Mobilität

Gut gehütetes Geheimnis: Warum Parken in der Friedrichstraße gratis ist

Nebenan werden für eine Stunde parken vier Euro fällig. Ausgerechnet auf der Straße, die zum Schaufenster der Mobilitätswende werden sollte, kostet es nichts. Wieso?

Alles auf Anfang: Seit dem 1. Juli dürfen in der Friedrichstraße zwischen der Leipziger und der Französischen Straße wieder Autos fahren. Neu ist: Das Parken ist derzeit kostenlos.
Alles auf Anfang: Seit dem 1. Juli dürfen in der Friedrichstraße zwischen der Leipziger und der Französischen Straße wieder Autos fahren. Neu ist: Das Parken ist derzeit kostenlos.Gerd Engelsmann/Berliner Zeitung

Schmale Gehwege zu beiden Seiten, in der Mitte eine breite Fahrbahn mit Parkplätzen. Nachdem der Fußgängerbereich abgeräumt worden ist, sieht die Friedrichstraße rund um das Warenhaus Galeries Lafayette wieder so aus wie früher. Eine ganz normale Berliner Straße, möchte man meinen. Doch weit gefehlt: Auf diesem Abschnitt verbirgt sich eine Besonderheit, die nicht sofort ins Auge sticht. Von ihr profitieren ausschließlich Autofahrer – ausgerechnet auf der Straße, die einst nach dem Willen der Grünen zum Schaufenster der Verkehrswende werden sollte. Doch es gibt einen Haken.

Klimakrise, neue Mobilität, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger: Es gibt viele Themen, die Autofahrer nerven. Auf dem mittleren Abschnitt der Friedrichstraße, der sich zwischen der Leipziger und der Französischen Straße erstreckt, dürfen sie sich willkommen fühlen. Auch wenn es sich noch nicht groß herumgesprochen hat.

Denn dort ist es so wie früher, als Autos fast überall in Berlin kostenlos abgestellt werden durften. Während in den benachbarten Parkzonen 1, 2 und 15 des Bezirks Mitte das Parken montags bis freitags von 9 bis 22 Uhr nicht weniger als vier Euro pro Stunde kostet, ist es auf diesem Teilstück gratis möglich.

„Die längste kostenlose Parkmeile in Mitte: Friedrichstrasse!“, twitterte eine Berlinerin, die dort zwar nicht parkt, aber regelmäßig zu Fuß unterwegs ist. „Irgendwann stehen hier die Bootsanhänger und die Wohnmobile“ – wie mancherorts in Außenbezirken, wo Gratis-Parkraum häufig als Langzeitabstellplatz für Freizeitvehikel genutzt wird.

Ewig werde das Idyll nicht währen, heißt es im Bezirksamt Mitte

Kostenlos parken in der Friedrichstraße: Ist da nicht doch irgendwo ein Haken? Nein, sagt Jascha Sallmann aus der Pressestelle des Bezirksamts Mitte. „Es gilt keine Parkgebührenpflicht“, betont er auf Anfrage. Aber warum darf „Stehblech“ dort gratis stehen?

Das hat damit zu tun, dass der Abschnitt auf Wunsch der neuen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) kurzfristig zum 1. Juli wieder für Autos freigegeben wurde. „Aus Kapazitätsgründen konnte bei der Freigabe der Friedrichstraße der ruhende Verkehr nicht mit angeordnet werden“, so der Sprecher. „Ein Rückfallen auf die vorherigen Anordnungen und das Herstellen eines Zwischenzustandes wurde als unzweckmäßig bewertet.“

Doch ewig werde das Idyll nicht währen, heißt es im Bezirksamt. „Eine verkehrsbehördliche Anordnung wird aktuell erarbeitet“, so Sallmann. „Es wird angestrebt, den Bereich im September wieder vollumfänglich in die Parkraumbewirtschaftung integriert zu haben.“ Dann kostet auch auf dem Mittelteil der Friedrichstraße das Parken wieder vier Euro pro Stunde – wie früher.

Dem Vernehmen nach wollte der Senat mit der kurzfristigen Wiedereröffnung für den Kraftfahrzeugverkehr einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuvorkommen. Betroffene hatten Widerspruch gegen die Anordnung des Bezirksamts Mitte eingelegt, auf deren Grundlage der Straßenabschnitt Ende Januar für Autos gesperrt und für Fußgänger geöffnet worden war. „Der Senat hätte das Thema dem Gericht überlassen können“, schätzte ein Beobachter ein. „Aber das hätte wahrscheinlich die Korrektheit der Einziehung bestätigt, für die im Bezirksamt die Ex-Verwaltungsrichterin und heutige Stadträtin Almut Neumann von den Grünen zuständig war.“

„Die Friedrichstraße ist wieder ohne jede Aufenthaltsqualität“

Wie berichtet, soll im Herbst das Masterplanverfahren starten, das die Verkehrssenatorin angekündigt hat. Zusammen mit der Bauverwaltung sollen Konzepte erarbeitet werden, in denen es auch um die künftige Gestaltung der Mobilität im östlichen Stadtzentrum gehen soll. Norman Niehoff, der aus der Stadtverwaltung Potsdam in die Senatsverkehrsverwaltung gewechselt und dort für die Gestaltung von Straßen sowie Plätzen zuständig ist, wird den mehrjährigen Prozess leiten. Anrainer und Gewerbetreibende sollen einbezogen werden, versprach Senatorin Schreiner.

„Die Friedrichstraße ist wieder drängelig, laut und ohne jede Aufenthaltsqualität“, kommentierte Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS). „Die schmalen Gehwege sind mit Gastronomie, Zweirädern und Werbetafeln vollgestellt. Und sie werden wieder vermehrt mit Rädern und E-Scootern befahren. Entspannten Einkaufsbummel gibt es auf unabsehbare Zeit nicht. Wenn jetzt noch mehr Kunden wegbleiben, dürfen sich die Händler bei den Auto-Ideologinnen bedanken.“

Auch wenn das Parken momentan kostenlos ist: Einfacher ist es für Autofahrer in der Friedrichstraße trotzdem nicht geworden. Zumindest am Donnerstagvormittag war kein einziger Stellplatz frei verfügbar. Alle Flächen waren schon besetzt.