Schmale Gehwege zu beiden Seiten, in der Mitte eine breite Fahrbahn mit Parkplätzen. Nachdem der Fußgängerbereich abgeräumt worden ist, sieht die Friedrichstraße rund um das Warenhaus Galeries Lafayette wieder so aus wie früher. Eine ganz normale Berliner Straße, möchte man meinen. Doch weit gefehlt: Auf diesem Abschnitt verbirgt sich eine Besonderheit, die nicht sofort ins Auge sticht. Von ihr profitieren ausschließlich Autofahrer – ausgerechnet auf der Straße, die einst nach dem Willen der Grünen zum Schaufenster der Verkehrswende werden sollte. Doch es gibt einen Haken.
Klimakrise, neue Mobilität, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger: Es gibt viele Themen, die Autofahrer nerven. Auf dem mittleren Abschnitt der Friedrichstraße, der sich zwischen der Leipziger und der Französischen Straße erstreckt, dürfen sie sich willkommen fühlen. Auch wenn es sich noch nicht groß herumgesprochen hat.
Denn dort ist es so wie früher, als Autos fast überall in Berlin kostenlos abgestellt werden durften. Während in den benachbarten Parkzonen 1, 2 und 15 des Bezirks Mitte das Parken montags bis freitags von 9 bis 22 Uhr nicht weniger als vier Euro pro Stunde kostet, ist es auf diesem Teilstück gratis möglich.
„Die längste kostenlose Parkmeile in Mitte: Friedrichstrasse!“, twitterte eine Berlinerin, die dort zwar nicht parkt, aber regelmäßig zu Fuß unterwegs ist. „Irgendwann stehen hier die Bootsanhänger und die Wohnmobile“ – wie mancherorts in Außenbezirken, wo Gratis-Parkraum häufig als Langzeitabstellplatz für Freizeitvehikel genutzt wird.
Ewig werde das Idyll nicht währen, heißt es im Bezirksamt Mitte
Kostenlos parken in der Friedrichstraße: Ist da nicht doch irgendwo ein Haken? Nein, sagt Jascha Sallmann aus der Pressestelle des Bezirksamts Mitte. „Es gilt keine Parkgebührenpflicht“, betont er auf Anfrage. Aber warum darf „Stehblech“ dort gratis stehen?
Das hat damit zu tun, dass der Abschnitt auf Wunsch der neuen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) kurzfristig zum 1. Juli wieder für Autos freigegeben wurde. „Aus Kapazitätsgründen konnte bei der Freigabe der Friedrichstraße der ruhende Verkehr nicht mit angeordnet werden“, so der Sprecher. „Ein Rückfallen auf die vorherigen Anordnungen und das Herstellen eines Zwischenzustandes wurde als unzweckmäßig bewertet.“
Die längste kostenlose Parkmeile in Mitte : Friedrichstrasse ! Irgendwann stehen hier die Bootsanhänger und die Wohnmobile 😂 pic.twitter.com/UtJyoUZg03
— nicola brüning (@BrningN) July 25, 2023
Doch ewig werde das Idyll nicht währen, heißt es im Bezirksamt. „Eine verkehrsbehördliche Anordnung wird aktuell erarbeitet“, so Sallmann. „Es wird angestrebt, den Bereich im September wieder vollumfänglich in die Parkraumbewirtschaftung integriert zu haben.“ Dann kostet auch auf dem Mittelteil der Friedrichstraße das Parken wieder vier Euro pro Stunde – wie früher.
Dem Vernehmen nach wollte der Senat mit der kurzfristigen Wiedereröffnung für den Kraftfahrzeugverkehr einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuvorkommen. Betroffene hatten Widerspruch gegen die Anordnung des Bezirksamts Mitte eingelegt, auf deren Grundlage der Straßenabschnitt Ende Januar für Autos gesperrt und für Fußgänger geöffnet worden war. „Der Senat hätte das Thema dem Gericht überlassen können“, schätzte ein Beobachter ein. „Aber das hätte wahrscheinlich die Korrektheit der Einziehung bestätigt, für die im Bezirksamt die Ex-Verwaltungsrichterin und heutige Stadträtin Almut Neumann von den Grünen zuständig war.“
„Die Friedrichstraße ist wieder ohne jede Aufenthaltsqualität“
Wie berichtet, soll im Herbst das Masterplanverfahren starten, das die Verkehrssenatorin angekündigt hat. Zusammen mit der Bauverwaltung sollen Konzepte erarbeitet werden, in denen es auch um die künftige Gestaltung der Mobilität im östlichen Stadtzentrum gehen soll. Norman Niehoff, der aus der Stadtverwaltung Potsdam in die Senatsverkehrsverwaltung gewechselt und dort für die Gestaltung von Straßen sowie Plätzen zuständig ist, wird den mehrjährigen Prozess leiten. Anrainer und Gewerbetreibende sollen einbezogen werden, versprach Senatorin Schreiner.




