Neues Buch

Humor im Krankenhaus: „In Berlin geht es schon ein bisschen rauer zu“

Beim Arztbesuch wird es oft ernst, aber es gibt auch komische Momente. Ein Buch versammelt lustige Patientengeschichten aus Berlin und anderen Städten.

Spätestens seit „Dr. House“ wissen wir: Das Krankenhaus ist ein Ort schwärzesten Humors.
Spätestens seit „Dr. House“ wissen wir: Das Krankenhaus ist ein Ort schwärzesten Humors.Imago/Allstar

Der Gang zum Arzt ist in aller Regel unangenehm, andererseits passiert dort auch allerhand Kurioses. Der Autor Ralf Podszus sammelt für seinen Erfolgspodcast „NotAufnahme“ die lustigsten Patientengeschichten und lässt medizinisches Personal aus dem teils abstrusen Alltag erzählen.

Die besten Anekdoten gibt es jetzt auch in Buchform. Gemeinsam mit seiner Frau Ann-Catherin Karg hat Podszus Lacher aus dem Gesundheitswesen von Hamburg bis Friedrichshafen aufgeschrieben. Auch Berliner Krankenhäuser und Arztpraxen lieferten reichlich Stoff – mit speziellem Humor, wie der 45-Jährige berichtet.

Herr Podszus, in Berlin liest man in der Regel nicht viel Positives, wenn es um Notaufnahmen geht. Die Rettungsstellen sind überlastet, es herrscht Personalnot, Gewalt, Abrechnungsirrsinn. Wieso haben Sie sich der Notaufnahme humoristisch genähert?

Weil es im Krankenhaus und in Arztpraxen auf jeden Fall auch eine Menge zu lachen gibt. Klar, wir haben einen Pflegenotstand, prekäre Arbeitszeiten, das medizinische Personal ist an der Belastungsgrenze. Dazu wird viel geschrieben, aber es gibt eben auch eine humoristische Ebene, wie in jedem anderen Beruf auch. Ärzte und Pfleger sind ständig in Kontakt mit Menschen, da muss es zwangsläufig zu abstrusen, bizarren Situationen kommen. Ich habe vor ein paar Jahren in eine Arztfamilie eingeheiratet und weiß es aus nächster Nähe: Die haben richtig krasse Geschichten aus ihrem Alltag auf Lager.

Und so kommen Sie zu Ihren Podcast-Folgen?

Viele Mediziner folgen unseren Aufrufen und erzählen im Podcast von ihren Erlebnissen, aber natürlich kommt auch einiges an Stoff aus meiner eigenen Familie. Ich bin Hypochonder und ohnehin ständig beim Arzt – also auch selbst ein Quell der lustigen Patientengeschichten.

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Markus Linder
Zur Person
Ralf Podszus, 45, ist gebürtiger Hamburger und lebt mit seiner Familie in Mannheim. Der Journalist, Autor und Moderator war für verschiedene große Radiosender tätig, unter anderem als Morning-Show-Host und Unterhaltungschef.

Aktuell kreiert er für die Podcast-Agentur Podever Audioserien und moderiert verschiedene Podcast-Formate wie die „NotAufnahme“, die in den drei Jahren seit ihrem Erscheinen schon mehr als sechs Millionen Hörer erreicht hat.

Das Buch „NotAufnahme: Die lustigsten Patientengeschichten“, erschienen im Riva-Verlag, hat er zusammen mit seiner Frau, der Journalistin Ann-Catherin Karg (Foto), geschrieben.

Welche Fachrichtungen sind denn besonders ergiebig?

Rettungssanitäter und Notaufnahmen liefern die meisten Lacher. Das liegt daran, dass sie an vorderster Front arbeiten. Diese Menschen überrascht nichts mehr, sie haben alles gesehen und alles erlebt. Von Augenärzten bekamen wir lange gar keine Rückmeldung, vielleicht sind die einfach humorloser? Wobei, inzwischen haben wir eine medizinische Fachangestellte, die immer die Sehtests durchführt. Die erzählt herrliche Geschichten – von Eltern, die ihren Kindern die Zahlen und Buchstaben von der Tafel vorsagen, damit sie die teure Brille nicht bezahlen müssen.

Können die Ärzte selbst auch noch darüber lachen?

Ärzte tragen viel Verantwortung und sind oft angespannt, in schwierigen Situationen. Jeden Tag sehen sie Leid und Drama, da ist Humor ein wunderbares Ventil, das hilft, Stress und Emotionen abzufedern. Ich finde schon, dass Mediziner einen speziellen Humor haben, der schwärzer ist als der anderer Berufsgruppen. Aber es ist und bleibt nun mal lustig, wenn man einen Patienten vor sich hat, dessen Zustand sich trotz gut angepasster Medikation ständig verschlechtert und man sich das nicht erklären kann, bis sich herausstellt, der Patient hat die Tabletten vor der Einnahme nicht aus der Blisterverpackung genommen. So konnte natürlich kein Wirkstoff anschlagen, Mikroläsionen im Magen gab’s obendrauf. Das gehört auch zum medizinischen Alltag – und davon wollen wir erzählen. Die Patienten bleiben natürlich immer anonym.

