Mobilität

Bürgermeisterin ist zuversichtlich: Schönhauser Allee bekommt Radfahrstreifen

Seit Langem steht fest, dass die Straße für Radfahrer sicherer wird – jetzt scheint das plötzlich ungewiss zu sein. Doch Cordelia Koch geht davon aus, dass gebaut wird. 

Fahrrad-Demo am Montagmorgen auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Begleitet von der Polizei, fuhren schätzungsweise 250 bis 300 Radler im Kreis. Autofahrer mussten warten.
Fahrrad-Demo am Montagmorgen auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Begleitet von der Polizei, fuhren schätzungsweise 250 bis 300 Radler im Kreis. Autofahrer mussten warten.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

Ein Autofahrer rief wütend: „Müsst ihr nicht arbeiten gehen?“ Ein Fußgänger zeigte den Stinkefinger. Doch es war klar, dass sich die demonstrierenden Radfahrer nicht beirren lassen würden. Am Montagmorgen, während des Berufsverkehrs, drehten sie auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg 30 Minuten ihre Runden – bis zur Wichertstraße stadtauswärts und dann bis zur Stargarder Straße stadteinwärts, immer im Kreis. Das brachte den Autoverkehr ins Stocken und Autofahrer in Wallung. Doch es ist möglich, dass sie ab sofort öfter damit rechnen müssen, dass Radfahrer dort die Straße benutzen.

Denn die schmalen Bürgersteig-Radwege, auf denen sich auch an diesem Montag wieder Radpendler und andere drängten, sind angesichts des Andrangs viel zu schmal. „Es ist absurd“, rief Tobias Kraudzun von Changing Cities Pankow ins Megafon. Seit zehn Jahren stünde fest, dass die Schönhauser Allee auf beiden Seiten breite geschützte Radfahrstreifen bekommen soll. „Dazu gab es drei Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung, die fast einstimmig gefasst wurden“, gab er zu bedenken. Doch in jüngster Zeit machten Meldungen, wonach das Projekt gestoppt wurde, die Runde. ezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki hat das Projekt gestoppt.

„Mit der geplanten Umgestaltung gelingt es uns trotz des begrenzten innerstädtischen Raums, die unterschiedlichen Nutzungsbedürfnisse zu berücksichtigen und die Situation für Radfahrende und Zufußgehende zu verbessern“, so wurde die Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) zitiert, als sie im April 2022 mit der damaligen Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) das Vorhaben vorstellte. Doch inzwischen wurde eine andere Einschätzung publik. „Das Projekt wurde lange vor meiner Amtszeit und in einer ganz anderen gesamtstädtischen Lage geplant“, hieß es vor Kurzem. Hintergrund ist der Machtwechsel nach der Wahl. Seit Ende April regiert eine große Koalition, die Mobilitätssenatorin heißt nun Manja Schreiner und kommt von der CDU.

„Ist die Klimakrise vorbei? Wird weniger Rad gefahren?“

„Doch hat sich wirklich etwas geändert?“, fragte Hans Hagedorn vom Netzwerk fahrradfreundliches Pankow zu Beginn der Demonstration am Montag. „Ist die Klimakrise vorbei? Wird weniger Rad gefahren?“ Für die Demonstranten, deren Zahl auf 250 bis 300 geschätzt wurde, war klar: In beiden Fällen lautet die Antwort Nein. Die Schönhauser Allee gehört zu den wichtigsten Radrouten Berlins. Selbst im ersten Corona-Jahr, am 29. Oktober 2020, wurden in Höhe des Knotenpunktes Gleimstraße und Stargarder Straße zwischen 7 und 19 Uhr insgesamt mehr als 10.000 Radfahrer gezählt.

„Die Radwege auf der Schönhauser Allee sind eine Zumutung“, sagte Tobias Kraudzun von Changing Cities.
„Die Radwege auf der Schönhauser Allee sind eine Zumutung“, sagte Tobias Kraudzun von Changing Cities.Sabine Gudath/Berliner Zeitung

„Im Sommer sind auf diesem Abschnitt ein Drittel der Fahrzeuge Fahrräder“, rechnete Tobias Kraudzun vor. Doch die schmalen Radwege sind gefährlich. „Im Durchschnitt kommt es drei- bis viermal im Monat zu Unfällen, bei denen Radfahrer verletzt werden“, sagte er. 

Damit sich der Radverkehr nicht mehr auf den teilweise gerade mal einen Meter breiten Radwegen drängen muss, sehen die im vergangenen Frühjahr vorgestellten Planungen vor, ihn auf einem ersten Teilstück auf die Straße zu verlegen. Wo heute noch bis zu 150 Autos abgestellt werden dürfen, sollen 2,50 Meter breite geschützte Radfahrstreifen entstehen. Vorgesehen ist das für den 720 Meter langen Teil der Schönhauser Allee, der an der Gleimstraße, Ecke Stargarder Straße beginnt und in Höhe Topsstraße endet.

Auch Fußgänger hätten etwas von dem Umbau – breitere Gehwege

„Nicht nur Radfahrer würden profitieren, auch Fußgänger“, sagt die Pankower Grünen-Abgeordnete Oda Hassepaß, die an der ersten Kreisfahrt teilnimmt. Denn die Gehwege werden breiter, wenn dort keine Radwege mehr verlaufen. Auch deshalb habe es für das Projekt Zustimmung gegeben, erklärte die Grünen-Sprecherin für Rad- und Fußverkehr.

