Mobilität

„So geht’s nicht!“: Droht dem Berliner Südosten ein großes Verkehrschaos?

Der Spreepark macht auf, die Autobahn A100 wird fertig, für Radwege fallen Parkplätze weg. Doch Bezirk und Senat handeln konzeptlos, sagt eine Abgeordnete.

Teilnehmer einer Führung besichtigen das Gelände des künftigen Spreeparks. Der einstige Kulturpark im Plänterwald wird nach und nach wiedereröffnet. Er könnte viel Verkehr anziehen. 
Teilnehmer einer Führung besichtigen das Gelände des künftigen Spreeparks. Der einstige Kulturpark im Plänterwald wird nach und nach wiedereröffnet. Er könnte viel Verkehr anziehen. Paul Zinken/dpa

Was rollt auf den Südosten von Berlin zu? Die Linke-Abgeordnete Katalin Gennburg rechnet mit erhöhten Belastungen sowie Parkplatznot in Treptow, Plänterwald und Baumschulenweg. In ihrem Wahlkreis entstehen viele Wohnungen, eine Sportanlage wird ausgebaut, der Spreepark wiedereröffnet, sagt sie. Zugleich sollen Parkplätze wegfallen, und eine Autobahn wird dem Südosten Berlins noch mehr Autos bescheren. Jetzt hat die Politikerin den Senat befragt, ob es aktuelle Verkehrskonzepte gibt. Die Antwort: keine. Stattdessen sollen Besucher „lernen, ihr Auto zu Hause zu lassen“. Gennburg befürchtet einen „Parkinfarkt“ zulasten der Anwohner: „So geht’s nicht!“

Berlin verändert sich, und das betrifft auch Treptow, Plänterwald und Baumschulenweg. Gennburg, die im Wahlkreis 1 die Mehrheit der Erststimmen bekam und direkt ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, hat eine lange Liste von Bauvorhaben. Dabei geht es nicht nur um neue Wohnungen, die zum Beispiel bei den Nachverdichtungsprojekten in der Orion- und Galileistraße entstehen. Auch größere Projekte stehen auf der Liste.

So wird nach und nach der Spreepark im Plänterwald eröffnet. Auf dem großen grünen Gelände des früheren Volkseigenen Betriebs Kulturpark Berlin entstehen Orte für Kunst und Kultur. Den Anfang soll in diesem Frühjahr das Eierhäuschen machen. Das denkmalgeschützte Gebäude, das nach der Schließung 1991 immer weiter verfiel und inzwischen umfassend saniert worden ist, wird ein Ausflugslokal mit Biergarten beherbergen. Auf dem Gelände am Spreeuferweg wird auch der Spreepark Art Space öffnen. Bis 2026 folgen weitere Bereiche. Das 45 Meter hohe Riesenrad wird saniert.

Wieder in alter Pracht: Das Eierhäuschen am Spreeufer wird in dieser Saison als Ausflugslokal wiedereröffnet.
Wieder in alter Pracht: Das Eierhäuschen am Spreeufer wird in dieser Saison als Ausflugslokal wiedereröffnet.Peter Neumann

Um die Natur zu schützen, wird der motorisierte Verkehr allerdings beschränkt. So soll es keine öffentlichen Parkplätze geben, bekräftigt das landeseigene Unternehmen Grün Berlin. Geplant sind höchstens 100 Stellplätze im Spreepark, die ausschließlich mobilitätseingeschränkten Besuchern, dem Servicepersonal, Gästen von Veranstaltungen im Eierhäuschen sowie für Anlieferungen zur Verfügung stehen werden. Lediglich zehn Prozent der Spreepark-Besucher sollen mit dem Auto kommen. Das ist das Ergebnis von Beratungen, an denen auch Anwohner teilnahmen.

Staatssekretärin verspricht „bestmögliche ÖPNV-Anbindung“

Katalin Gennburg befürchtet eine „Welle von Suchverkehren und Wildparkenden“. Anstatt sich um ein praktikables Verkehrskonzept zu bemühen, setzen Bezirk und Senat darauf, die Autofahrer zu erziehen, kritisiert die Abgeordnete. Die zuständige Amtsleiterin in Treptow-Köpenick hatte während einer Ausschusssitzung gesagt, dass die Nutzerinnen und Nutzer des Spreeparks „lernen werden, ihr Auto zu Hause zu lassen“, teilte Verkehrs-Staatssekretärin Meike Niedbal auf Gennburgs Anfrage hin mit. „Es handelt sich also nicht, wie in der Presse kolportiert, um einen Erziehungsversuch, sondern um eine Wiedergabe von Erfahrungswerten“, so die Grünen-Politikerin.

