Verkehr

BVG nennt Termin: Der Tag, an dem die Tram wieder zur Turmstraße fährt

Auf der neuen Ost-West-Verbindung gibt es jetzt schon einiges zu sehen. Jetzt steht fest, wann die M10-Verlängerung für die Fahrgäste in Betrieb geht.   

Vor der Kulisse des Kriminalgerichts Moabit rollt der Wagen 2237 am 13. Juli auf Abnahmefahrt durch die Turmstraße.
Vor der Kulisse des Kriminalgerichts Moabit rollt der Wagen 2237 am 13. Juli auf Abnahmefahrt durch die Turmstraße.Peter Neumann/Berliner Zeitung

Bequemer von Prenzlauer Berg nach Moabit. Ohne Umsteigen von Friedrichshain bis zur U9, vom Nordbahnhof zum Gericht. Nicht mehr lange, dann bekommt Berlin eine neue Ost-West-Verbindung. In wenigen Wochen wird die M10, die heute noch in der Nähe des Hauptbahnhofs endet, zum U-Bahnhof Turmstraße weiterfahren. Nun haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) offiziell den Eröffnungstermin bekannt gegeben. Doch schon vorher fahren auf der Neubaustrecke Züge. Vorsicht ist also angebracht.

Alle Details sind noch nicht fertig, immer noch wird an einigen Stellen gearbeitet. Doch die Anlage ist betriebsbereit, und nun ist dort auch mit Verkehr zu rechnen – 63 Jahre nachdem in der östlichen Turmstraße zum vorerst letzten Mal eine Straßenbahn gefahren war. „Die Einweisungsfahrten auf der Neubaustrecke haben am Donnerstag begonnen“, teilte der BVG-Sprecher Nils Kremmin der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. 

„Bis zur Aufnahme des Linienbetriebes möchten wir allen rund 1400 Fahrer:innen die Möglichkeit bieten, die neue Strecke kennenzulernen“, erklärte er. „Dazu werden in den nächsten Wochen täglich bis zu sechs Fahrten pro Tag durchgeführt, bei denen jeweils bis zu zehn Personen eingewiesen werden. Alternativ können die Kolleg:innen ein Schulungsvideo zur Einweisung nutzen.“

Ein Fest für Fans der Berliner Straßenbahn

Montags bis freitags solle jeweils eine Straßenbahn im Einsatz sein, meist zwischen 9 und 16 Uhr, sagte ein anderer BVG-Mitarbeiter. Wie oft sie auf der Trasse zum U-Bahnhof Turmstraße pendelt, hängt davon ab, wie viele Fahrer sich am jeweiligen Tag zur Einweisung angemeldet haben. Hinzu kommen Ausbildungsfahrten, bei denen anderes Personal die rund 2,2 Kilometer lange neue Verbindung ins Zentrum von Moabit kennenlernt. Damit nicht genug: „Es sind auch diverse Messfahrten für fahrzeugseitige und bautechnische Aspekte geplant“, kündigte Kremmin an. Für Fans der Straßenbahn ist es ein Fest: endlich Betrieb auf der Neubaustrecke!

Bereits am 13. Juli, als mit den Abnahmefahrten der Technischen Aufsichtsbehörde der Betrieb begann, kam der 9. September 2023 als möglicher Eröffnungstermin in den Blick. Nun steht fest: Der 9.9. wird in der Tat der Tag sein, von dem an die M10 weiter als bisher in den Westen Berlins fahren wird. „Mittlerweile kann ich Ihnen den 9. September offiziell als Eröffnungsdatum bestätigen“, gab Kremmin am Freitag bekannt.

Fünf Haltestellen sind entstanden. An der Strecke liegen das Amts- und das Kriminalgericht Tiergarten, beide die größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. Das Doppelgleis führt auch an der Justizvollzugsanstalt Moabit vorbei – deren Insassen werden jedoch wohl kaum profitieren. Die Strecke hat aber nicht nur lokale Bedeutung. Immerhin führt sie durch große Teile der Innenstadt, in einem Viertelkreis von der Warschauer zur Turmstraße. Unterwegs kreuzt sie andere Schienenstrecken, um direkt an der stark genutzten U9 zu enden. So entstehen viele neue Umsteigeverbindungen.

