Erst die gute Nachricht: Nach rund einem Jahr Unterbrechung fährt die S-Bahn seit Montag wieder nach Mahlow und Blankenfelde südlich von Berlin. Jetzt die nicht ganz so gute: In der Nacht zu Sonnabend wird die direkte Bahnstrecke zwischen Berlin und Dresden unterbrochen – bis 10. November.
Busse ersetzen Regionalzüge, die Reisezeiten verdoppeln sich zum Teil. Fernzüge werden gestrichen, andere umgeleitet. Mit einer Geschichte, die fast drei Jahrzehnte zurückreicht, ist der Neu- und Ausbau der Dresdner Bahn eines der langwierigsten Verkehrsprojekte in Deutschland. Nun wurde bekannt, dass es länger dauert - bis 2029.
Es gibt ruhigere Orte im Berliner Umland als Blankenfelde-Mahlow. Immer wieder stören Flugzeuge, die zur Landung auf dem Flughafen BER ansetzen, die Ruhe. Dagegen wird ein anderer Geräuscherzeuger von Bürgermeister Michael Schwuchow, der an diesem kalten Montagmorgen zum Bahnhof Blankenfelde gekommen ist, ausdrücklich begrüßt. „Ich freue mich, dass ab heute die S-Bahn wieder in unsere Gemeinde fährt“, sagt der SPD-Politiker. Dann übertönt wieder ein landendes Flugzeug alles andere.
Seit April 2022 war die S-Bahn-Verbindung in diesen Teil des Landkreises Teltow-Fläming gekappt. Um für den Ausbau der parallel verlaufenden Fern- und Regionalzugstrecke Platz zu schaffen, musste die S-Bahn-Trasse verschoben werden. Die Reisenden mussten ein Jahr lang auf Busse oder Regionalzüge umsteigen. Nachdem das 60-Millionen-Euro-Teilprojekt nun pünktlich beendet wurde, ist auf der direkten Route zwischen Berlin und Blankenfelde wieder die S2 im 20-Minuten-Takt unterwegs.
Mindestens eine halbe Stunde länger nach Zossen unterwegs
Für das, was demnächst kommt, wird die S-Bahn auch dringend gebraucht. Denn in der Nacht zu Sonnabend werden die Fern- und Regionalbahngleise nach Blankenfelde, Zossen, Wünsdorf-Waldstadt und in andere Orte für den Zugverkehr gesperrt. Wie berichtet müssen Pendler und andere Fahrgäste in Blankenfelde aus Berlin von der S-Bahn auf den Schienenersatzverkehr wechseln und Bus fahren. Die Fahrzeit vom Berliner Hauptbahnhof nach Zossen verlängert sich von rund 45 auf mindestens 76 Minuten, es können aber auch 103 oder 111 Minuten sein. Eine Recherche im Internet lohnt sich.
Fernreisende zwischen Berlin und Dresden werden ebenfalls betroffen sein. Weil ihre Züge über Jüterbog und Falkenberg (ohne Halt) umgeleitet werden, dauert die Fahrt rund 20 Minuten länger. Zudem fällt fast die Hälfte der Fahrten weg. Wer die Intercity-Züge nach Chemnitz nutzt, profitiert. Sie werden bis November über eine Route geführt, die in DDR-Zeiten Standard war. Fahrgäste sparen so lange eine halbe Stunde pro Weg.

Warum muss die Dresdner Bahn mehr als ein halbes Jahr unterbrochen werden? „Weil wir ein sehr komplexes, kompliziertes Teilprojekt realisieren“, erklärt Gesamtprojektleiter Marcus Reuner. „Schneller ist das leider nicht zu schaffen.“ Um die Fern- und Regionalzugtrasse in Blankenfelde um bis zu 1,40 Meter anzuheben, wird ein Damm aufgeschüttet. Damit Anwohner vor Erschütterungen geschützt werden, ziehen die Bauleute eine Betonplatte ein. Auch die Sanierung einer Moorstelle steht auf der Liste, der Untergrund muss stabilisiert werden. Das alles wäre unter dem rollenden Rad nicht möglich, sagt Reuner. „Es ist das schwierigste Vorhaben in diesem Bereich.“
„Endlich wieder eine Mauer hat jetzt Lichtenrade!“
Im Schatten dieser großen Baumaßnahme verwirklicht die DB andere Teilprojekte. So modernisiert sie im Bahnhof Zossen bis Ende 2025 Gleise, Weichen, Oberleitungen und Sicherungstechnik. „Auch anderswo im Stadtgebiet stehen wir vor Herausforderungen“, sagte Wiebke Şahin-Schwarzweller (FDP), die Bürgermeisterin der über 20.000 Einwohner zählenden Stadt. So muss die Thomas-Müntzer-Straße zweieinhalb Jahre unterbrochen werden, damit der ebenerdige Bahnübergang beseitigt werden kann. Weil die Strecke für Tempo 200 ausgebaut wird, sind solche Kreuzungen nicht mehr erlaubt.
