kameras tragen die Einsatzkräfte gut sichtbar am Körper. Mit ihnen sollen die Einsätze dokumentiert werden.
Die Haltung der CDU bleibe klar, so Wegner: „Wir wollen jedem Polizisten und der Feuerwehr mit Bodycams mehr Sicherheit geben und gerichtsverwertbare Beweise sichern.“ Dem Senat sei die Sprachfibel wichtiger als Bodycams. Wegner bezog sich damit auf einen polizeiinternen Leitfaden für den politisch korrekten Sprachgebrauch.
Ein starker Staat mit klaren Ansagen
Auch Innensenatorin Iris Spranger von der SPD hatte am Montag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur 4000 Körperkameras für die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr für erforderlich erachtet. Derzeit sind Beamte bei Feuerwehr und Polizei nur mit 300 Geräten ausgestattet.
Weiterhin forderte der CDU-Fraktionschef einen „starken Staat mit klaren Ansagen“. Nur vor einem solchen hätten gerade junge Migranten auch Respekt. Bei besonders schwerwiegenden Angriffen auf Einsatzkräfte brauche es ein beschleunigtes Verfahren der Strafverfolgung, sodass die Strafe auf dem Fuße folge.
Schon in Kitas und Schulen müsse auf gemeinsame Werte hingearbeitet werden: Gleichberechtigung, Religionsfreiheit, Demokratieverständnis, Anerkennung der Staatsmacht.
„Ein Böllerverbot ist komplett irre!“
Ähnliche Aussagen kommen von dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Müller-Rosentritt: „Wer Ross und Reiter nicht nennt, der kann das Problem nicht lösen“, teilte er mit. „Wir brauchen kein Böllerverbot, sondern eine Debatte darüber, wie wir gewalttätigen (Migranten)Gangs begegnen. In der Silvesternacht griff – was viele Videos nahelegen – Berlins Migrantenjugend mit allem, was zur Hand war, mit Feuerwerkskörpern, Feuerlöschern oder Schreckschusswaffen, Berlins Rettungskräfte und Polizei an. Und wir? Wir reden darüber, wie schlimm das Böllern sei.“
Ein Böllerverbot zur Vermeidung von Gewalt einer kleinen, aber sehr gewaltbereiten Gruppe sei vergleichbar mit einer Schließung von Bankfilialen und Juweliergeschäften zur Vermeidung von Überfällen, mit der Nichtöffnung von Museen zwecks Vermeidung von Einbrüchen oder einer Verhängung von abendlichen und nächtlichen Ausgangssperren zur Verhinderung von Vergewaltigungen. „Das ist komplett irre!“
Gewerkschaft der Polizei will einen Runden Tisch
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht dagegen in einem Böllerverbot auch ein Instrument, um effektiver gegen Straftaten vorzugehen, die mit Pyrotechnik begangen werden. Täter könnten sich dann nicht mit einer „fehlgeleiteten“ Rakete herausreden.
Der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke forderte am Dienstag allerdings auch: „Die Bundesregierung muss ihrem Koalitionsvertrag gerecht werden und Integrationspolitik auf Bundesebene neu angehen.“ Kopelke schlug einen Runden Tisch vor, an dem sich neben Politikern und Polizei auch Rettungskräfte, Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Integrationsbeauftragte beteiligen sollen.
Die Integrationsbeauftragte des Bezirks Neukölln, Güner Balci, sagte dem Spiegel über die Randalierer: Einige der Personen kenne sie persönlich. Es handle sich dabei um „hoffnungslos Abgehängte“ und „absolute Loser“, bei denen auch Drogen eine Rolle gespielt hätten. Der Grund für die rohe Gewalt gegen die Helfer sei allerdings kein durchdachtes Agieren, sondern vielmehr ein Reflex: „Die sind vom Staat und wir sind gegen die.“
Balci rief dazu auf, vielmehr eine Debatte über die Abgehängten in der Gesellschaft zu führen anstelle einer Integrationsdebatte.
103 Randalierer sind wieder auf freiem Fuß – aber es drohen zehn Jahre Haft
Unterdessen sind in Berlin 103 festgenommene mutmaßliche Randalierer wieder auf freiem Fuß. Über weitere 56 Festgenommene könne man noch nichts sagen, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Die Berliner Polizei machte auch am Dienstag noch keine Angaben dazu, um wen es sich bei den mutmaßlichen Tätern handelt. Die Auswertungen seien im Gange, noch habe man keine weiteren Erkenntnisse, sagte ein Sprecher.
Die Polizei leitete gegen sie Ermittlungsverfahren ein, überwiegend wegen Brandstiftungsdelikten. Dafür drohen Freiheitsstrafen zwischen einem und zehn Jahren. Verfahren laufen auch wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, wofür bis zu drei Jahre Haft drohen.