New kid on the block: Seit knapp sechs Jahrzehnten fährt wieder eine Straßenbahn durch die Rathenower Straße – Wagen 9081 am 13. Juli auf Abnahmefahrt vor der Justizvollzugsanstalt Moabit.
New kid on the block: Seit knapp sechs Jahrzehnten fährt wieder eine Straßenbahn durch die Rathenower Straße – Wagen 9081 am 13. Juli auf Abnahmefahrt vor der Justizvollzugsanstalt Moabit.Sabine Gudath/Berliner Zeituung

Bislang fährt die Straßenbahn lediglich auf zwei Routen in den Westen Berlins, in dem 1967 mit der 55 zwischen Zoo und Hakenfelde unter großem Beifall die letzte „Elektrische“ stillgelegt wurde. Davon ist nur die Trasse zum Virchow-Klinikum in Wedding mehrere Kilometer lang, die M10 endet momentan noch kurz hinter der ehemaligen Sektorengrenze. Bislang geht es nur per Bus weiter – mit der Linie 245.

Linke-Abgeordneter fragt den Senat – und bekommt nur vage Antworten

Gäbe es die Neubaustrecke nicht, würden Prognosen für die Verbindung knapp 11.000 Fahrgäste pro Tag erwarten. Nun geht die BVG davon aus, dass die Zahl der Nahverkehrsnutzer auf rund 16.000 pro Tag steigt. Erwartet wird, dass davon circa 10.200 Menschen die Straßenbahn nutzen. Allerdings wurden auf anderen Neubaustrecken in Berlin die Vorhersagen schon bald von der Wirklichkeit übertroffen.

Obwohl die Kosten im Vergleich zur U-Bahn niedrig sind und eine hohe Nachfrage erwartet wird, geht der Ausbau des größten deutschen Straßenbahnnetzes nur langsam voran. Die 1,2 Kilometer lange Neubautrasse zum Bahnhof Ostkreuz könnte das nächste Projekt sein. Doch ob in der Friedrichshainer Sonntagstraße wie zuletzt angekündigt 2026 erstmals Züge fahren können, steht in den Sternen. Anwohner wollen klagen.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD darauf geeinigt, drei Straßenbahnstrecken zu untersuchen: Alexanderplatz–Potsdamer Platz, Warschauer Straße–Hermannplatz (M10) sowie die Verlängerung nach Blankenburger Süden (M2). „Aufgrund der aktuellen Richtlinien der Regierungspolitik werden die drei genannten Strecken auf ihre Zusammenhänge und Verzahnung mit weiteren Infrastrukturvorhaben geprüft“, teilte Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten Kristian Ronneburg hin mit.

Senatorin Schreiner: „Auch im Westen können Straßenbahnen sinnvoll sein“

Geht es dabei auch darum, wie viele Autostellplätze wegfallen? „Bereits im Rahmen der Grundlagenermittlungen zu den Strecken wurden grundsätzlich überschlägige Analysen zu den Auswirkungen der Planungen auf Parkplätze im öffentlichen Straßenland vorgenommen. Diese Auswirkungen werden gesamthaft mit vielen weiteren Aspekten abgewogen“, antwortete Behrendt dem Verkehrspolitiker. Mit diesen vagen Antworten kann Ronneburg wenig anfangen: Er hat dem Senat Nachfragen übermittelt.

„Dass ein Straßenbahnprojekt auf der Prüfliste steht, bedeutet nicht, dass es aufgeschoben oder gestrichen wird“, sagte Berlins neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) der Berliner Zeitung im Juni. „Doch in einigen Fällen sind die Planungen schon recht alt, und wir wollen uns unter den neuen Vorzeichen anschauen, ob und wie sie sich auf den Autoverkehr auswirken würden.“ Sie sei der Auffassung, dass Berlin im Berliner Mobilitätsmix auch die Straßenbahn braucht. „Wenn bei einem Projekt Nutzen und Kosten in einem guten Verhältnis stehen, wollen wir es realisieren.“

Das gelte auch für die Westbezirke, so Schreiner weiter. „Aber wenn die Straßenbahn auch im Westen eine gute Alternative ist und die gesetzten Ziele erfüllt, warum sollten wir dort keine Strecken bauen? Auch im Westen können Straßenbahnen sinnvoll sein.“ Doch sie möchte betonen, dass U-Bahn-Projekte für sie Vorrang haben. „In der Tat gibt es überall Engpässe bei den Planungskapazitäten“, betonte die Senatorin. „Umso wichtiger ist es, Komplexität herauszunehmen und Prioritäten zu setzen. Das bedeutet, dass wir den U-Bahnbau priorisieren.“