Die Suche nach dem Menschenschleuser beginnt kurz vor sieben Uhr. Über Funk kommt die Meldung: Südlich von Neuzelle irren neun Personen durch ein Dorf. Ein Anwohner hat bei der Polizei angerufen. Blaulicht geht an, Streifenwagen rasen los. Die Jagd auf einen Kriminellen beginnt, der Geld damit verdient, Menschen auf illegalen Wegen nach Deutschland zu bringen. Wie wird sie enden?
An jenem Tag im April begleitet die Berliner Zeitung in Ostbrandenburg den 36-jährigen Polizeioberkommissar Tony Schröder und Polizeihauptmeister Andreas Matthies (44). Ihre Schicht beginnt 6 Uhr morgens und endet um 16 Uhr.
Tony Schröder tritt das Gaspedal des B-Klasse-Mercedes durch. Der gesuchte Schleuser soll mit einem grauen Ford nach Norden unterwegs sein. Es gibt viele Möglichkeiten, der Polizei auszuweichen – über Groß Lindow zum Beispiel, dann über Müllrose zur Autobahn. Der Tacho zeigt 160, das Blaulicht wird von den Verkehrsschildern reflektiert.

Die Fahndung nach Schleusern
In den vergangenen zwei Jahren ist die deutsch-polnische Grenze von der Öffentlichkeit fast unbemerkt zu einer der Hauptrouten der illegalen Einwanderung geworden. An allen bundesdeutschen Grenzen stellt die Bundespolizei einen kontinuierlichen Anstieg unerlaubter Einreisen fest – circa 92.000 Personen kamen im vergangenen Jahr. Zumindest die Statistiken funktionieren: Für Februar dieses Jahres wurden 5367 Feststellungen illegaler Zuwanderer aufgelistet, was einer Steigerung von 39,66 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht.
Im Brandenburger Grenzabschnitt zu Polen griffen Polizisten im vergangenen Jahr mehr als 7400 „Illegale“ auf. Im März dieses Jahres gab es hier 800 Einreisen, was einer Steigerung von 32,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht.
Drei Bundespolizeiinspektionen sind an der Grenze zu Brandenburg zuständig: die Inspektion Angermünde im Norden, die Inspektion Frankfurt (Oder) und die Inspektion Forst im Süden. Allein im über 60 Kilometer langen Grenzstreifen der Inspektion Frankfurt (Oder) zwischen Lebus und Ratzdorf treffen die Beamten täglich auf 30 bis 50 illegale Einwanderer. Dieser Bereich gehört zu den Brennpunkten der illegalen Einreise.
Die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft dauern bis zu vier Jahre
In Brieskow-Finkenheerd hat inzwischen eine andere Streife den grauen Ford entdeckt, der laut Kennzeichen im Landkreis Lippe (Nordrhein-Westfalen) zugelassen ist. Auf der Rückbank sitzen ein Mann und eine Frau, die Türen sind verriegelt, der Fahrer ist weg. Ein Bundespolizist bleibt bei dem Wagen und passt auf.
Tony Schröder und Andreas Matthies fahren durch die Straßen des Ortes und halten Ausschau nach dem Fahrer. Da ist ein Fußgänger, auf den die Beschreibung passt – Brille, Vollbart, braune Jacke. Der Streifenwagen stoppt schräg auf dem Bürgersteig und schneidet dem Mann den Weg ab. Die Polizisten durchsuchen ihn und finden in seiner Jacke den Autoschlüssel des Ford. Handschellen klicken auf seinem Rücken. Der Mann kann ein paar Brocken Deutsch. Er habe nur seine Cousine und einen Cousin abgeholt, sagt er.
Das Paar, das aus dem Ford steigt, zeigt den Polizisten druckfrische syrische Pässe vor. Die Frau und der Mann werden auf gefährliche Gegenstände durchsucht und dann in die Kopernikusstraße, wo die Polizeiinspektion Frankfurt (Oder) ist, mitgenommen. Auch der mutmaßliche Schleuser wird dorthin gebracht, ein privater Abschleppdienst transportiert den Ford.
Sollte ein Gericht feststellen, dass das Fahrzeug an einer Schleusung beteiligt war, wird es eingezogen. So wie die anderen 24 Autos und der Transporter, die bereits auf dem Polizeigelände stehen. Die meisten haben polnische Kennzeichen und waren von Schleusern benutzt worden. Einige Autos parken hier seit drei, vier Jahren, weil die Staatsanwaltschaft sie noch nicht freigab, da die Verfahren gegen die Beschuldigten noch immer laufen. Für die eingezogenen Autos gibt es unterschiedliche Verwendungen. Manchmal versteigert sie der Staat. Manchmal benutzt die Freiwillige Feuerwehr ein ehemaliges Schleuserfahrzeug, um das Befreien eingeklemmter Unfallopfer zu üben.

