Einkaufsbummler, Flaneure, Spaziergänger, Touristen auf Berlin-Tour: Sie alle sollen in einem Teil des östlichen Berliner Stadtzentrums mehr Platz bekommen. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat grünes Licht dafür gegeben, dass der Hackesche Markt und angrenzende Straße zu einem Fußgängerbereich umgestaltet werden. Während der jüngsten Sitzung stimmten Grüne, Sozialdemokraten und Linke für den Antrag „Eine Zone für den Fußverkehr am Hackeschen Markt“.
Das teilte Hendrik Böckermann, Mitglied der Grünen-Fraktion, bei Twitter mit. Mit 28 Ja-Stimmen wurde der Antrag angenommen. Die 15 Nein-Stimmen stammten von der CDU, der AfD und der FDP.
Der Hackesche Markt wird zur #Fußgängerzone! Mein Antrag wurde soeben von der politischen Mehrheit angenommen! Herzlichen Dank! #BVVmitte pic.twitter.com/RQha2TrJ57
— Hendrik Böckermann @hendrik@gruene.social (@HendrikB_) March 30, 2023
„Das Bezirksamt wird ersucht, in Zusammenarbeit mit den Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz eine baulich veränderte Fußgängerzone am Hackeschen Markt einzurichten.“ So beginnt die Drucksache, die am Donnerstag zur Abstimmung stand. Der Antrag war zuvor in den Ausschüssen für Verkehr und Ordnung sowie für Wirtschaft, Arbeit, Gleichstellung und Europa mehrheitlich angenommen worden – ebenfalls gegen die Stimmen von CDU, AfD und FDP.
Eine Liste zeigt, welche Straßen einbezogen werden sollen
Der Antrag der Grünen listet auf, welche Bereiche einbezogen werden sollen. Die Zone beginnt mit der Oranienburger Straße und zieht sich bis zur Große Hamburger Straße. Dabei soll der Abschnitt zwischen der Großen Hamburger Straße und dem Monbijouplatz verkehrsberuhigt werden. Auch die Neue Schönhauser Straße soll Fußgängerbereich werden, genauso wie die Rosenthaler Straße bis zur Sophienstraße. Für das anschließende Teilstück der Rosenthaler Straße, das bis zur Gipsstraße/Weinmeisterstraße reicht, ist ebenfalls Verkehrsberuhigung vorgesehen. Auch die Straße An der Spandauer Brücke soll bis zur Einmündung Dircksenstraße als Fußgängerbereich gestaltet werden, so der Beschluss.
„Die Anlieferung zu allen Geschäften soll möglich bleiben. Stadtservices, wie Handwerker:innen, Pflegekräfte oder ähnliches sollen ebenfalls weiterhin motorisierten Zugang erhalten, sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“, hieß es. „Der Radverkehr hat sich dem Fußverkehr unterzuordnen. Der Tramverkehr hat mit Rücksicht auf den Fußverkehr weiterhin Vorfahrt, für notwendige Beschilderung ist zu sorgen. Die Beteiligung der Anwohnenden und Geschäftstreibenden muss rechtzeitig ermöglicht werden. Auf Barrierefreiheit ist dringend zu achten.“
Schon seit längerem wird darüber diskutiert, ob sich das dicht bebaute Einkaufsviertel rund um den Touristenmagnet Hackescher Markt als Fußgängerbereich eignet – in größerem Maße als die Friedrichstraße, auf der viel weniger Menschen unterwegs sind. „Bis zu 7500 Fußgänger:innen tummeln sich pro Stunde in den Einkaufsstraßen um den Hackeschen Markt“, so die Grünen-Fraktion in Mitte. „Doch die Fußwege sind schmal und nicht barrierefrei.“ Gerade an Wochenenden sind die Gehwege überfüllt – während auf den Fahrbahnen kaum Autos unterwegs sind. „Das Quartier soll daher attraktiver gestaltet und die Gefahren durch nicht zwingend notwendigen Autoverkehr beseitigt werden. Damit wird auch noch mal eine wirtschaftliche Stärkung der Gegend erwartet.“
Deutsche Umwelthilfe soll sich am Planungsverfahren beteiligen
Bezirksamt und Senat haben bereits signalisiert, dass sie den Vorschlag teilen, den Autoverkehr einzuschränken, um der großen Zahl an Fußgängern mehr Platz zu geben. „Wir wünschen uns in Mitte mehr Bereiche für Fußgänger. In diesem Zusammenhang haben wir auch den Hackeschen Markt in den Blick genommen“, hatte Almut Neumann, die für die Straßen zuständige Bezirksstadträtin, Ende des vergangenen Jahres bekräftigt. Ein „komplexes Thema“, gab Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (ebenfalls Grüne) zu bedenken. „Doch zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe prüfen wir jetzt, was machbar wäre.“
Rosenthaler Straße, Neue Schönhauser Straße, An der Spandauer Brücke, das östliche Ende der Oranienburger Straße: Die schmalen Straßen des Altbauquartiers unweit vom Alexanderplatz gehören zu den erfolgreichsten Shopping-Distrikten von Berlin. Im vergangenen Jahr ermittelte der Gewerbeimmobilienvermieter Comfort, dass am Hackeschen Markt im Schnitt bis zu 7500 Fußgänger pro Stunde unterwegs sind. Damit kam der Bereich nach dem Kurfürstendamm/Tauentzienstraße, wo stündlich bis zu 8500 Passanten gezählt wurden, und dem Alexanderplatz (rund 8000) unter den sechs untersuchten Berliner Einkaufsstraßen auf einen beachtlichen dritten Platz.
Einzelhandelsexperte: Dieser Teil von Mitte funktioniert „megagut“
„Wenn ich in Berlin ein Geschäft eröffnen würde – ich würde mich nicht in der Friedrichstraße, sondern am Hackeschen Markt ansiedeln“, sagt Henning Richard Haltinner. Er ist Chef des Start-ups Whatalocation, das Einzelhändler mit Standortdaten versorgt. Dieser Teil von Mitte funktioniere „megagut“, das Viertel habe sich nach Corona rasch regeneriert, so der Berliner Unternehmer.
„Das ganze Gebiet ist eines der spannendsten, abwechslungsreichsten Quartiere in Berlin. Es ist sehr abwechslungsreich, ohne dass das geplant wurde. Der Altersdurchschnitt ist niedrig, vor allem am Wochenende sind dort viele junge Menschen unterwegs. Es gibt viele Fashion-Label, bekannte und noch unbekannte. Die Preise sind meist bezahlbar, und mit dem öffentlichen Verkehr ist der Hackesche Markt gut erreichbar. Man kann viel Zeit dort verbringen, der Anteil langer und sehr langer Verweilzeiten ist hoch", so der Einzelhandelsexperte aus Berlin.
Gerne eine Fußgängerzone am Hackeschen Markt. Bitte dabei an die Straßenbahn denken. Darüber hinaus ist der Hackesche Markt ein wichtiger Knotenpunkt im Nachtverkehr. https://t.co/lXUWRxu1KP
— IGEB Fahrgastverband Berlin (@IGEB_Berlin) March 31, 2023








