Mobilität

Manja Schreiner entscheidet: Schönhauser Allee bekommt breite Radfahrstreifen

Heute drängen sich dort täglich 10.000 Radfahrer auf schmalen Wegen. Nun teilt die Senatorin mit, was passiert. Ab August kommt eine „temporäre Lösung“.

So soll die Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg zwischen den Knotenpunkten Gleim-/Stargarder Straße und Eberswalder/Danziger Straße aussehen. Rund 150 Autostellplätze fallen weg.
So soll die Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg zwischen den Knotenpunkten Gleim-/Stargarder Straße und Eberswalder/Danziger Straße aussehen. Rund 150 Autostellplätze fallen weg.Simulation: GB infraVelo GmbH

Es ist eine Nachricht, die viele Radfahrer freuen wird. Die Radfahrstreifen, die auf einem Abschnitt der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg geplant sind, werden von August an tatsächlich gebaut. Das teilte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz am Freitag mit. „Die Maßnahme wird auf Grundlage des fortgeschrittenen Planungsstands, der bereits erfolgten Beauftragung externer Firmen und zur Steigerung der Verkehrssicherheit als temporäre Lösung umgesetzt“, hieß es. Temporär soll heißen: Später will sich der Senat auch mit den übrigen Abschnitten der Straße befassen.  

Seit zehn Jahren steht fest, dass die täglich von bis zu 10.000 Radfahrern genutzte Hauptverkehrsstraße auf beiden Seiten Radfahrstreifen bekommen soll. Dreimal hat die Bezirksverordnetenversammlung Pankow dazu Beschlüsse gefasst. Die schmalen Radwege, die auf den Bürgersteigen verlaufen und von der Polizei als Abschnitte mit einer hohen Unfallhäufigkeit identifiziert wurden, reichen nicht mehr aus. Planer haben für den Abschnitt zwischen den Knotenpunkten Eberswalder/Danziger Straße und Gleim-/Stargarder Straße Alternativen geprüft. Als Vorzugsvariante kam heraus, anstelle der 150 Autostellplätze auf diesem Abschnitt beidseitig geschützte, 2,50 Meter breite Radfahrstreifen anzulegen. Gehwege sollen verbreitert, Lieferzonen eingerichtet werden.

Nachdem die neue Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) angekündigt hatte, dass sie Radverkehrsprojekte überprüfen lässt, falls sie den Autoverkehr betreffen, wuchsen die Zweifel, ob das Projekt verwirklicht wird. Ein Schreiben der Verwaltung vom 20. Juni macht deutlich, dass für alle Vorhaben der Geldhahn zugedreht wurde. Für den vergangenen Montag rief das Netzwerk Fahrradfreundliches Pankow zu einer Demonstration in der Schönhauser Allee auf, an der mehr als 250 Radfahrer teilnahmen.

Elf Lieferzonen für den Wirtschaftsverkehr in der Schönhauser Allee

Seitdem gab es immer wieder Irritationen, was in der Schönhauser Allee geschieht. Nach Informationen der Berliner Zeitung ließ die Senatorin in der Tat Varianten noch einmal prüfen – zum Beispiel, ob es möglich wäre, die Bürgersteig-Radwege zu verbreitern. Doch wie berichtet ging Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) stets davon aus, dass die Radfahrstreifen kommen: „Wenn das Projekt nun abgebrochen würde, wäre damit zu rechnen, dass dem beauftragten Bauunternehmen Ausfall- und Strafgelder gezahlt werden müssten. In der zunehmend angespannten Haushaltslage, mit der sich das Land Berlin konfrontiert sieht, würde das ein Problem darstellen.“

Seit Freitagvormittag herrscht nun Klarheit: Von August an wird die bisherige Planung auf die Straße gebracht. Originalton der Pressemitteilung: „Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt hält nach Abstimmung mit dem Bezirksamt Pankow daran fest, dass die Radwege in der Schönhauser Allee gebaut werden.“ Wie erwartet ist ein wichtiger Faktor der Entscheidung, dass die landeseigene GB Infravelo bereits einer Baufirma den Auftrag erteilt hat.

Fahrgastverband warnt: Straßenbahn M1 darf nicht ausgebremst werden

Allerdings ist es der Verwaltung wichtig zu betonen, dass es sich bei den Baumaßnahmen in der Schönhauser Allee um eine „temporäre Lösung“ handelt, wie aus der Mitteilung hervorgeht. „Es folgt eine Gesamtbetrachtung der Straße über ihre ganze Länge“, so die Verwaltung. „Dabei wird der Verkehrsraum inklusive der Kreuzungsbereiche großräumig betrachtet, damit der Querschnitt der Straße durch eine bauliche Lösung neu aufgeteilt werden kann. Dabei wird auch eine weitere Beschleunigung und Bevorrechtigung des ÖPNV auf dieser stark frequentierten Strecke untersucht.“ Der Fahrgastverband IGEB hat mehrmals darauf hingewiesen, dass der Tramverkehr nicht behindert werden darf.

