TV-Kritik

Jan Böhmermann am Zuschauertelefon: „Wollen Sie mich beleidigen?“

Jan Böhmermann lässt in einer Live-Sendung die Zuschauer zu Wort kommen. Ging die Idee auf?

Der Entertainer Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ am Freitagabend
Der Entertainer Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ am FreitagabendZDF Magazin Royale

Okay, das war wirklich eine spezielle Ausgabe von Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“. Eine, in der nicht er das Thema vorgab, Kollegen parodierte oder Fahrlehrer und Männer ohne Haupthaar heruntermachte. Stattdessen: „Uns ist wichtig, was Sie denken.“ Sie, das sind die Zuschauer. „Heute Abend bin ich ganz für Sie da.“

Hat er sich die Kritiken in der Berliner Zeitung zu Herzen genommen und will alles anders machen? In der jüngsten Ausgabe seines Podcasts „Fest & Flauschig“ regte er sich jedenfalls über unsere jüngste Besprechung seiner Sendung auf („Medienklüngel aus dem Schneewittchensarg“, Minute 23).

Lieber mal die Zuschauer machen lassen. In einer Live-Sendung von „ZDF Magazine Royale“ ließ Jan Böhmermann Anrufer per Telefon zu Wort kommen. „Wollen Sie mich beleidigen? Heute Abend müssen Sie das nicht anonym im Internet machen. Sie können das kostenlos per Festnetz tun.“ Festnetz! Sollten die orangefarbenen Schnurtelefone, mit denen die Verbindung hergestellt wurde, eine Anspielung auf das Durchschnittsalter der ZDF-Fernsehzuschauer sein?

Der Showmaster selbst trug zur Feier dieses besonderen Tages Frack mit weißer Fliege und weißem Kummerbund, den man erst so richtig sehen konnte, als er während seines Telefonats mit Johannes B. Kerner unter seinen Schreibtisch kroch, bei dem er eine Quizfrage zur „Sesamstraße“ beantworten musste.

Böhmermann fragt nach Informationen, die Til Schweiger entlasten können

Ein paar Themenhoffnungen ließ Böhmermann eingangs doch auch fallen: Unbedingt anrufen solle man, „wenn Sie sich am Set eines Films von Til Schweiger befinden und Informationen darüber haben, die Til Schweiger entlasten könnten.“ – Der Spiegel hatte am Morgen eine Enthüllungsgeschichte über den Schauspieler und Regisseur gebracht, die davon berichtet, dass Schweiger seine Mitarbeiter schikaniert und am Set betrunken herumgepöbelt haben soll. Böhmermann streifte das Urteil im Prozess Anis Ferchichi (Bushido) gegen Abu Chaker, das an diesem Tag gefallen war, und natürlich – eigentlich ein, zwei Wochen zu spät – das Thema „Skandale im Springer-Verlag“.

Wolle man Material, Chatnachrichten, die zwischen Hierarchen des Springer-Verlags und gefeuerten Mitarbeitern ausgetauscht wurden, weiterreichen, müsse man sich nicht an Berliner Zeitungsverleger wenden.

Das war eine Anspielung darauf, dass Julian Reichelt derart vertrauliches Material an den Verleger des Berliner Verlags weitergegeben hat und dieser mit Verweis auf seine professionellen Standards den Springer-Verlag darüber informierte. Der Vorgang hat eine Diskussion über Quellenschutz in der Medienbranche ausgelöst. Der erste Anrufer, ein Clemens aus Hamburg, 63 Jahre alt, hatte eine unverständliche Theorie dazu, warum Döpfner den Enthüllungsautor Benjamin von Stuckrad-Barre nicht verklagt hat. 

Es gab noch ein leidlich lustiges Gespräch mit einem 35 Jahre alten Philosophiestudenten, der Böhmermann gestand, dass er Fan des umstrittenen Autors Richard David Precht sei und damit ganz alleine auf der Welt dastehe. Das beste Gespräch war das mit der 18-jährigen Madita aus Plauen oder aus einem Dorf in der Nähe, wie sich im Laufe des Telefonats herausstellte. „Ich freue mich übelst, ich habe sie einfach so angerufen.“ Auf Böhmermanns Ost-Bashing („Die Infrastruktur nach Ostdeutschland steht, die ist mit dem Festnetz angeschlossen“) geht sie gar nicht ein.

Ein Domian ist Jan Böhmermann nicht

„Ich wollte ein bisschen über Sachsen reden. Wenn man irgendwo hinfährt und gefragt wird, woher man kommt und Sachsen als Name fällt, dann heißt es: ‚Ach die Nazis‘. Das war für mich immer schrecklich, ist halt meine Heimat und nicht jeder tickt bei uns so, und als junger Mensch setzt man sich ein, dass es nicht so ist.“ Böhmermann nickt mit ernster Miene, die man ihm nicht ganz abnimmt. „Was machen wir denn gemeinsam, um der AfD die 28 Prozent in Sachsen abspenstig zu machen?“ – „Kommen Sie mal nach Sachsen“, sagt Madita.

Später meldet sich noch eine Halterin von Gänsen und Enten, die es miteinander treiben. Ihr können weder Böhmermann noch die Zuschauer wirklich folgen.

„Seid live dabei, wenn Jan Böhmermann zu Jan Domian wird“, hatte das ZDF ein paar Stunden vor der Sendung getwittert, eine Anspielung auf die legendäre nächtliche Talk-Sendung von Jürgen Domian, in der es zu richtigen Gesprächen kam. Ein Domian ist Böhmermann nicht, will er auch gar nicht sein. Was soll es dann, mit Menschen zu sprechen, mit denen man gar nicht ins Gespräch kommen kann und will? Aber Böhmermann scheint es richtig ernst gewesen zu sein mit der Zuschauerbeteiligung. Er telefonierte nach der Live-Sendung in der Mediathek weiter.

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