Mobilität

Deutschlandticket startet: Auf diesen Berlin-Strecken fahren mehr Züge

Planer berichten, wo sie Probleme erwarten. Nun sind mehr Fahrten nach Stralsund geplant. Auf anderen Routen wird der Fahrplan dagegen nicht aufgestockt.

Einsteigen bitte! Ein Regionalexpress im Berliner Hauptbahnhof. Schon jetzt sind viele Regionalzüge am Wochenende voll. Die Situation wird sich demnächst verschärfen.
Einsteigen bitte! Ein Regionalexpress im Berliner Hauptbahnhof. Schon jetzt sind viele Regionalzüge am Wochenende voll. Die Situation wird sich demnächst verschärfen.Carsten Koall/dpa

Leicht bewölkt, 17 Grad Celsius, kein Regen. Die Wettervorhersage für den 1. Mai, den Starttag des Deutschlandtickets, sieht schon mal ganz gut aus. Auch für das folgende Wochenende können die Berliner mit guten Bedingungen für einen Ausflug rechnen.

Das neue Ticket wird dazu führen, dass viele Regionalzüge während der gesamten warmen Jahreszeit auf beliebten Strecken voller als sonst sein werden. Auch zwischen Berlin und den Ostseestädten Stralsund, Rostock und Wismar seien Probleme zu erwarten, teilte das Infrastrukturministerium Mecklenburg-Vorpommern der Berliner Zeitung am Mittwoch mit. Um das Gedränge zu lindern, haben die Verantwortlichen für die erste Sommersaison des Deutschlandtickets mehr Fahrten bestellt. Doch weil Züge knapp sind und Infrastruktur zurückgeschnitten wurde, profitieren nicht alle Strecken.

Für 49 Euro pro Monat durch das ganze Land: Das Deutschlandticket geht zum 1. Mai an den Start. Das nicht übertragbare Jahresabo, das als Chipkarte oder Handyticket verkauft und jährlich mit drei Milliarden Euro subventioniert wird, gilt bundesweit fast im gesamten Nah- und Regionalverkehr. In Berlin ist die Nachfrage besonders groß. So geht man bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) davon aus, dass sich die Zahl der Buchungen schon bald auf rund eine halbe Million summiert – Tendenz weiter steigend.

Doch wo wird das Ticket besonders stark genutzt? Eine bundesweite Erhebung von Civey und Cosmos Direct ergab, dass 71,5 Prozent der Umfrageteilnehmer das Ticket für Tagesausflüge nutzen wollen. Damit steht ein Freizeitthema ganz oben in der Rangliste,  noch vor dem Arbeitsweg, der mit 48,3 Prozent auf den zweiten Platz kam.

Das sind die Unterschiede zum 9-Euro-Ticket

Auch das 9-Euro-Ticket, das im vergangenen Sommer als Gegenstück zum Tankrabatt angeboten wurde, kam vor allem an Wochenenden zum Einsatz. Auf Strecken wie zwischen Berlin und Stralsund oder zwischen Hamburg und Sylt, auf denen die Regionalzüge schon in vergangenen Jahren häufig überfüllt waren, kam es zu menschenunwürdigen Zuständen – diesmal unter reger Anteilnahme der Medien. Behinderte blieben zurück, Fernpendler und andere Fahrgäste fühlten sich abgeschreckt.

Ganz so voll wird es in der ersten Sommersaison des Deutschlandtickets nicht mehr werden, erwartet Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern. „Nachfragespitzen und die damit verbundenen Probleme werden voraussichtlich weniger stark ausgeprägt sein als zwischen Juni und August 2022“, sagte Gunnar Bauer, Sprecher des SPD-Politikers. Schließlich sei das Deutschlandticket deutlich teurer als das 9-Euro-Ticket. Außerdem müssen die Käufer ein Jahresabonnement abschließen – das aber monatlich kündbar ist.