Drei bis vier Stunden Bearbeitungszeit für jeden Eingereisten
Tony Schröder und Andreas Matthies ziehen sich an ihre Schreibtische zurück. Sie müssen ihre Berichte schreiben, das Protokoll der Festnahme – was wann wo passiert ist, wer was gesagt hat.
Für jeden der unerlaubt eingereisten Menschen fallen drei bis vier Stunden Bearbeitungszeit an: Jeder Zugewanderte wird auf Waffen und gefährliche Gegenstände durchsucht. Für jeden wird eine Anzeige geschrieben wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts – so steht es in den Vorschriften, auch wenn die Anzeigen für die Betroffenen im Rahmen des Asylgesuchs dann eingestellt werden.
Die Polizisten müssen zudem die Identität der Personen klären. Für die erkennungsdienstliche Erfassung werden die Fingerabdrücke genommen. Sie werden in das europaweite Identifizierungssystem Eurodac eingespeist. Der Datenabgleich dort soll verhindern, dass Personen in mehreren EU-Mitgliedstaaten Asyl beantragen.
Alles ist streng standardisiert, auch bei den Lichtbilddateien. Der Hocker, auf dem die zu fotografierende Person sitzt, muss in einen bestimmten Winkel zu drehen sein. Der graue Hintergrund für das Foto muss eine bestimmte RAL-Farbe haben.
Treffen größere Migrantengruppen ein, dann reichen die engen Räume in der Polizeiinspektion nicht aus. Dann wird die sogenannte Bearbeitungsstraße im Ortsteil Markendorf aktiviert. Dort hat eine japanische Elektronikfirma in einem Gewerbegebiet eine Halle an die Bundespolizei vermietet.
In dieser Halle herrscht an diesem Tag Hochbetrieb. Auf den bereitgestellten Pritschen sitzen und liegen Menschen, die darauf warten, dass es für sie weitergeht. Sie warten auf ihre Überstellung in die Zentrale Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt, von wo aus sie auf die Bundesländer verteilt werden. Auch die Frau und der Mann aus Syrien, die in Brieskow-Finkenheerd angetroffen wurden, sitzen nun hier.

Sie sehen erschöpft aus, die Frau lächelt zufrieden. Das Paar ist am Ziel. Die Bundesrepublik ist für beide das gelobte Land, wie sich aus Befragungen durch die Bundespolizei ergab. Man erhalte ein Haus und als Autoschrauber eine Arbeit bei Audi in Ingolstadt. Das sind die Märchen, die die Profiteure der Wanderungsbewegungen in Afrika und Asien verbreiten. Manche sind wieder zurückgereist, etwa in den Irak, weil sie zwar um ihr Vermögen gebracht wurden, wofür die ganze Familie zusammenlegte, aber keines der Versprechen erfüllt wurde.
Die meisten Neuankömmlinge – so wie auch das syrische Paar – kommen derzeit über Weißrussland. In den Pässen der Eingewanderten finden sich die offiziellen Visastempel Russlands und Weißrusslands. Die EU beschuldigt dessen Präsidenten Alexander Lukaschenko und seinen Verbündeten, Russlands Präsident Wladimir Putin, die Menschen seit 2021 gezielt an ihre Außengrenzen zu schleusen. Von hier aus werden sie weitergeschickt an die Grenze nach Polen – Migranten als Waffe gegen den Westen.
International und arbeitsteilig organisierte Banden bieten sogenannte Garantieschleusungen an. Für 8000 bis 10.000 Dollar kann man sich von Afghanistan nach Deutschland bringen lassen. Die Gewinnmargen im Menschenhandel sind nach Schätzung der Behörden ähnlich hoch wie beim Rauschgifthandel.
Die Migrationsbewegungen nach Deutschland sind ein Riesengeschäft – nicht nur für Schleuser und den belarusischen Präsidenten. Sondern auch für die Fluggesellschaften und Reisebüros, die die Flüge aus den Heimatländern und Unterkünfte in Belarus und Russland organisieren.