Fahrraddemo am 26. Juni auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Begleitet von der Polizei fuhren schätzungsweise 250 bis 300 Radler im Kreis. Autos standen im Stau, auch die Straßenbahn M1 musste warten.
Fahrraddemo am 26. Juni auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Begleitet von der Polizei fuhren schätzungsweise 250 bis 300 Radler im Kreis. Autos standen im Stau, auch die Straßenbahn M1 musste warten.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Die Errichtung des neuen Radwegs werde dem gestiegenen Radverkehrsaufkommen entlang der Hauptstraße gerecht, betonte die Senatsverwaltung am Freitag. „Der Radfahrstreifen entsteht auf einer Länge von rund 720 Metern zwischen Eberswalder/Danziger Straße und Gleimstraße/Stargarder Straße beidseitig jeweils auf der rechten Spur. Mit dem breiten Radfahrstreifen können Radfahrende sich künftig mit ausreichend Abstand überholen und ohne Hindernisse auf dem Radweg fahren. Für den Wirtschaftsverkehr werden elf Lieferzonen eingerichtet“, teilte die Behörde mit.

Bezirksstadträtin dankt dem Senat für seine schnelle Prüfung

„Die Schönhauser Allee erhält eine sichere Radverkehrsanlage“, fasste Schreiner zusammen. „Auch der Wirtschaftsverkehr profitiert von dieser Maßnahme, da Liefer-, Ver- und Entsorgungsfahrzeuge noch mehr eigene Lieferzonen erhalten. Wichtig ist zugleich: Nun werden wir den Verkehrsraum entlang der Schönhauser Allee und Berliner Straße großräumig betrachten, um künftig bei Bedarf im Sinne einer weiteren Verbesserung für alle Verkehrsteilnehmer Anpassungen vornehmen zu können. Dafür sind und bleiben wir mit dem Bezirk im Austausch“, sicherte die Senatorin zu.

Manuela Anders-Granitzki, Bezirksstadträtin für Ordnung und öffentlichen Raum in Pankow, äußerte sich positiv. „Ich freue mich außerordentlich, dass klar ist, wie es zunächst auf der Schönhauser Allee weitergeht und dass es zügig weitergehen kann. Der Neubau der Radwege an dieser Stelle ist für Pankow ein wichtiges Verkehrsprojekt, dem schon eine langjährige Planung zugrunde liegt. Bei der Senatsverwaltung möchte ich mich für die schnelle Betrachtung bedanken“, teilte die CDU-Politikerin mit.

Das Netzwerk Fahrradfreundliches Pankow hat allerdings noch Fragebedarf. „Was ist mit ‚temporärer Lösung‘ gemeint?“, lautete ein Tweet. „Kommen nun die Klebeborde, so wie sie sich auf der #Oberbaumbrücke bereits super bewährt haben? Oder nur eine gelbe Linie, damit sie von Kfz ignoriert werden kann? Erneut eröffnet eine Pressemitteilung mehr Fragen, als sie beantwortet.“

Für andere Radverkehrsprojekte ist weiter ungewiss, was mit ihnen passiert. Darum finden an diesem Wochenende Demonstrationen statt. Wie berichtet haben sieben Stadträtinnen und Stadträte der Grünen die Senatorin aufgefordert, Gelder möglichst rasch freizugeben. Falls Vorhaben in diesem Jahr nicht mehr verwirklicht werden können, würden allein in ihren Bezirken Fördergelder von insgesamt mindestens zehn Millionen Euro drohen zu verfallen, so die Warnung. Doch das gesetzte Ultimatum verstrich am Mittwochabend, ohne dass Manja Schreiner direkt darauf reagierte.

ADAC: „Ideologisch motivierten Aktionismus hatten wir in Berlin genug“

In einem neuerlichen Schreiben, das von Donnerstag datiert und der Berliner Zeitung vorliegt, weisen die Stadträtinnen und Stadträte die Verkehrssenatorin erneut darauf hin, dass die Zeit drängt. Sie stellen „mit Bedauern“ fest, dass die Senatsverwaltung die Gelder bislang nicht freigegeben hat. „Dies bringt uns in den Bezirken angesichts der anstehenden Bauabläufe für diese Großprojekte und der Jährlichkeit der Fördermittel in große Schwierigkeiten“, heißt es. Ausschreibung, Vergabe, Umleitungen und die Verlegung von Bushaltestellen stünden noch an. Verstreiche noch mehr Zeit, wäre es nicht mehr möglich, Projekte bis zum 15. Dezember abzurechnen. Es käme zu einem „Stopp durch Zeitablauf, da die Zeitschienen dann nicht mehr zu halten sind. “

Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) Berlin-Brandenburg begrüßte, dass die Senatorin Radverkehrsvorhaben überprüfen lässt. „Die neue Landesregierung sieht sich einer Vielzahl von angefangenen Projekten gegenübergestellt. Diese Projekte sind in der Vergangenheit oftmals spontan und ohne seriöse Bedarfsanalyse gestartet worden“, sagte der Vorsitzende Volker Krane der Berliner Zeitung.

„In unserem ersten Gespräch mit Frau Schreiner haben wir verstanden, dass die Landesregierung jetzt erst einmal feststellen möchte, wo die priorisierenden Bedarfe sind. Wir halten dieses Vorgehen für sehr sinnvoll. Politik sollte sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und Entscheidungswege nachvollziehbar machen, bevor etwas umgesetzt wird. Ideologisch motivierten Aktionismus hatten wir in den vergangenen Jahren genug in der Berliner Verkehrspolitik“, sagte Krane.


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