Wie schreitet die Wärmewende in Deutschland voran? Sind wir auf Wärmepumpen und Fernwärme vorbereitet? Können wir mit anderen Ländern mithalten? Ein Vergleich mit Dänemark zeigt: kaum.
Wahrscheinlich investieren deshalb auch große deutsche Unternehmen wie die Volkswagen-Tochter MAN Energy Solutions (MAN ES) im Ausland. Das Unternehmen mit Sitz in Augsburg stellt Großmotoren her und baut derzeit eine der weltweit größten CO₂-basierten Meerwasserwärmepumpen in Dänemark, nach Unternehmensangaben sogar die weltgrößte.
Neben den Motoren entwickelt und produziert das Unternehmen auch Turbomaschinen für den weltweiten Markt – diese sind das Herzstück der Wärmepumpe. Es ist allerdings das erste Mal, dass MAN ES eine Wärmepumpe in solch einem Größenmaß konstruiert. Und warum in Dänemark?
„In der Praxis vollzieht sich der Fortschritt der Wärmewende in Deutschland leider noch schleppend“, sagte Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender von MAN ES, der Berliner Zeitung. Großwärmepumpen seien die ideale Technologie für eine effiziente und umweltfreundliche Wärmewende – hierzulande bislang aber nur in der Theorie.
Kohleverstromung bis 2030 auslaufen lassen – nicht schnell genug
„Im Jahr 2018 beschloss das dänische Parlament, die Kohleverstromung in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bis 2030 auslaufen zu lassen“, teilte Hans-Christian Damm Obel, Kommunikationsberater des Esbjerger Versorgungsunternehmens DIN Forsyning auf Anfrage der Berliner Zeitung mit. DIN Forsyning ist der Energieversorger der Gemeinde, der mit Ørsted, dem Eigentümer des Kohlekraftwerks in Esbjerg und sieben weiterer Kraftwerke, zusammenarbeitet. Für Ørsted war der beschlossene Kohleausstieg nicht schnell genug. „Sie wollten die Kohle in der Stromerzeugung schneller auslaufen lassen“, erklärt Obel.
So begleitet das kommunale Unternehmen DIN, das für Abfall, Recycling, Trinkwasser, Fernwärme und Abwasser der Gemeinde zuständig ist, seit 2018 das neue Projekt: zunächst mit Ideen, später mit behördlichen Genehmigungen, Ausschreibungen und nun mit dem Bau der Wärmepumpe, so Damm Obel. Und hier kommt Deutschland ins Spiel.
Die Riesenwärmepumpe des deutschen Herstellers soll das Steinkohlekraftwerk ersetzen und die Wohnungen in der Kleinstadt Esbjerg mit heizen. Das Kohlekraftwerk liefert laut Damm Obel bislang im Jahresdurchschnitt die Hälfte der Fernwärme für das Netz. Die andere Hälfte werde von der örtlichen Müllverbrennungsanlage Energnisten geliefert. Kann die Wärmepumpe da mithalten?
Wärmewende in Dänemark: Riesenwärmepumpe soll 100.000 Menschen versorgen
Eine normale Wärmepumpe für ein Einfamilienhaus habe eine Leistung von 0,015 Megawatt, vergleicht der MAN-Vorstandsvorsitzende Lauber. Die Großwärmepumpe in Esbjerg leiste mit 70 Megawatt mehr als das 4600-Fache und werde nach ihrer Fertigstellung 100.000 Einwohner mit nachhaltiger Wärme versorgen. Dadurch könne Esbjerg sein altes Kohlekraftwerk abschalten und spare in Zukunft 60.000 Tonnen CO₂ im Jahr ein.
Ein innovatives Hauptmerkmal der Wärmepumpe sei die Nutzung von toxikologisch unbedenklichem CO₂ als Kältemittel. „Dies war von entscheidender Bedeutung für den Fernwärmenetzversorger DIN, da die Wärmequelle unserer Wärmepumpe das unescogeschützte dänische Wattenmeer ist“, so Lauber. Auf diese Weise seien für den unwahrscheinlichen Fall einer Leckage die Folgen für die Umwelt minimal.
Fernwärme: Wie funktioniert die Wärmepumpe und welche Probleme gibt es?
„Wir werden viele kleine und unterschiedliche Lösungen kombinieren, die mit einem zentralen Verteilungsnetz verbunden sind“, sagt Damm Obel vom Versorger DIN. Die Meerwasserwärmepumpe des Fernwärmenetztes sei Teil einer modularen Lösung und werde nur dann eingesetzt, wenn es wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sei. Daher erwarte man einen Nutzungsgrad von 3,5. Der Strom solle vorzugsweise aus Solarzellen oder Windturbinen stammen.
