Die Aufgabe ist schwieriger, als sie wirkt. Einer grauen Straße ein schönes Gesicht zu geben – das ist nicht einfach. Einem Bereich der östlichen Innenstadt von Berlin, in den es Einheimische nur sehr selten verschlägt, Anziehungskraft und einen Wiedererkennungswert zu verleihen – das ist eine Herausforderung. Angehende Landschaftsarchitekten von der Technischen Universität (TU) Berlin haben sie angenommen. Am Dienstag stellten die 17 Studentinnen und Studenten ihre Konzepte für eine Straße vor, die trotz mäßiger Bedeutung zu den größten verkehrspolitischen Zankäpfeln der Hauptstadt gehört. Es geht um einen Abschnitt der Friedrichstraße.
Genauer gesagt: um das Teilstück rund um das Warenhaus Galeries Lafayette. Ende Januar hatte das Bezirksamt Mitte den rund 500 Meter langen Abschnitt zwischen der Französischen und der Leipziger Straße für Fußgänger geöffnet. Auch Fahrräder und E-Scooter waren zugelassen. Doch Berlins neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) ließ den Fußgängerbereich wieder abräumen. Seit 1. Juli dürfen auf diesem Teilstück wieder Autos fahren – wie früher. Im Herbst soll ein Masterplanverfahren beginnen.
Was die Grünen als Mobilitätswendeprojekt priesen, war für Kritiker eine Provokation. Einfach so eine Straße für Autos sperren, um sie mit Pflanzkübeln und Sitzgelegenheiten zu möblieren – das gehe gar nicht. Das Verkehrsexperiment habe fast drei Millionen Euro Steuergeld gekostet, hieß es. Vom ästhetischen Standpunkt konnte Stefan Reimann, Professor am Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TU, die Bedenken verstehen. „Blumenkübel und Sitzbänke auf die Fahrbahn stellen – das war keine Lösung“, sagte der Landschaftsplaner am Dienstag. Das Straßenmobiliar habe „wie abgeworfen“ gewirkt, meinte der wissenschaftliche Mitarbeiter Meinhard Kuntz.
„Wir wollen zur Qualitätshebung beitragen“
Der graue Freiraum in Mitte, letztlich eine lange schmale Straßenschlucht, reizte die Landschaftsarchitekten. Doch die Debatte, die sich fast immer nur auf verkehrsplanerische Aspekte beschränkte und sich vor der Wiederholungswahl in einem politischen Grabenkampf auflöste, fanden sie eindimensional. „Wir wollen zur Qualitätshebung beitragen“, erklärte die Professorin Barbara Hutter. „Und wir wollen diesem städtischen Raum die Aufmerksamkeit geben, die er verdient“, ergänzte Kuntz.
So wurde das Vertiefungsstudium Inventing Friedrichstraße! aus der Taufe gehoben. Im Februar legten 17 Studierende des Bachelorstudiengangs Landschaftsarchitektur los. Am Dienstag war Präsentation. „Eigentlich wollten wir die Entwürfe auf der Friedrichstraße zeigen – aber dort fahren jetzt wieder Autos“, bedauerte Kuntz. Deshalb wurde der Raum 316 im abgeschabten EB-Gebäude an der Straße des 17. Juni 145 zum Showroom. Bei Apfelsaft, Wasser und Keksen wurden Plakate entrollt und an Stellwände gepinnt.

„Friedrich schlägt ein“: So hieß die erste Präsentation. Die Analyse der vierköpfigen Gruppe war niederschmetternd – und zutreffend. „Bisher hat die Friedrichstraße kein Potenzial für uns Berliner“, lautete sie. So wie ein krankes Herz den Stromstoß eines Defibrillators braucht, benötige die Friedrichstraße einen starken Impuls. Aus der öden Straße soll eine futurische Raumskulptur werden: mit einer durchgehenden Beleuchtung, die wie ein Blitz mäandert. Mit einem 30 Zentimeter tiefen „Krater“, in dem Wasserdampf die Passanten kühlt. Mit „Schollen“, auf denen Bäume wurzeln.