Doch nicht nur durchreisende Fahrgäste profitieren. Wenn die Strecke nun gesperrt wird, nehmen die Bauleute auch den geplanten Kombibahnsteig Blankenfelde in Angriff. Auf der einen Seite halten vom Jahresende an die Regionalzüge nach Süd-Brandenburg. Auf der anderen Seite werden ab Ende 2025 die S-Bahnen aus Berlin eintreffen, um danach wieder dorthin zurückzufahren. Künftig gibt es in diese Richtung deutlich kürzere Umsteigewege, so Alexander Kaczmarek, DB-Konzernbevollmächtigter für den Nordosten Deutschlands. Das S-Bahn-Gleis wird bis vor das Parkhaus verlängert.
In etwas mehr als zweieinhalb Jahren soll dann auch die Umwegfahrt über das „Schweineohr“ enden. So heißt die Verbindungskurve zwischen der Anhalter Bahn und dem Außenring bei Großbeeren, die heute von den Regionalzügen genutzt wird. Ende 2025 soll der Neubau der Dresdner Bahn im Süden Berlins fertig sein, bekräftigte Kaczmarek. Dann nutzen auch der Flughafen-Express zum BER sowie der Fernverkehr nach Dresden, Prag und Budapest die wiedererrichtete Direktroute durch Lichtenrade.
Kaczmarek, in den 1990er-Jahren Berliner Verkehrspolitiker der CDU, kann sich noch an hitzige Bürgerversammlungen in Lichtenrade erinnern. „Die Begrüßung war nicht gerade überschäumend“, denkt er zurück. Um die Anwohner vor Lärm zu bewahren, säumen heute bis zu fünf Meter hohe Schallschutzwände fast den gesamten zehn Kilometer langen Abschnitt der Dresdner Bahn im Berliner Stadtgebiet. Aber auch das kam bei den Bürgern nicht gut an. 2019 stand auf einem Transparent: „Endlich wieder eine Mauer hat jetzt Lichtenrade, denn so lange ohne Mauer, das war doch sehr fade!“

In Berlin kam das Vorhaben anfangs lange nicht voran. Auch weil der Senat auf Betreiben der SPD-Politiker Peter Strieder und Klaus Wowereit das Verfahren anhielt und die öffentliche Auslegung der Unterlagen verweigerte, konnte die Genehmigungsprozedur erst nach rund 18 Jahren 2015 abgeschlossen werden. Am Montag freute sich Alexander Kaczmarek darüber, dass ein Ende dieses langwierigen Teilprojekts in Sicht ist: „Wenn dieser Abschnitt Ende 2025 fertiggestellt worden ist, werde ich die Dresdner Bahn in einem Eurocity nach Prag genießen“ – stilecht im tschechischen Speisewagen.
Kommunalpolitiker loben die Deutsche Bahn
In den Gemeinden südlich von Berlin ist die Stimmung dagegen mehrheitlich positiv, lobt Projektchef Reuner. Wenn die Dresdner Bahn in Lichtenrade fertig ist, werde sich schließlich auch die Fahrzeit zwischen Berlin und Zossen verringern, so Wiebke Şahin-Schwarzweller. „Was wir wegen des Bahnprojekts an neuen Arbeitsplätzen gewinnen werden, ist heute noch nicht absehbar.“ Michael Schwuchow ergänzte: „Wir haben den Eindruck, dass die Bahn das Projekt für die Bürger erträglich gestalten will. Dass sie für die Bürger baut.“ Auch Radfahrer hätten etwas von dem Vorhaben: Die Unterführung des Berliner Mauerwegs bei Mahlow, für die sich der Berliner Grünen-Politiker Michael Cramer über Jahre hinweg eingesetzt hatte, wird 2024 fertig.