Das Fernwärmenetz biete eine flexible strombetriebene Nutzung von Abwärme aus Müllverbrennungsanlagen, lokaler Industrie, Abwasserbehandlung, Meerwasser, zukünftigen Rechenzentren und eFuel-Anlagen. Da die Stromerzeugung in Nordeuropa aber zunehmend auf Wind-, Wasser- und Solarenergie basiere, stelle der Ausgleich des Netzes zugleich auch eine wachsende Herausforderung dar. „Insbesondere für Dänemark, das immer unzuverlässigere Wind- und Solarkraftwerke baut und die zuverlässigen Kohlekraftwerke auslaufen lässt“, teilt Damm Obel vom dänischen Multiversorgungsunternehmen mit.
Heizungsdebatte: Was die Dänen bei Fernwärme und Wärmepumpe besser können
Warum investieren die Deutschen lieber im Ausland? „Der deutsche Wärmemarkt ist ein schlafender Riese, und die Wärmewende kommt bislang nur schleppend voran“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der MAN ES. Die am weitesten verbreitete ‚erneuerbare‘ Wärmequelle in deutschen Privathaushalten seien bisher Holzpelletöfen. „An denen ist aber nichts umweltfreundlich – es gibt also noch sehr viel zu tun“, sagt Lauber.
Die effizienteste Art zu heizen ist nach seinen Angaben die Fernwärmeversorgung. Die Technologie, um dies klimaneutral zu tun, sei schon längst vorhanden. „Jetzt müssen wir sie nur noch nutzen.“ Deutschland sei zwar ein Fernwärmeland und verfüge über eines der größten Fernwärmenetze in Europa – „aber leider sind unsere Wärmequellen bislang zu 80 Prozent aus fossilen Quellen“, stimmt Uwe Lauber zu.
Dänemark habe bereits frühzeitig die Wärmewende in den Blick genommen. Seit 2013 dürfen dort keine Öl- und Gasheizungen mehr in Neubauten verbaut werden und schon heute sind 40 Prozent der Wärmeversorgung grün, erklärt Lauber. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Anteil erneuerbarer Energie am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nur 16 Prozent. Beim Berliner Grundversorger Vattenfall sind es sogar nur acht Prozent.
Die Dänen würden darüber hinaus von gut ausgebauten Fernwärmenetzen profitieren, die über 60 Prozent der Haushalte versorgen. Schon dadurch habe die Fernwärme in Dänemark einen besonderen Stellenwert. Aber wie sieht es mit den Stromkosten aus, werden diese in Zukunft für die Esbjerger höher ausfallen?
„Früher haben wir für die überschüssige Wärme aus dem Kohlekraftwerk bezahlt, jetzt müssen wir die Wärme selbst erzeugen“, sagt der Däne Damm Obel. In Zukunft werde man daher weniger Kosten für den Zukauf von Wärme von außen haben. „Dieses Geld wird ungefähr den Produktionskosten entsprechen“, erklärt er. Der Multiversorger DIN erwarte deshalb nicht, dass seine Kunden mehr für ihre Fernwärme bezahlen müssen.
Wärmewende in Deutschland: Können wir in Zukunft am Markt mithalten?
Was ist eigentlich aus dem gemeinsamen Projekt von BASF und MAN ES geworden? Immerhin wollten die Unternehmen doch im letzten Jahr noch zusammen die größte Wärmepumpe der Welt bauen – allerdings nicht für Esbjerg, sondern für Ludwigshafen. Man habe gemeinsam eine Machbarkeitsstudie für eine solche Wärmepumpe am BASF-Standort in Ludwigshafen durchgeführt, so der Motor- und Turbomaschinen-Hersteller MAN ES. „Das Ergebnis hat gezeigt, dass das Projekt technisch realisierbar wäre, aber BASF hat entschieden, die Technologie nicht in Ludwigshafen zum Einsatz zu bringen.“
MAN ES verfolge bislang konkrete Projekte in Dänemark, den USA und Neuseeland, aber nicht in Deutschland. „Das wird aber kommen, davon sind wir überzeugt und hoffen, dass es nicht zu lange dauert“, sagt Lauber. Sonst könne es passieren, dass MAN ES in Deutschland Großwärmepumpen zwar baue, sie aber hierzulande erst einmal gar nicht liefern könne, weil die Bücher durch andere Auftraggeber schon voll seien. Mit deutschen Stadtwerken und Fernwärmeversorgern sei das Unternehmen aber im Gespräch.