Ministerium in Schwerin: „Dies kann zu Problemen führen“

Trotzdem rechnet das Schweriner Ministerium vor allem für den Beginn der Sommersaison mit einer „erhöhten Nachfrage im Schienenpersonennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern“, so Bauer zur Berliner Zeitung. „Dies kann wie im Vorjahr vor allem zu touristischen Schwerpunktzeiten auch zu Problemen führen.“ Davon seien vor allem Regionalexpresslinien mit langen Strecken betroffen. Dazu zählen die Verbindungen von und nach Berlin. Im einzelnen handelt es sich um die Linien RE3 (Stralsund–Pasewalk–Berlin), RE5 (Rostock/Stralsund–Neustrelitz–Berlin) sowie RE8 (Wismar–Berlin). Auch zwischen Rügen, Rostock und Hamburg wird es voll.

Aus diesem Grund haben die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern sowie der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) dafür gesorgt, dass, wie im vergangenen Sommer, mehr Regionalzüge fahren. Davon werden auch die Fahrgäste von und nach Berlin profitieren – allerdings nicht auf allen Routen. Hier ein Überblick:

Zusatzzug nach Stralsund: Auf der Linie RE3, die Berlin mit Pasewalk und Stralsund verbindet, fährt vom 6. Mai bis 5. November ein zusätzlicher Regionalexpresszug sonnabends und sonntags hin und zurück. Er startet um 8.14 Uhr im Berliner Hauptbahnhof. Stralsund wird laut Fahrplan um 11.11 Uhr erreicht. Sonnabends geht es um 16.41 Uhr oder um 17.05 Uhr von Stralsund zurück. Die Ankunft in Berlin ist für 19.40 Uhr geplant. Sonntags beginnt die Rückfahrt in Stralsund um 19.03 oder um 19.14 Uhr. Knapp drei Stunden später soll auch dieser Zusatzzug Berlin erreichen. „Baubedingt sind wechselnde Fahrzeiten während der Saison möglich“, heißt es im  Schweriner Ministerium. „Bitte unbedingt vor Fahrtantritt informieren!“

Auch am Pfingstmontag mit dem Ausflugszug von Berlin an die Ostsee

Ausflugszug nach Stralsund verlängert: Wie im vergangenen Jahr bekommt der Ausflugszug, der normalerweise während der Saison auf der Linie RE3 zwischen Berlin und Prenzlau verkehrt, einen längeren Laufweg – in diesem Jahr vom 27. Mai bis zum 30. September, teilt der Verkehrsverbund VBB mit. Der Regionalexpress, der sonnabends und sonntags um 10.03 Uhr am Berliner Hauptbahnhof startet, erreicht Stralsund um 13.09 Uhr. Er fährt auch am Pfingstmontag. Um 15.43 Uhr soll es von Stralsund nach Berlin zurückgehen, Ankunft in Berlin-Südkreuz um 19.24 Uhr. Auch bei diesem Zug können Bauarbeiten zu Fahrzeitänderungen führen, so das Ministerium in Schwerin.

Mit Umsteigen nach Stralsund: Ebenfalls vom 27. Mai bis 30. September werden auf der Linie RE3 zwischen Angermünde und Stralsund sonnabends, sonntags und an Feiertagen zwei zusätzliche Zugpaare verkehren. Auch das berichtete der VBB. Wer Umsteigen in Kauf nimmt, bekommt also weitere Alternativen zu den regulären Zügen auf der Stralsund-Linie geboten.

Zusätzliche Züge zwischen Berlin und Rostock – aber erst mit Verzögerung: Auch für die nicht minder stark genutzte Regionalexpresslinie RE5 kündigen die Verantwortlichen zusätzliche Züge an. Details teilten sie noch nicht mit. Absehbar ist allerdings, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis Verbesserungen wirksam werden. Wegen Bauarbeiten im Raum Rostock seien Angebotsverdichtungen voraussichtlich erst vom 5. August an bis zum 30. September möglich, teilte Gunnar Bauer mit. So lange müssen Fahrgäste mit Deutschlandticket mit den regulären Zügen, die zweistündlich fahren, vorliebnehmen.

Mangels Ressourcen und Trassen keine zusätzlichen Regionalzüge nach Rügen

Auch zwischen Schwerin und Hamburg werden an Wochenenden zusätzliche Regionalzüge verkehren, hieß es im Schweriner Infrastrukturministerium. Zwischen Lübeck und Güstrow wird die Kapazität verstärkt, dort werden die Züge aus jeweils zwei Triebwagen bestehen – heute verkehren sie einzeln.