Zuletzt hieß es, dass die Arbeiten in der Schönhauser Allee in diesen Wochen beginnen und im dritten Quartal 2023 abgeschlossen werden sollten. Aber das steht nun infrage – auch wenn es Berichte gibt, dass die Baufirma schon bestellt sei. Wie berichtet, hat der Senat in ganz Berlin Radverkehrsprojekte, für die Fahrstreifen oder eine größere Zahl von Autostellplätzen wegfallen müssten, angehalten. Der Geldhahn wurde zugedreht, solange die Vorhaben überprüft werden. An diesem Montag spricht Manja Schreiner mit den zuständigen Stadträtinnen und Stadträten über das brisante Thema.

Radfahrstreifen, wo heute noch Autos parken: Das ist der Plan für die Schönhauser Allee, der nun gestoppt ist. 
Radfahrstreifen, wo heute noch Autos parken: Das ist der Plan für die Schönhauser Allee, der nun gestoppt ist. Simulation: GB infraVelo GmbH

„Uns droht bis zum Ende der Wahlperiode 2026 der Stillstand“, sagte Ragnhild Sørensen von Changing Cities am Montag. Sie bekomme immer mehr Mails und Anrufe aus dem Ausland. „In den Niederlanden, in Dänemark fragt man: Was ist da los in Berlin?“ Schon jetzt sei absehbar, welche Langzeitschäden der Projektstopp anrichtet: Millionen Euro Fördergeld drohen zu verfallen, und Planer, die von Senats- und Bezirksstellen mit Mühe angeworben wurden, sehen sich nach Alternativen um. „Einige haben schon Stellenangebote aus anderen Städten bekommen“, sagte Sørensen.

Verlassen jetzt junge Planer die Verwaltung wieder?

In der Senatsverwaltung müssen Radverkehrsplaner an Listen mit Projekten arbeiten, die dauerhaft gestrichen werden. „Das demotiviert“, sagte Hans Hagedorn vom Netzwerk fahrradfreundliches Pankow. „Die so lange kaputtgesparte Verwaltung ist endlich in Fahrt gekommen – und dann das“, kritisierte der 53 Jahre alte Stadtplaner aus Alt-Pankow. Ob er jetzt jeden Montag zu einer Kreisfahrt auf der Schönhauser Allee aufrufen wird, steht noch nicht fest. „Doch klar ist: Das wird ein heißer Sommer“ – was Demos anbelangt. 

So ist für den 30. Juni um 18 Uhr eine Protestfahrt durch die Siegfriedstraße in Pankow geplant. Am 1. Juli um 14.30 Uhr beginnt eine Demo am S-Bahnhof Waidmannslust. Es geht durch Reinickendorf, wo das Bezirksamt in der Ollenhauerstraße gerade erst fertiggestellte Radfahrstreifen mit gelber Folie ungültig machen ließ. Zuvor ist für 13 Uhr eine Kidical Mass geplant (Start am Frankfurter Tor). Der Falkplatz ist am 2. Juli um 14 Uhr Ausgangspunkt einer weiteren Demonstration.

Susanne Jäger vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) wies darauf hin, dass es in der Schönhauser Allee bereits heute erlaubt sei, auf der Fahrbahn zu radeln. Für die Gehweg-Radwege gilt nur abschnittsweise die Benutzungspflicht, was jeweils durch die bekannten runden blauen Verkehrszeichen mit dem weißen Fahrrad angezeigt wird. Ansonsten gilt: „Ihr könnt schon jetzt auf der Fahrbahn fahren.“ 

Cordelia Koch: „Ich gehe davon aus, dass das Vorhaben verwirklicht wird“

Aber vielleicht sind nun doch keine langfristigen Demos in der Schönhauser Allee nötig. Am Montagnachmittag sprach die Berliner Zeitung mit Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch. „Es handelt sich um ein Projekt der GB Infravelo, nicht des Bezirksamts Pankow“, sagte die Grünen-Politikerin. „Das Vorhaben ist sorgfältig vorbereitet und geplant worden. Nach meinem Informationsstand sind inzwischen Bauaufträge ausgelöst worden, damit es umgesetzt wird. Damit unterliegt das Projekt nach den maßgeblichen Grundsätzen der Senatsverwaltung nicht dem Moratorium, das für andere Radverkehrsprojekte in Berlin angesetzt worden ist. Vorhaben, für die bereits Bauleistungen beauftragt worden sind, dürfen umgesetzt werden“, so Koch.

„Wenn das Projekt nun abgebrochen würde, wäre damit zu rechnen, dass dem beauftragten Bauunternehmen Ausfall- und Strafgelder gezahlt werden müssten. In der zunehmend angespannten Haushaltslage, mit der sich das Land Berlin konfrontiert sieht, würde das ein Problem darstellen.“

Die neue Bezirksbürgermeisterin zeigte sich zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass das Vorhaben verwirklicht wird und die Radfahrstreifen wie vorgesehen in diesem Sommer in der Schönhauser Allee angelegt werden“, sagte sie der Berliner Zeitung. „Das würde den Grundsätzen der Planungssicherheit und Rechtsstaatlichkeit entsprechen, denen sich auch die CDU verpflichtet fühlt.“