Politische Kunst

Maren Kroymann: Ich habe überlegt, gegen die Waffenlieferungen zu unterschreiben

Die Kabarettistin im Interview über politische Comedy, die Deutsche Bahn und Frauen jenseits der Wechseljahre. 

Maren Kroymann, fotografiert anlässlich der Preview der Weihnachtsfolge in der Landesvertretung Bremen in Berlin.
Maren Kroymann, fotografiert anlässlich der Preview der Weihnachtsfolge in der Landesvertretung Bremen in Berlin.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Thematisch aktuell, nämlich weihnachtlich und der Krise entsprechend geldbetont, sind die beiden neuen Folgen der Satiresendung „Kroymann“, die das Erste im Dezember und Januar ausstrahlt. Wir haben die Titelfigur, Gastgeberin, Heldin aller Szenen und Star der Rahmenhandlung Maren Kroymann vorab zum Gespräch getroffen.

Frau Kroymann, in einer Szene der neuen Folgen spielen Sie die Mutter von Santa Claus junior, der zwar stolz behauptet, Weihnachten sei eine eingetragene Marke, aber am Ende nicht so richtig gut dasteht. Habe ich das richtig gehört, dass Sie „Jeff“ wie Jeff Bezos ins Telefon hauchen?

Das haben Sie richtig gehört. Es ist eben alles fremdgesteuert. Auch Weihnachten.

Selbst da greifen Verschwörungstheorien. Bereits in der ersten Szene fürchten Sie sich vor der Begegnung mit einem Verwandten, den Ihre Figur „Querdenker-Hermann“ nennt. Wie kommt es, dass die Folgen so aktuell wirken? Die Produktion solcher Filme braucht doch Zeit?

Tagesaktuell können wir natürlich nicht sein, aber wir arbeiten vorausschauend. Wir nehmen Themen, die länger schon schwelen, und behandeln sie so, manchmal eben nur andeutungsweise, dass es in drei Monaten noch gültig ist. Manchmal haben wir auch Glück.

Ah, wie gut, dass die Gaspreise so gestiegen sind!

Sie sagen es. Nein, das ist natürlich schrecklich, aber es war leider abzusehen. Wir waren Ende August mit den Texten fertig.

Was heißt „wir“? Schreiben Sie nicht mehr selbst?

Wir haben einen Writers Room, zu dem ich gehöre. Ich muss nicht mehr wie am Anfang bei „Nachtschwester Kroymann“ mit nur einer weiteren Autor:in alles schreiben. Ich gebe da vor allem meinen Humorgeschmack hinein, es gibt inzwischen so etwas wie einen Kroymann-Style. Es ist ein sehr kollektives Arbeiten, durchaus auch mit den verantwortlichen Redaktionen, zum Beispiel von Radio Bremen.

Auffällig ist, dass neben Ihnen und Annette Frier viele Akteure wechseln. Warum ist das kein festes Team wie etwa bei der „heute-show“?

Dann müssten wir auch für ein festes Team schreiben. Wir machen es andersherum. Wir schreiben und schauen, wer auf die Rolle passt. Es müssen nicht die üblichen Comedy-Verdächtigen sein. Ich möchte gern Kolleginnen und Kollegen dabeihaben, von denen nicht schon alle wissen, dass sie lustig sind. Wir möchten divers besetzen, also zum Beispiel auch mit People of Color – die sieht man im deutschen Fernsehen immer noch zu wenig in interessanten Rollen. Wir haben eine super Besetzungsfrau, aber ich klinke mich da selbst auch gern ein. Bei der Bildundtonfabrik, unserer Produktionsfirma, sind ja alle maximal halb so alt wie ich. Da ist mein Adressbuch manchmal ganz nützlich.

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Berliner Zeitung/Markus Wächter
Zur Person
Maren Kroymann, 1949 in Walsrode geboren, hätte als Gymnasiallehrerin arbeiten können, wurde dann lieber Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin. Von 1993 bis 1997 hatte sie mit „Nachtschwester Kroymann“ ihre erste eigene Satiresendung, seit 2017 gibt es „Kroymann“ im Ersten. 
Termine: „Kroymann: Schöne Bescherung“, 22.12., 23.20 Uhr, Das Erste. „Kroymann und das liebe Geld“, 12.01., 23.20 Uhr, Das Erste und in der Mediathek. Maren Kroymann live „In my Sixties” wieder 28.2.–5.3. im Tipi in Berlin.

Sie sprechen das Alter an: Wir haben vor drei Jahren über den sogenannten Ageismus in der Gesellschaft und vor allem in den Medien gesprochen, die Altersdiskriminierung von Frauen. Hat sich da etwas verändert?

Das ist immer noch vorhanden. Frauen sind nach den Wechseljahren weiterhin kaum sichtbar. Es gibt noch die gütige Oma, die auf die Katze aufpasst, oder die Nachbarin, die mal aus der Tür schauen darf. Das ist eine relativ umgrenzte Charakteristik. Aber wir arbeiten mit der Sendung tapfer dagegen. Wir haben anarchische, powervolle, originelle, ungewöhnliche Frauenfiguren, und in jedem Sketch ist eine alte Frau dabei – weil ich eine alte Frau bin. Und diese Figur ist nicht dadurch definiert, dass sie immer nur nach einem Mann sucht. Es gibt Kontakt zwischen den Generationen, feministische Auftritte. Wir leisten unseren Beitrag zur Sichtbarkeit.

