Güter gehören auf die Bahn. Menschen auch – der Schienenverkehr ist Teil der Mobilitätswende. Doch was geschieht, wenn wichtige Strecken immer wieder wegen Bauarbeiten ausfallen? Nun wurde bekannt, dass auf bedeutenden Trassen von und nach Berlin künftig erneut lange Beeinträchtigungen anstehen. Eine davon ist die Hamburger Bahn, eine der am stärksten frequentierten Fernlinien nach Berlin, die erst im vergangenen Jahr ein Vierteljahr gesperrt war. Das berichtete das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, kurz NEE, in dem sich zahlreiche Güterbahnen zusammengeschlossen haben. Mit den Unterbrechungen stünde dem Bahnverkehr ein „riesiges Problem“ bevor.
Mit dem Zug in weniger als zwei Stunden von Berlin nach Hamburg: Mit dem Intercity-Express ist das möglich. Die seit mehr als 175 Jahren bestehende Hamburger Bahn ermöglicht schnelle Verbindungen, und das Publikum honoriert das. Die Züge sind gut frequentiert, die Deutsche Bahn spricht von 17.000 Fahrgästen pro Tag. Deshalb ist Ärger garantiert, wenn die kürzeste Schienenverbindung zwischen den größten deutschen Städten erneut wegen Bauarbeiten gesperrt werden muss. Die jüngste Unterbrechung liegt nicht lange zurück: Im Herbst wurde ein Teil der Züge über Stendal und Salzwedel umgeleitet, was die Fahrzeit um bis zu 50 Minuten verlängerte. Andere Züge wie die Eurocitys fielen zwischen Berlin und Hamburg drei Monate lang aus. Mehr als 100 Millionen Euro wurden in die Strecke investiert, sagte ein Bahnsprecher am Freitag.
Betonkrebs droht Bahntrasse zu zerstören
Es sollte nicht der letzte Eingriff in die florierende Verbindung gewesen sein, teilte Peter Westenberger vom Netzwerk Europäische Eisenbahnen der Berliner Zeitung mit. „2022 und 2023 soll es nach unserer Kenntnis wieder Baustellen geben, allerdings in kleinerem Umfang“, sagte der NEE-Geschäftsführer auf Anfrage „Doch für 2024 wird eine erneute Vollsperrung der Strecke Hamburg–Berlin geplant.“ Das Projekt, das dann beginnt, wird insgesamt rund neun Monate in Anspruch nehmen, berichtete er.
„Im kommenden Jahr stehen keine größeren Arbeiten und damit Sperrungen auf der Schnellfahrstrecke Berlin–Hamburg an“, bestätigte der Bahnsprecher. Doch für die Jahre danach seien wieder große Investitionen vorgesehen. Im Herbst 2024 und Sommer 2025 werde die Trasse tatsächlich wieder zur Baustelle, sagte er.
Die Bahn teilte mit, dass die Strecke zwischen Wittenberge und Dergenthin erneuert werden muss. Oberbau und Gleise werden ersetzt, hieß es. Es geht um die sogenannte Feste Fahrbahn. Die Streckenkonstruktion, bei der auf Schotter und Schwellen verzichtet wird, leidet Berichten zufolge unter Betonkrebs. Doch der Abschnitt in der Prignitz sei gerade mal rund neun Kilometer lang, so NEE-Chef Westenberger. „Dass dies der einzige Grund für eine so lang andauernde Sperrung sein soll, kann ich mir nicht vorstellen.“ In der Tat seien weitere Maßnahmen geplant, betonte die Bahn. Neue Schienen werden verlegt, neue Weichen montiert, Bahnsteige und Überführungen erneuert, hieß es.
Fahrgastfreundlichere Lösung wäre teurer
Warum bleibt nicht eines der beiden Gleise in Betrieb? So könnten Züge dicht um die Bauarbeiten herumgeführt werden, und Umleitungen würden nicht erforderlich. „Zwischen Berlin und Hamburg wird der Betrieb durch elektronische Stellwerke gesteuert“, erläuterte ein Bahnexperte, der von einer rund dreimonatigen Baudauer im kommenden Jahr sprach. „Da wäre es nicht einfach, Bauweichen anzuschließen.“ Außerdem würden solche Provisorien DB Netz mit zusätzlichen Kosten belasten.
2023 werde eine andere wichtige Bahnstrecke von und nach Berlin ebenfalls zur Großbaustelle, sagte Peter Westenberger. Die direkte Trasse nach Dresden soll ebenfalls rund neun Monate gesperrt werden, berichtete er. Südlich von Berlin soll unter anderem das europäische Sicherungssystem ETCS eingebaut werden. „Auch hier wären neun Monate Dauer allerdings nicht nachvollziehbar.“ Ein genauer Zeitplan stehe noch aus.
Güterzüge müssen weite Umwege um Berlin herumfahren
Auch zwischen Berlin und Dresden spielt der Personenverkehr eine große Rolle. Intercitys nach Dresden und Chemnitz, internationale Züge nach Tschechien und Österreich, Pendlerverkehr nach Zossen und Wünsdorf: Das Doppelgleis wird gut genutzt. Der Güterverkehr, der die Autobahnen entlasten soll, gerät oft aus dem Blickfeld. Dabei sei er nicht minder wichtig, gab NEE-Sprecherin Daniela Morling zu bedenken. Die Verbindung von Hamburg über Berlin zur Grenze nach Tschechien sei eine wichtige Zulauf- und Abfuhrstrecke des Hamburger Hafens, pflichtete ein Experte bei.



