Prenzlauer Berg

Endlich sicher Radfahren auf der Schönhauser Allee – aber keine Parkplätze mehr

Ein Teil einer der wichtigsten Radrouten Berlins wird umgebaut. Auch Fußgänger profitieren, Autofahrer dagegen nicht. Jetzt gibt es einen neuen Zeitplan.

Breite Gehwege, Radfahrstreifen, keine Autostellplätze mehr: Die Visualisierung des landeseigenen Unternehmens zeigt, wie der Mittelteil der Schönhauser Allee künftig aussehen soll.
Breite Gehwege, Radfahrstreifen, keine Autostellplätze mehr: Die Visualisierung des landeseigenen Unternehmens zeigt, wie der Mittelteil der Schönhauser Allee künftig aussehen soll.Visualisierung: GB infraVelo GmbH

Eine der am stärksten genutzten Radrouten Berlins wird umgebaut. Die Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg wird fahrradfreundlicher – zumindest ein erster Abschnitt dieser Straße. In einer parlamentarischen Drucksache, die der Berliner Zeitung vorliegt, hat der Senat jetzt den neuen Zeitplan bekannt gegeben. Die Lobby der Berliner Fahrgäste hat das Projekt allerdings bereits kritisiert. Auch viele Autofahrer wird es nicht freuen: In dem betroffenen Bereich fallen die Autostellplätze weg.

Es geht um das 720 Meter lange Teilstück der Schönhauser Allee, das am Knotenpunkt  Stargarder/Gleimstraße beginnt und in Höhe der Topsstraße kurz vor der Kreuzung mit der Danziger und der Eberswalder Straße endet. Dort wird der jeweils rechte Fahrbahnstreifen, auf dem heute noch geparkt wird, in einen geschützten Radfahrstreifen umgewandelt. Die neuen Radwege werden je 2,50 Meter breit.

„Um regelwidriges Halten und Parken zu verhindern, wird der Radfahrstreifen durch Betonborde vom Autoverkehr getrennt“, teilte das landeseigene Unternehmen Infravelo der Senatsverwaltung mit. Diese Trennbereiche sollen 50 Zentimeter breit sein. „Für den Lieferverkehr werden Ladezonen eingerichtet.“ Elf solcher Bereiche sind vorgesehen. Der Umbau dieses Teils der Schönhauser Allee wird zur Folge haben, dass die Gehwege breiter werden, die auf der Ostseite der Allee zum Teil ziemlich schmal sind.

Staatssekretärin: Die Vergabe des Bauauftrags steht bevor

Eigentlich sollte der radfahrer- und fußgängerfreundliche Umbau dieses Abschnitts der Bundesstraße 96a im Nordosten Berlins schon Mitte des vergangenen Jahres beginnen. Dann war von Herbst 2023 die Rede. Jetzt hat Andreas Otto, Grünen-Abgeordneter aus Prenzlauer Berg, noch einmal beim Senat nachgefragt. Die Verwaltung wandte sich wiederum an die Infravelo. Seit kurzem liegt die Antwort vor.

„Die Ausführungsplanung ist abgeschlossen, die Ausschreibung der Bauleistung ist veröffentlicht, und die Vergabe steht bevor“, teilte Staatssekretärin Silke Karcher (Grüne) dem Abgeordneten mit. „Der abschnittsweise Umbau der Schönhauser Allee soll Mitte 2023 beginnen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist von einer Fertigstellung und Inbetriebnahme der Radfahrstreifen Ende des dritten Quartals 2023 auszugehen.“ Das wäre dann im September.

Ein Radfahrer auf der Schönhauser Allee im Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg. Noch verlaufen die Radwege auf den Bürgersteigen. Doch das soll sich ändern.
Ein Radfahrer auf der Schönhauser Allee im Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg. Noch verlaufen die Radwege auf den Bürgersteigen. Doch das soll sich ändern.Benjamin Pritzkuleit

„Nach vielen Jahren Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern wird jetzt endlich die Situation entschärft“, sagte der Abgeordnete Andreas Otto. „Darüber freue ich mich sehr.“ Der Umbau werde ein Modell für die weiteren Teile der Schönhauser Allee. „Der Radstreifen auf der Fahrbahn bringt ihnen Sicherheit und Fahrkomfort“, so der Grünen-Politiker. „Der Gehweg kann sich endlich zu einem echten Boulevard entwickeln.“

Das Berliner Mobilitätsgesetz fordert breite Radwege an allen Hauptstraßen

Rein rechtlich ist die Sache klar: Das Berliner Mobilitätsgesetz, das 2018 vom Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der Linkspartei verabschiedet wurde, sieht für alle Hauptstraßen breite und geschützte Anlagen für den Radverkehr vor. Mit dem Umbau der Schönhauser Allee setzt die Infravelo zudem den Berliner Radverkehrsplan und einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Pankow um.

Dass Bedarf besteht, gilt als sicher. Die Ausfallstraße ist eine der wichtigsten Radstrecken in dieser Stadt. So wurden in Höhe des Knotenpunktes mit der Gleim- und Stargarder Straße am 29. Oktober 2020 zwischen 7 und 19 Uhr insgesamt mehr als 10.000 Radfahrer gezählt. Doch die Radler werden auf schmale Radwege verwiesen, die abseits der Fahrbahnen auf den Bürgersteigen verlaufen. Überholen ist dort schwierig, in Haltestellenbereichen erhöhen Kurven die Gefahren. Häufig gibt es Konflikte mit dem nicht minder starken Fußverkehr, der sich ebenfalls mit wenig Platz begnügen muss.