Stört es Sie, wenn Sie immer wieder dazu gefragt werden?

Na ja, als ich mich geoutet hatte, wurde ich immer zum Thema Lesbischsein befragt. Das ist so, wenn man sich zu einer Sache bekennt, über die die meisten anderen aber nicht bereit sind zu sprechen. Aber ich freue mich, wenn mit mir auch mal wieder über die künstlerische Arbeit gesprochen wird.

Was macht an dieser Arbeit am meisten Spaß?

Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Departments, es ist ein hoch kreativer Prozess. Ich kann eine Idee haben, aber ich bleibe damit nicht allein. Neben den schreibenden und inszenierenden Kolleginnen und Kollegen haben wir eine wunderbare Ausstattungsabteilung, eine sehr, sehr gute Kostüm- und Maskenabteilung. Ich möchte nicht nur politisch auftreten, es soll auch visuell State of the Art sein – und dafür steht die Bildundtonfabrik. Meine Figuren entstehen im Grunde in der Kostüm- und Maskenprobe.

Deshalb geht es manchmal auch so glamourös zu.

Ich kann auch glamourös sein, ja. Mit dem Kostüm erfahre ich mehr über die Figur, es führt mich in eine bestimmte Sprechweise, in eine Bewegung. Diese Sketche sind fiktionale Erzählungen, im Grunde sind es Kurzfilme mit Witz. Wir leisten uns den Luxus, auszuprobieren, wir werfen auch etwas weg, wenn es zu viel zeigt.

Sie sind heute mit dem Zug aus Köln gekommen. Fällt Ihnen dazu etwas Witziges ein?

Eigentlich finde ich die Bahn super, aber ja: Es ist katastrophal, was zur Zeit passiert, wie kaputt die Strecken sind, wie das Personal fehlt. Früher haben Kabarettisten immer Witze über ihre Schulzeit gemacht, heute lästert man über die Deutsche Bahn. Das ist zwar richtig, aber auch ein wenig altbacken. Man bestätigt sich nur darin, was man vorher wusste. Mir gefällt es besser, wenn man umdenken muss. Ich möchte verunsichern und dazu einladen, das Hirn zu bewegen.

Einer der meistgehörten Sätze in diesem Jahr war: „Man kann gar nichts mehr sagen.“ Wie finden Sie den?

Die Leute, die behaupten, man könne gar nichts mehr sagen, reden ja am lautesten. Sie werden immer gehört, auch sehr gern zu Talkshows eingeladen. Und im Internet sagen sie noch viel mehr, die schlimmsten Schmähungen.

2022 war das Jahr heftiger Streits der Intellektuellen und Künstler um die deutsche Haltung zum Krieg gegen die Ukraine. Ich denke an die offenen Briefe von Alice Schwarzer auf der einen und Herta Müller auf der anderen Seite. Wie haben Sie das erlebt?

Alice Schwarzer hänge ich schon lange nicht mehr an, auch wenn sie sich um die Situation der Frauen sehr verdient gemacht hat. Einige ihrer Positionen kann ich so gar nicht teilen. Ich hatte aber tatsächlich überlegt, ob ich gegen die Waffenlieferungen unterschreibe. Da fühlte sich die alte Pazifistin in mir angesprochen. Als dann die Autorin Katja Lange-Müller sagte, dass sie ihre Unterschrift zurückzieht, weil sie die angegriffenen Ukrainer nicht belehren wolle, war mir das sehr nahe. Auch die Unsicherheit, das Hin und Her. Die Menschen kämpfen dort, und da können wir sie nicht im Stich lassen. Diese Fragen beschäftigen mich unabhängig davon, dass ich eine Comedy-Sendung mache.

Könnte solch ein Thema auch in die Sendung?

Es gelingt einem nicht, zu jedem heiklen Thema einen witzigen Ansatz zu finden. Bei der AfD haben wir zwei, drei Jahre gebraucht, bis wir einen Sketch dazu hatten. Einfach nur eine Parodie auf die Politikerinnen wollte ich nicht. Parodien wirken leicht vordergründig, sie machen oft die Person noch prominenter. Dann kam einer unserer Autoren auf die Idee, einen Patienten mit fremdenfeindlichen Symptomen zu zeigen, AfD-positiv war der. Das passte dann. Also halte ich lieber die Klappe zu einem Thema, als dass ich es mir durch einen schlechten Witz verderbe. Man muss die Nerven behalten.

Gilt dieses Die-Nerven-behalten auch für offene Briefe?

Dafür zuallererst. In den späten 70ern und in den 80ern mit der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung fiel mir schon auf, dass es Menschen gab, die bei jeder Petition unterschrieben hatten. Ich fragte mich dann, was die eigentlich noch künstlerisch machten, diese Unterschriften-Promis. Daraus habe ich schon gelernt. Es gibt einen Drang, öffentlich zu zeigen, dass man politisch ist. Das kann auch eine Eitelkeitsfalle sein.

Manchmal ist Erfahrung doch für etwas gut.

Ja, ich bin ein großer Fan von Erfahrungen, vom Lernen während des Lebens.

Verraten Sie, wie Sie Weihnachten feiern?

Ach, am schönsten ist es jedes Mal, wenn wir uns mit ein paar frisch getrennten Freundinnen treffen. Die beharren nicht darauf, dass alles so sein muss, wie es immer war. Sie schimpfen ein bisschen und sind wieder neugierig.

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