Die Planung, wonach der überwiegende Teil der Spreepark-Besucher mit Bahn, Bus, Fahrrad oder zu Fuß kommen soll, stünde im Einklang mit den verkehrspolitischen Zielen in Berlin, stellte Niedbal fest. Damit es erreicht werden kann, sei eine „bestmögliche ÖPNV-Anbindung“ vorgesehen, teilte sie mit. „Weiterhin vorgesehen und auch bereits in Planung sind Leihangebote für Fahrräder, E-Bikes, Lastenräder und Elektroroller an den S-Bahnhöfen Treptower Park, Plänterwald und Baumschulenweg sowie an den Eingängen zum Kunst- und Kulturpark und am Eierhäuschen.“

„Dem Bezirksamt ist bewusst, dass der ein oder andere Besuchende des Spreeparks zumindest in der ersten Zeit nach Eröffnung des Spreeparks versuchen wird, doch mit dem motorisierten Individualverkehr anzureisen. Dies wird sich nicht vermeiden lassen“, gesteht Niedbal ein. Der Spreepark werde jedoch schrittweise eröffnen und nicht sofort 2024 in Volllast gehen. Grün Berlin plane eine intensive Öffentlichkeitsarbeit.

Plänterwald bekommt Parkraumbewirtschaftung

„Um dennoch negative Auswirkungen auf die Bewohnerinnen und Bewohner im unmittelbaren Umfeld zu vermeiden, hat sich das Bezirksamt das Ziel gesetzt, eine Parkraumbewirtschaftung auf öffentlichen Straßen im Ortsteil Plänterwald einzuführen“, heißt es weiter in der Senatsantwort. Zwar wurde 2014 per Bürgerentscheid entschieden, in Treptow-Köpenick keine Parkgebühren zu beheben. Die Linke hatte das Plebiszit gegen die Parkraumbewirtschaftung unterstützt. Doch weil sich die Lage geändert hat, beschloss das Bezirksparlament 2022 einen Schwenk.

Um Radfahren nicht nur zum Spreepark, sondern auch zu anderen Zielen sicher und attraktiv zu gestalten, bekommt die wichtigste Hauptverkehrsstraße im Umkreis auf beiden Seiten Radfahrstreifen. Die Planung für die Umgestaltung der Köpenicker Landstraße zwischen Marggraffbrücke und Bulgarische Straße liegt vor, nun muss der Senat über die Ausschreibung der Aufträge und deren Umsetzung entscheiden. Absehbar ist, dass von den 615 Parkplätzen auf dem Mittelstreifen und am rechten Rand viele aufgehoben werden müssen. Wie viele es sein werden, teilte Meike Niedbal aber nicht mit. „Es wird aktuell geprüft, ob eine Kompensation eines Teils der wegfallenden Parkplätze durch eine veränderte Parkordnung auf dem Mittelstreifen möglich ist.“

Willi-Sänger-Sportanlage an der Köpenicker Landstraße wird ausgebaut

In angrenzenden Straßen seien keine Parkraumeinschränkungen geplant, versicherte die Senatspolitikerin. Doch damit kann sie Gennburg nicht beruhigen. Denn nicht nur der Spreepark werde den Parkdruck erhöhen: Der Bezirk möchte die Willi-Sänger-Sportanlage an der Köpenicker Landstraße ausbauen.

„Sie hat einen großen Entwicklungsbedarf und ein bisher nur in Teilen genutztes Entwicklungspotenzial“, stellt Staatssekretärin Niedbal fest. Vorgesehen sei, das alte Stadion für 4,3 Millionen Euro zu einer Anlage umzubauen, die den Anforderungen mindestens der Regionalliga entspricht. Tribünen, die Rundlaufbahn und andere Bereiche sollen „qualifiziert“ werden.

Nicht zu vergessen: Treptow bekommt einen Autobahnanschluss. Ab Ende 2024, so die Planung des Bundes, endet die A100 an der Straße Am Treptower Park. Bis dahin soll der 16. Bauabschnitt fertiggestellt werden. Der Bezirk Treptow-Köpenick begrüßt die neue Verkehrsverbindung. Bezirke und der Senat fordern aber vom Bund ein Konzept, wie der Verkehr, der auf der Autobahn herandrängt, geleitet werden soll. Doch weiterhin sind keine Pläne bekannt, wie Niedbal in ihrer Antwort an Gennburg bestätigt. „Dem Senat liegt das Inbetriebnahmekonzept des Bundes noch nicht vor.“

„Mit großer Sorge blicke ich auf die Antworten von Bezirksamt und Senat“

Auch auf Senatsebene gibt es keine Planungen, wie Gennburg von Niedbal erfuhr. Zwar sei vorgesehen, bis Ende 2023 die Ausschreibung für ein Verkehrskonzept Südostraum vorzubereiten, teilte die Senatspolitikerin der Abgeordneten mit. Dafür müssten aber noch die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen gefunden werden. Gelingt das, werde die Untersuchung voraussichtlich bis Sommer 2025 dauern.

„Mit großer Sorge blicke ich auf die Antworten von Bezirksamt und Senat, denn diese unternehmen offenbar nichts“, so der abschließende Kommentar Gennburgs. Dabei gäbe es viele Themen: die A100, der „Parkinfarkt“, die Auswirkungen der Wiedereröffnung des Spreeparks und des Stadionsausbaus. Gehandelt werde nach dem Prinzip „Wird schon schiefgehen“. Das sei für die Anwohner „komplett inakzeptabel“ und „generell unverantwortlich“, bemängelte die Linke-Politikerin. Konzepte müssten her, „bevor weitere Großbaustellen unseren Ortsteil lahmlegen“.