„An einem Band“ war der Titel der zweiten Gruppenarbeit, die sich die Friedrichstraße ebenfalls als Fußgängerbereich wünscht. Im Mittelpunkt stehen lila Bänder, die sich von der Leipziger Straße bis Unter den Linden ziehen. Ein Band aus farbigem Beton ist das verbindende Bodenelement. Das andere lange Band ist aus Stahl, es spendet Licht und Schatten, wird begrünt oder berankt. Der Südabschnitt wird zum Pop-up-Space, etwa für Marktstände. Weil der U-Bahn-Tunnel der U6 dicht unter der Fahrbahn verläuft, werden Bäume in den querenden Straßen gepflanzt: Gleditschien, Spitzahorne, Robinien.

In „Passerelle en rouge“ wird dieser Abschnitt der Friedrichstraße zu einem Laufsteg. Hier ist ein vier Meter breiter roter Weg, der sich über die ganze Länge zieht, das verbindende Element. Er verläuft nicht stur geradeaus, sondern versetzt. Links und rechts verbessern drei Meter breite Grüninseln das Straßenklima. Aus den heute noch grauen Asphaltkreuzungen werden vier Plätze, von denen einer zum Beispiel ein rundes Wasserspiel bekommt, während ein anderer Knotenpunkt zum Spielplatz wird. Auch in diesem Entwurf ist die Friedrichstraße ein Fußgängerbereich – für Radfahrer tabu.

Nur in „Directing Lines“ darf geradelt werden. Doch das autofreie Chaos, das die fünf Studentinnen und Studenten während ihrer Exkursionen vorfinden, hat ihnen nicht gefallen. Um die Sphären für Radfahrer und Fußgänger künftig besser zu markieren, werden Streifen aus dunkel gefärbtem Zement in die Straße eingelassen. An den Seiten folgen die Linien dicht auf dicht – Platz zum Gehen. Zur Mitte endet die Schraffur – dort ist Platz zum Radfahren. „Schattenfoyers“ mit Ginkgos und anderen Bäumen bilden die Eingangsbereiche, Lichtinseln mit Pergolen aus gefärbtem Glas setzen Farbakzente.
Auch der Alexanderplatz hat eine Auffrischung nötig
Ein Lichtband wie ein Blitz, ein lila Weg, ein roter Weg, dunkle Streifen: Verbindende Elemente sollen die Straßennutzer auf dem gesamten Abschnitt begleiten. Sie verleihen diesem Teil der Friedrichstraße eine neue Identität, die er noch nicht hat. Damit ist das zentrale Thema adressiert – auch wenn man nicht jeden Entwurf gut findet. Dass die Straße weiterhin dem Einkaufen dienen soll, fechten die Studierenden nicht an. Doch künftig sollen auch nichtkommerzielle Funktionen und Elemente zur Belebung beitragen: Tanzkurse und Sport unter freiem Himmel, Kinderspiele, Säulen, die kühlenden Wasserdampf versprühen, Bänke und Tische, Bäume und duftende Blüten.
Die Straße sei „instrumentalisiert“ worden, sagte die Planerin Susanne Yacoub, die als Beraterin den Studentinnen und Studenten zur Seite stand. Die hölzernen Straßenmöbel, die das Bezirksamt aufstellen ließ, seien „fantasielos“ gewesen. Zwar sei es nicht unüblich, mit Provisorien zu beginnen, so Barbara Hutter. „So hat es auf der Mariahilfer Straße in Wien auch angefangen“ – die inzwischen als gutes Beispiel für eine Umgestaltung einer Stadtstraße gelte, sagte die Österreicherin. Aber nun sei es an der Zeit, die Zukunft der Friedrichstraße professionell anzugehen, sagte Stefan Reimann. „Wir brauchen einen Realisierungswettbewerb“, forderte der TU-Professor am Dienstag.