Auch in Deutschland profitiert mancher vom Elend der Zuwanderer: Hostel- und Pensionsbetreiber, Besitzer von Schrottimmobilien und „Läusepensionen“, die die Menschen einquartieren und dafür von den Kommunen pro Nacht und Person rund 40 Euro kassieren.

Vor allem Dolmetscher für Farsi, Dari, Paschtu und Arabisch werden gebraucht
Im Kleinen und indirekt profitieren auch andere: etwa die Elektronik-Firma, die die Halle im Ortsteil Markendorf an die Bundespolizei vermietet. Und auch die Dolmetscher-Branche hat gut zu tun. Bei der Überprüfung der Identität eines Einwanderers muss meistens ein Dolmetscher hinzugeholt werden. Die Stundensätze liegen zwischen 70 und 100 Euro zuzüglich Anfahrt. Die Einsatzleitstelle hat Listen mit Dolmetscherbüros und fordert derzeit vor allem Sprachmittler für Farsi, Dari, Paschtu und Arabisch an. Sie reisen unter anderem aus Berlin und Halle an. Im Moment treffen vor allem Afghanen, Syrer und Jemeniten in Frankfurt ein.
Für die letzte Etappe durch Polen erhält ein Schleuser pro Person ungefähr 600 Dollar. Er muss seinem Auftraggeber nachweisen, dass sein Kunde auch wirklich in Deutschland angekommen ist. Entweder filmt er deshalb mit dem Smartphone, wie der Kunde über die Stadtbrücke von Slubice nach Frankfurt (Oder) läuft. Oder der Schleuser fährt nach Deutschland und macht dort ein Beweisfoto.
Die Geschleusten werden dann einfach irgendwo abgesetzt. So wie vor ein paar Wochen in Briesen, einem Dorf, von dem aus man als Schleuser schnell auf der Autobahn und nach 15 Minuten wieder zurück in Polen ist. Plötzlich klopften die Menschen bei Bewohnern an die Haustüren, um sich aufzuwärmen. „Den Schleusern ist es völlig egal, wie es den Menschen ergeht“, sagt Andreas Matthies. Neulich habe auch der Förster angerufen und fünfzehn Personen im Wald gemeldet.
Die Polizisten sind in einer merkwürdigen Situation. Denn sie müssen die illegal Eingereisten gar nicht suchen. Diese melden sich bei ihnen. „Sie wissen, dass sie es nur hier rüberschaffen müssen“, sagt Tony Schröder. „Dann suchen sie sich die nächste Streife und sprechen sie an.“ Es kommt auch vor, dass Migranten von ihren Schleusern die Adresse der Bundespolizei bekommen haben und dann plötzlich beim Pförtner stehen.
Die Polizisten sind verpflichtet, die illegalen Einreisen strafrechtlich zu verfolgen. „Uns ist es aber wichtiger, die Schleuser zu erkennen und die Strukturen im Hintergrund zu zerschlagen, die sich an dem Leid der Menschen bereichern“, sagt Tony Schröder. Und sein Kollege Matthies sagt: „Uns würde es helfen, wenn wir mehr Unterstützung bekommen würden. In Bayern gibt es seit 2014 stationäre Grenzkontrollen. Unsere Schleierfahndung gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“
Doch noch immer wird Personal aus Berlin und Brandenburg zu den stationären Grenzkontrollen nach Bayern geschickt. Im Grunde verläuft nach Erkenntnis der Bundespolizei die Hauptroute der illegalen Migration inzwischen über Polen. Sie ist dank Lukaschenko und Putin kürzer und weniger aufwändig als die über den Balkan.

Ab 2021, als Tausende versuchten, über die polnische Grenze in die EU zu kommen, wurde ein 5,50 Meter hoher Stahlzaun gebaut. Das 350 Millionen Euro teure Bauwerk erstreckt sich mit 186 Kilometern über fast die Hälfte der polnisch-belarusischen Grenze.
Aber es gibt hohe Leitern. Und es gibt im Grenzgebiet Urwälder, die nicht abzuzäunen sind. Hier finden die Schleuserbanden weiter ihre Routen. Nicht selten tragen die Ankommenden Gummistiefel, die auf belarusischem Grenzgebiet verteilt werden. Ihrer Stiefel und mitunter auch gummierten Hosen, mit denen sie durch den Morast der Urwälder stapften, entledigen sie sich, wenn sie in Deutschland abgesetzt wurden, und ziehen sich um.
