Dank an die Klima-Kleber! Die Aktivisten haben sich am Silvesterabend nicht auf die Straße gesetzt. Man konnte, wollte und durfte Auto fahren. Es war der beste Schutz vor aggressiven Böller-Werfern für alle, die nicht zu Hause bleiben wollten oder konnten. Der Audi TT diente Fotograf und Journalistin als Panzer im Raketengewitter, das fast so klang wie Bürgerkrieg.
Zum Jahreswechsel herrschte in Berlin Ausnahmezustand. Polizei und Feuerwehr waren in der Hauptstadt bei fast 4000 Einsätzen gefordert – dabei wurden sie in zahlreichen Fällen mit Böllern und Raketen angegriffen. Der reine Wahnsinn! Nun werden die Stimmen nach einem Böllerverbot lauter.

Gewaltbereite finden immer einen Weg
Es gibt durchaus gute Argumente dafür. Volle Notaufnahmen und Müllberge sind hier zuvorderst zu nennen. Doch andere, entscheidendere Argumente sprechen gegen ein Böllerverbot. Denn das Problem ist nicht das bunte, laut knallende Feuerwerk an sich. Problematisch sind vor allem Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit gegenüber den Einsatzkräften.
Die Debatte um das Böllerverbot kann man mit einer anderen vergleichen: der zum Cannabiskonsum. In dieser Debatte werden die Vorteile der Legalisierung der Droge betont, die Gefahren zurückgestellt. Größtes Argument: Die Illegalität verschärft die Problematik des Konsums. Nun, warum sollte es bei Böllern anders sein? Würde der legale Verkauf von Pyrotechnik an Privatleute unterbunden, beschafften sich die Extrem-Böllerer womöglich noch mehr illegales Feuerwerk aus Polen und Tschechien, was die Gefahr für alle noch mal erhöhen würde.
Und letztlich finden Gewaltbereite immer einen Weg. Sie könnten auch Messer nehmen, um ihrer Aggression Ausdruck zu verleihen, Hammer oder Pflastersteine. Sollen nun Küchenutensilien verboten werden? Werkzeug? Gehwege? Niemand will das. Niemand fordert das. Es gibt vielmehr Strafen für Handlungen, die sich gegen Menschen richten. Insofern sind Freiheitsstrafen für Personen, die Rettungssanitäter oder Polizisten angreifen, die richtige Maßnahme.

Feuerwehr-Gewerkschaft fordert Dashcams
Innenministerin Nancy Faeser fordert nun – einigermaßen erwartbar –, dass diese Strafvorschriften „gegen Chaoten und Gewalttäter mit aller Konsequenz angewandt und durchgesetzt werden“. Härtere Strafen kündigt Faeser nicht an. Wie die Strafen konkret durchgesetzt werden sollen, sagt sie nicht. Ob die Polizei in Sachen Personal und Ausrüstung besser ausgestattet wird, bleibt offen. Hat die Ministerin aufgegeben?
Als Konsequenz aus den Angriffen auf Einsatzkräfte in Berlin und anderen Städten in der Silvesternacht fordert die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft, Einsatzfahrzeuge mit sogenannten Dashcams auszustatten. Das sind kleine Kameras, mit denen Angriffe besser dokumentiert werden könnten. Das könnte ein Teil der Lösung sein, um die blinde Zerstörungswut einzudämmen.
Mordversuchsmerkmale erfüllt?
Vielleicht sollte man noch einen Schritt weitergehen. Und – äquivalent zu Urteilen für Raser – diejenigen, die Böller auf Menschen werfen, für Mordversuche belangen. Attacken auf Menschen sind schließlich keine Bagatelldelikte. Und Mordversuchsmerkmale wären vermutlich in vielen Fällen erfüllt: niedrige Beweggründe, Heimtücke, Grausamkeit.
Ein Beispiel: In Neukölln wurde ein Fahrzeug der Feuerwehr laut einem Sprecher „in einen Hinterhalt gelockt“. Das Fahrzeug sei auf der Hermannstraße durch eine brennende Barrikade zum Stehen gebracht worden. Nachdem das Fahrzeug angehalten hatte, seien 25 Vermummte darauf zugestürmt, hätten die Rollläden am Wagen hochgerissen und versucht, Gerätschaften zu klauen. Außerdem hätten sie „mit Waffen auf dieses Fahrzeug geschossen“, so der Sprecher. Auch wenn offenbar niemand verletzt wurde, belegt dieser Vorfall das Ausmaß der Destruktivität der Böller-Aggressoren auf dramatische Weise.
Angriffe auf Rettungskräfte passieren auch an anderen Tagen – nicht in dieser Intensität, aber es gibt sie. Woher kommt diese Lust an der Gewalt? Die Politik muss sich fragen, wann der Respekt vor den Einsatzkräften verloren gegangen ist und was die Aggression auslöst, die dann in Gewalt mündet.