Und wie sieht es auf den stark genutzten Strecken zwischen Wismar, Schwerin und Berlin (RE8)  sowie zwischen Rostock, Stralsund und Rügen (RE9) aus? „Auf den Linien RE8 und RE9 können mangels Ressourcen und mangels geeigneter Fahrplantrassen weder zusätzliche Kapazitäten noch zusätzliche Züge angeboten werden“, bedauert der Ministeriumssprecher.

Anders formuliert: Es fehlen Wagen, und zum Teil gibt es auch nicht genug Streckenkapazität für Zusatzfahrten. So gehört die Strecke zwischen Rostock und Stralsund zu den Trassen, auf denen DB Netz Überholgleise und Weichen entfernt haben. Immerhin hat die Deutsche Bahn eingewilligt, dass das Deutschlandticket in den Fernverkehrszügen auf diesem Abschnitt anerkannt wird. Zur Entlastung des Regionalverkehrs und ermöglicht durch entsprechende Ausgleichszahlungen des Landes an die DB Fernverkehr AG, wie Gunnar Bauer mitteilte.

Noch keine Einigung zur Anerkennung des Tickets im ICE nach Prenzlau

Für Berlin und Brandenburg laufen die Verhandlungen noch. Dabei geht es unter anderem um die ICE- und Intercity-Züge zwischen Berlin, Pasewalk und Stralsund. Auf dem Teilstück bis Prenzlau sind Fahrgäste mit VBB-Tickets willkommen. Doch damit zumindest dort auch das Deutschlandticket anerkannt wird, stellt die DB dem Vernehmen nach hohe Geldforderungen. Die Fernzüge dort sind gut ausgelastet.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn geht davon aus, dass das Deutschlandticket die Fahrgastzahlen steigen lässt. „Besonders stark werden wie beim 9-Euro-Ticket die langlaufenden Regionalverkehre betroffen sein, da diese dann attraktive Alternativen zum Fernverkehr und zu BlaBla-Car darstellen. Beispiele sind Berlin–Rostock, Berlin–Stralsund oder München–Hof“, sagte Lukas Iffländer, der stellvertretende Bundesvorsitzende, der Berliner Zeitung.

Pro Bahn: erst einmal Mängelverwaltung

„Wir gehen von einem Sprung aus, der sich aber in einem geringeren Maß bewegen wird, als bei der Einführung des 9-Euro-Tickets“, so der Pro-Bahn-Vize. „Insbesondere der Sprung am ersten Tag wird geringer ausfallen, da der Beginn am Ende und nicht am Beginn eines verlängerten Wochenendes ist. Daher sollte bis Pfingsten auch der ‚Neu-Faktor‘ etwas verflogen sein.“

In einigen Fällen würden die Verantwortlichen richtig reagieren, stellte Iffländer fest. So habe auch der Hamburger Verkehrsverbund zusätzliche Kapazitäten. „Woanders passiert dagegen wenig bis nichts“ – ein Beispiel sei die Strecke zwischen Berlin und Rostock, auf der vorerst wie bisher nur alle zwei Stunden ein durchgehender Regionalzug verkehren wird. „Kritisch ist auch zu sehen, dass einige Verbünde die Nahverkehrsanerkennung im Fernverkehr nicht auf das Deutschlandticket ausweiten.“

Wie sollten die Verantwortlichen reagieren, um Zustände wie im vergangenen Jahr abzuwenden? „Ich denke, harte Maßnahmen wie ein Fahrradverbot brauchen wir diesmal hoffentlich nicht“, so der Pro-Bahn-Vizevorsitzende. „Wichtig wären: kurzfristig Zusatzbestellungen wo, Züge verlängern oder kurzfristig anmieten. Es stehen genug alte Doppelstockwagen herum.“ Doch klar ist auch: Bis sich die Zustände wirklich bessern, werde noch viel Zeit vergehen, so Iffländer. „In Summe muss man aber sagen, dass wir die ersten Jahre mit dem Ticket Mängelverwaltung betreiben müssen.“