Gibt es Dinge im Krankenhausalltag, die immer wieder passieren?

Ja, in der Proktologie zum Beispiel. Ein Proktologe sagte mir mal: „Es ist schon erstaunlich, was da so alles reinpasst.“ Es gibt nichts, was sich die Menschen nicht hinten reinschieben, glauben Sie mir. Gurken, Bananen, Flaschen und Kleiderbügel, mit denen man versucht hat, die Flasche wieder herauszubekommen. Klar: Wer möchte schon gern derart verstöpselt in der Notaufnahme vorstellig werden? Herrlich sind dann auch die Ausreden, wenn man doch in die Rettungsstelle muss. „Ich habe eine merkwürdige Stelle in meiner Pofalte erfühlt und wollte mit der Leuchte nachschauen, was das ist. Dabei ist sie mir versehentlich reingerutscht.“ Die Fantasie der Leute kennt da keine Grenzen.

Neben den Anus-Ausreden, welche ist Ihre Lieblingsgeschichte im Buch?

Ein Highlight war der Sportkletterer aus dem Allgäu, der an einem Samstag seine Dachrinne reparieren wollte und dabei alle Sicherheitsgedanken über Bord warf. Er wickelte sein Kletterseil einfach an die Anhängerkupplung seines SUV und warf das Seil über das Haus auf die andere Seite. Über die Dachluke ausgestiegen, ging er in den Sitzgurt und begann, an dem Seil hängend, die Dachrinne zu reinigen. Leider aber wollte seine Frau einen Kuchen backen und bestieg das Auto, um fehlende Zutaten im Supermarkt zu besorgen. Als sie losfuhr, wurde der Kletterer einmal quer über das Haus gezogen, vorbei am Schornstein, über die Dachspitze, runter auf die andere Seite, an Fensterbänken entlang hinunter auf den Terrassenboden und ab Richtung Grundstücksausfahrt. So sehr hatte er schon lange nicht mehr an seiner Frau gehangen. Die Notfallchirurgie war eine Weile mit diesem Patienten beschäftigt, ihm geht es aber nach dieser doch sehr blutigen Episode inzwischen wieder gut.

Sie haben auch viele Episoden aus Berlin gesammelt. Ist Ihnen eine besonders im Gedächtnis geblieben?

Ja, die Geschichte der Dermatologin, der auf einer Party der Ärzte-Klassiker widerfuhr: Man erzählt, was man beruflich macht und prompt berichten einem wildfremde Menschen über ihre Zipperlein. Diese Frau hatte es besonders hart getroffen. Ein Partygast wollte ihr etwas zeigen und bat sie, ihr auf die Gästetoilette zu folgen. Dort öffnete er die Hose und enthüllte sein Problem: fünf raue, lappige Knubbel, die in einem Bogen auf seinem Schamhügel sprossen. Feigwarzen, das erkannte die Fachfrau sofort, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden. So richtig lustig wurde es, als die Ehefrau des Mannes durch die Klotür wissen wollte, was er denn nun habe. Das allerdings musste der Bewarzte selbst erklären, die Ärztin berief sich auf die Schweigepflicht.

Unterscheiden sich die Berliner Geschichten von denen aus anderen Städten?

In Berlin geht es schon ein bisschen rauer zu, würde ich sagen. Ein Physiotherapeut erzählte mir, er sei ganz froh gewesen, dass er wegen Corona den Tag über seine Nase unter der FFP2-Maske verbergen konnte. Plötzlich rochen seine pupsenden, ungeduschten Patienten nicht mehr so penetrant. Sein Fazit dazu: „Unabhängig vom Lohnniveau ist es in Berlin einfach egaler, wie man bei der Physiotherapie erscheint.“ Das ist so ein Spruch, typisch Berlin.

Es gibt in Ihrem Buch sogar ein Kapitel „Hospiz“. Darf man über alles lachen oder ziehen Sie irgendwo Grenzen?

Also meine Frau und ich ziehen keine. Humor bereichert das Leben und mit Lachen ist alles einfacher. Natürlich wird auch im Hospiz gelacht, auch dort geschehen komische Dinge. Die Menschen, die dort arbeiten und mit viel Feingefühl die letzte Station im Leben eines kranken Menschen begleiten, wissen am besten,  wie schnell es zu Ende gehen kann. Jemand, der jeden Tag mit dem Tod konfrontiert wird, lebt sicherlich bewusster und weiß: Auch unsere letzten Momente können mit Lachen und schönen Augenblicken gefüllt sein.