Der syrische Schleuser kam 2016 selbst als Flüchtling
Inzwischen konnte der Ermittlungsdienst die Identität des festgenommenen mutmaßlichen Schleusers überprüfen. Es handelt sich um einen 40-jährigen Syrer. Er kam im Jahr 2015 nach Deutschland, als mehr als eine Million Migranten diesen Weg nahmen, und er hat jetzt den Asylstatus. Eine Kennzeichenabfrage für den sichergestellten Ford ergibt: Er ist auch der Halter des Wagens. Nach sieben Jahren kann er noch immer kaum Deutsch und benötigt bei den Befragungen einen Dolmetscher. Er gibt zu Protokoll, dass ihm damals auch Schleuser geholfen hätten.
Tony Schröder und Andreas Matthies fahren zur Stadtbrücke, die Frankfurt (Oder) mit dem polnischen Slubice verbindet. Diese Hauptverkehrsader ist ein Schwerpunkt der illegalen Migration. Über diese Brücke verlief eine Verfolgungsjagd in der vergangenen Woche. Den polnischen Kollegen war in Slubice ein Auto verdächtig vorgekommen. Als sie es stoppen wollten, raste der Fahrer los über die Stadtbrücke, wo die deutschen Bundespolizisten die Verfolgung übernahmen. Schließlich konnte er angehalten werden. Der Georgier hatte in seinem Auto fünf Afghanen geschleust. „Keiner war angeschnallt. Das war für sie lebensgefährlich“, sagt Andreas Matthies. „Außerdem waren viele Leute auf den Straßen unterwegs, die gefährdet wurden.“ Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) habe deshalb einen Haftbefehl für den Schleuser erwirken können.
Sie stellen den Mercedes neben einen weiteren Streifenwagen vor der Brücke. An der Mitte der Brücke zeigt Andreas Matthies, wo genau die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft: dort, wo eine kleine Marke an das Geländer geschraubt ist. Und bei dem gesprühten Kreuz auf dem Asphalt. Es ist genau die Mitte der schiffbaren Wasserstraße. Weil sich der Verlauf der Oder und die Fahrrinne ändern, muss mitunter auch das Kreuz neu gesprüht werden. Solche Dinge sind wichtig, etwa für Haftungs- und Zuständigkeitsfragen zwischen den Ländern.
Und während wir auf der Brücke über die Welt und ihre Grenzen sinnieren, laufen auf dem gegenüberliegenden Gehsteig dunkelhaarige Männer mit Rucksäcken gen Westen. Wir kommen deshalb auf „racial profiling“ zu sprechen, das Kontrollieren von Menschen nach ihrem Aussehen. Die jungen Männer da drüben könnten auch Studenten der Europa-Universität Viadrina sein.

Sind sie aber nicht. Matthies’ Kollegen haben sie inzwischen gestoppt. „Zehnmal Afghanistan – männlich“, gibt einer der Beamten per Funk durch. Die Polizisten fordern Dolmetscher an für Paschtu, Dari und Farsi.
Ein Transporter kommt. Die zehn Männer stellen sich in Reihe an. Jeder wird durchsucht. Jeder muss den Inhalt seiner Taschen in einen großen Zipper-Beutel stecken: Pässe, Brieftaschen, Handys, ein Kamm, ein gekochtes Ei. Jeder bekommt ein gelbes Plastikband ums Handgelenk, auf dem die Nummer des Zipper-Beutels notiert ist. Nach einer Stunde fahren zwei Transporter ab zur Dienststelle für die Ersterfassung der Einwanderer.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte Anfang des Monats den Zeitungen der Funke-Gruppe: „Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine.“ An der Grenze zu Polen ist davon nichts zu merken. Den Ausspruch ihrer obersten Dienstherrin möchte hier bei der Bundespolizei niemand öffentlich kommentieren.
Deutsche und polnische Polizisten sind zusammen auf Streife
Es ist Mittag, und die Polizisten haben in dem Grenzabschnitt schon insgesamt 23 Personen angetroffen, die illegal eingereist sind. Fünf Stunden sind vergangen, seit der 40-jährige Syrer in Brieskow-Finkenheerd festgenommen wurde. Und noch immer läuft die Befragung. In seinem Ford haben die Polizisten polnische Strafzettel gefunden. Insgesamt 2000 Zloty musste er wegen verschiedener Verkehrsverstöße zahlen. Auch polnische Tankquittungen ließ er im Auto liegen. Es lässt sich also belegen, dass er gestern noch an der belarusischen Grenze war. Über seinen Dolmetscher lässt er uns wissen, dass er in Polen nur im Urlaub gewesen sei. Ohne Zahnbürste und Gepäck.