Der Umbau des mittleren Abschnitts der Schönhauser Allee soll die Situation auch für Fußgänger verbessern. Die heutigen Radwege werden den Gehwegbereichen zugeschlagen. Dadurch werden die Bürgersteige deutlich breiter – zum Teil bis zu acht Meter breit, heißt es. „Zusätzliche Fahrradbügel, Sitzbänke und mehr Platz etwa für Außengastronomie sollen Komfort und Aufenthaltsqualität erhöhen“, so der Senat.

Zu bestimmten Tageszeiten ist Halten und Parken in der zweiten Reihe legal

Allerdings wird die Umnutzung der Fahrbahnränder dazu führen, dass die Autostellplätze in diesem Bereich wegfallen. Rund 150 Parkplätze werden aufgehoben, hieß es bislang. Für den rollenden Kraftfahrzeugverkehr wird es zwar weiterhin jeweils zwei Fahrstreifen geben, von denen einer aber wie bisher auch von den Straßenbahnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) genutzt wird. Vorgesehen ist auch, dass die rechte Fahrspur zu bestimmten Tageszeiten für den Liefer- und Ladeverkehr freigegeben wird. Halten und Parken in der zweiten Reihe, das es heute schon gibt, wird dadurch legal. Ansonsten wird dieser Verkehr auch über Ladezonen in Nebenstraßen abgewickelt, so die Planer – was auch dort den Verlust von Autostellplätzen mit sich bringen dürfte.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB zeigte sich im vergangenen Jahr unzufrieden mit dem Vorhaben. So sei absehbar, dass auf der zeitweise einzigen verbleibenden Fahrspur die Straßenbahnen der Linie M1 zusammen mit den Kraftfahrzeugen im Stau stehen werden, wenn der rechte Fahrstreifen als Liefer- und Ladezone genutzt werden darf, gab der Verband zu bedenken. Die Haltestelle Milastraße werde zu einer Gefahrenzone, hieß es weiter. Dort müssen die Fahrgäste schon heute über die Fahrbahn laufen, um in die Bahn einsteigen zu können. Auf dem Weg dorthin müssten sie künftig den breiten Radweg überqueren, warnte die Fahrgastlobby.

Weil dort der Nachtbus N2 hält und Lieferzonen für die dort ansässigen Restaurants eingerichtet werden müssen, wird der Bereich kurz vor dem U-Bahnhof Eberswalder Straße allerdings nicht umgestaltet. Die heutigen Hochbordradwege auf den Gehwegen bleiben erhalten.

Wann werden andere Abschnitte der Schönhauser Allee umgebaut?

Wann auch andere Abschnitte der Schönhauser Allee fahrradfreundlich umgebaut werden, ist weiterhin ungewiss. „Im Bezirk Pankow befinden sich derzeit 19 Radverkehrsprojekte größeren Umfangs in der konkreten Objektplanung sowie drei Projekte in der Umsetzung“, teilte Staatssekretärin Karcher mit. „Einen besonders hohen Stellenwert wird der Schönhauser Allee im Abschnitt zwischen Schivelbeiner/Wichertstraße und Bornholmer/Wisbyer Straße beigemessen.“

Doch das Bezirksamt könne neue Radverkehrsprojekte größeren Umfangs erst beginnen, wenn einige der laufenden Projekte abgearbeitet sind und die Finanzierung gesichert ist, so Karcher. „Ein genauer Termin für die Aufnahme der Planungen südlich des U-Bahnhofs Eberswalder Straße sowie nördlich der Stargarder/Gleimstraße ist derzeit nicht seriös prognostizierbar.“

Im vergangenen Jahr hatte Manuela Anders-Granitzki, Stadträtin für Ordnung und öffentlichen Raum im Bezirksamt Pankow, das nun beginnende Teilprojekt in der Schönhauser Allee noch gelobt. „Mit der geplanten Umgestaltung gelingt uns trotz des begrenzten innerstädtischen Raums, die unterschiedlichen Nutzungsbedürfnisse zu berücksichtigen und die Situation für Radfahrende und Zufußgehende zu verbessern“, sagte die CDU-Politikerin. „Wichtig ist es, auch eine Verbesserung für den Wirtschafts- und Lieferverkehr zu erreichen und entsprechende Ladezonen einzurichten.“

Auch die Torstraße in Mitte bekommt geschützte Radfahrstreifen

Kai Wegner, künftiger Regierender Bürgermeister von Berlin, will sich dagegen um eine Änderung des Mobilitätsgesetzes bemühen. Nicht überall in der Stadt müssten neue Radfahrstreifen so breit sein, wie dies im Gesetz vorgesehen sei, so der Christdemokrat. „Es gehe nicht um Ideologie oder ‚Kopf durch die Wand‘, auch nicht darum, in ganz Berlin dieselbe Schablone anzulegen. „Wir wollen nicht gegen den Willen von Anwohnern 2,30 Meter breite Radwege anlegen, die niemand nutzt“, so Wegner.

Im kommenden Jahr soll auch die Torstraße in Mitte geschützte Radfahrstreifen bekommen – dort sollen sie 2,30 Meter breit werden. Losgehen soll es zwischen der Chausseestraße und dem Rosenthaler Platz. Zwei Jahre später, 2026, folgt das ebenfalls rund ein Kilometer lange östliche Teilstück bis zur Karl-Liebknecht-Straße.