Am Imbiss holen sich die Polizisten Essen. Das Bauernfrühstück in der Assiette wird im deutsch-polnischen Polizeizentrum am Grenzübergang Swiecko gegessen, auf polnischer Seite. Es ist ein schmuckloser Betonbau am Kontrollpunkt, um den die Pkw und Lastwagen in beiden Richtungen in Kurven herumgelenkt werden.
Hier in einer gemeinsamen Kommunikationsstelle sitzen Beamte des Zoll, der Brandenburger und der Bundespolizei zusammen mit polnischen Kollegen. Seit Jahren gibt es solche Kooperationen und gemeinsame Streifen. Auch Tony Schröder und Andreas Matthies sind regelmäßig zusammen mit polnischen Grenzern unterwegs. Beide sprechen Polnisch. Tony Schröder wohnt sogar in Polen und ist mit einer Polin verheiratet. Seine drei Kinder wachsen zweisprachig auf. „Die EU macht’s möglich“, sagt er.
Zeit für Verbrechensbekämpfung bleibt nicht
Bis zu vier Stunden Bearbeitungszeit für jeden eingereisten Menschen – da bleibt nicht viel Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, die Verbrechensbekämpfung. Und die Bürger sehen nur selten einen Polizisten. Bis zu zehntausend Lastwagen fahren jeden Tag allein in Richtung Osten. Kontrolliert haben die Bundespolizisten heute noch keinen. Wie viele Menschen in Lkws, Transportern oder Campern illegal nach Westen und wie viele gestohlene Autos auf Lastwagen nach Osten geschmuggelt wurden, weiß niemand. Eigentlich erlaubt das Bundespolizeigesetz Kontrollen im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern.

Schröder und Matthies lenken ihre B-Klasse auf die Autobahn und fahren in Briesen wieder ab, dort, von wo neulich der Förster anrief und fünfzehn Personen im Wald meldete. Keine Schleuser sind diesmal zu sehen und auch keine ausgesetzten Menschen.
Auf dem Rückweg nach Frankfurt setzt Tony Schröder seinen Streifenwagen vor einen fahrenden Hyundai Tucson mit britischem Kennzeichen. Die Hybrid-Modelle von Hyundai sind bei Autodieben beliebt. Schröder schaltet auf dem Dach die in Deutsch und Polnisch gehaltene Aufforderung „Bitte folgen“ ein. Andreas Matthies lässt die Seitenscheibe herunter und hält die Hand raus.
Wie wird der Hyundai-Fahrer reagieren, wenn sie nach rechts in die Raststätte Biegener Hellen einbiegen? Wird er Gas geben und geradeaus weiterfahren? Der Fahrer folgt und hält hinter dem Polizeiwagen an. Die Polizisten treten an den Hyundai heran. Die Papiere sind in Ordnung. Er kann weiterfahren.
Fortschritte im Polizeileben gibt es dennoch: Ein gestohlenes Auto sollte über die Grenze nach Polen verschoben werden und wurde von der Brandenburger Landespolizei gestoppt. In dem Auto saß neben dem Fahrer auch ein 17-jähriger Junge, den die polnische Polizei als vermisst gemeldet hatte. „An dem Lichtbild, das die polnischen Kollegen uns übermittelt haben, konnte der Gesuchte identifiziert werden“, sagt Andreas Matthies. „Das ist heute mal ein Erfolg.“
Eingereist über Russland, Weißrussland und Polen
Der am Morgen festgenommene mutmaßliche Schleuser hat inzwischen mit seinem Rechtsanwalt telefoniert, der Dolmetscher las ihm das Vernehmungsprotokoll vor. Die Ermittler werden den Weg, den der 40-Jährige in Polen zurücklegte, rekonstruieren, unter anderem durch die Auswertung seiner Handydaten. Anschließend wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Untersuchungshaft beantragt.
Sein Ford ist als Tatmittel beschlagnahmt, das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Um 16 Uhr wird der Verdächtige entlassen. Die Staatsanwaltschaft sieht die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht erfüllt.
So ähnlich geht es jeden Tag. Am Mittwoch dieser Woche treffen die Polizisten auf der Stadtbrücke wieder auf eine Gruppe von Jungen und Männern im Alter zwischen 15 und 34 Jahren: Afghanen, Syrer, Iraker. Sie kamen über Russland und Weißrussland. Wer sie durch Polen hierher brachte und an der deutschen Grenze auslud, ist unklar.















