Heizungen

Wärmepumpen oder Fernwärme? Energieberater: „Man könnte es so machen wie beim Gas“

Die Fernwärme hat ihre Tücken, wenn es um Habecks 65-Prozent-Regel geht. Was die Rechtsexperten der Verbraucherzentrale Brandenburg dazu sagen.

Robert Habeck: Fernwärme hat noch eine lange Reise vor sich. 
Robert Habeck: Fernwärme hat noch eine lange Reise vor sich. Patrick Pleul/dpa

So langsam klingelt es bei allen in den Ohren: Ist die Gas- oder Ölheizung 30 Jahre alt, muss sie schon Anfang des nächsten Jahres ausgetauscht werden, und zwar gegen eine alternative Heizung mit mindestens 65 Prozent Anteil erneuerbarer Energien.

So will es das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck zum 1. Januar 2024 haben. Und man geht davon aus, dass der Bundestag diesem Plan in den kommenden Monaten zustimmt. Sportlich, kann man da nur sagen, denn viel Zeit für eine Alternative bleibt da nicht mehr.

Auf den ersten Blick gibt es mit der 65-Prozent-Regel nur eine Alternative: der Umstieg auf eine Wärmepumpe, die mehr Wärme aus der Luft oder der Erde erzeugt als aus Strom. Zwar sagen Habeck und die Energie-Experten, dass auch Fernwärme eine Alternative zu Gasheizungen darstelle, weil sie perspektivisch immer grüner werden werde. Im Moment ist die Fernwärme aber weit davon entfernt, denn sie wird laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BEWI) zum Großteil noch aus fossilen Brennstoffen wie Gas und Kohle erzeugt. Auch wird darauf hingewiesen, dass die Fernwärme nicht überall verfügbar beziehungsweise eingeschränkt sei. Die Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) sieht dennoch mehr Chancen für das Wärmenetz.

Das bekräftigt der Energieberater der VZB, Harald Lacher, in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung. Die Fernwärme habe Potenzial für eine nachhaltige Versorgung, sagt er. „Da ist noch Luft nach oben.“ Dennoch müsse vor allem der Gesetzgeber hier mehr Freiheiten schaffen. Dabei gehe es vor allem um die Monopolstellung. „Man könnte es so machen wie beim Gas“, schlägt er vor. Dafür brauche es Lieferanten, Netzbetreiber und Erzeuger, die in Konkurrenz zueinander stehen würden. Bislang habe sich die Bundesregierung hier aber noch nicht an eine Änderung herangetraut.

Fernwärme im letzten Jahr um ein Drittel teurer geworden

In Berlin hat der Konzern Vattenfall Wärme, der Grundversorger bei der Fernwärme, zum Beispiel einen Marktanteil am Heizungsmarkt von 30 Prozent. Der Verbraucher müsse die vorgesetzten Preise in Sachen Fernwärme hinnehmen und zahle damit auch Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit, sagt Lacher. Hätte Vattenfall frühzeitig damit begonnen, einen größeren Anteil erneuerbarer Energien selbst herzustellen, würde der Preisanstieg für die Berliner geringer ausfallen. Im Moment liegt dieser Anteil nach Konzern-Angaben bei nur acht Prozent, der Rest entfällt auf Gas und Kohle.

Laut VZB-Rechtsreferent Lacher erhalten die Verbraucherzentralen seit dem vergangenen Jahr vermehrte Anfragen, wenn es darum geht, Heizungen umzurüsten. Auslöser seien zunächst die hohen Gaspreise gewesen. Deswegen sei auch die Fernwärme von den Erhöhungen durch den Ukraine-Krieg nicht verschont geblieben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mussten die Bezieher im Jahr 2020 im Großhandel durchschnittlich 99,99 Euro pro Megawattstunde zahlen. Ein Jahr darauf ist der Preis auf durchschnittlich 96,56 Euro gesunken, aber im Jahr 2022 ist er plötzlich auf 126,32 Euro angestiegen: Das sind nahezu 30 Prozent mehr.

Fernwärme: Die Macht des alleinigen Anbieters

Als Gründe für den Anstieg nennt Lacher nicht nur die Gasmangellage, sondern auch die Macht des alleinigen Anbieters, die Kosten sprunghaft zu erhöhen. Einen besonders schlechten Ruf verschafft sich derzeit auch Eon, einer der größten Anbieter von Fernwärme in Deutschland. Vor wenigen Tagen kündigte der Energiekonzern seinen Kunden Nachzahlungen von 3000 Euro und mehr für 2022 an. Ein klassischer Fall für das Kartellamt, das die Preiserhöhungen im Auge behalten sollte, wie Lacher erklärt. 

Der Rechtsreferent der VZB und Kollege von Lacher, Rico Dulinski, fordert deswegen mehr Transparenz in den Verträgen. Die Verbraucher hätten bisher gar keine Möglichkeit, der Preisanpassung zu begegnen. Die Klauseln seien sehr intransparent und es werden Indizes berücksichtigt, die im Zweifel gar nichts mit der tatsächlichen Heizungsanlage zu tun haben, schildert Dulinski der Berliner Zeitung.

Fernwärme: Fehlender Wettbewerb gleich fehlender Innovationsdruck

Die Probleme mit der Monopolmacht bei der Fernwärme würden sich aber nicht nur in den Preisen widerspiegeln, sagt Lacher weiter. „Monopole haben keinen Innovationsdruck“, so der Energieberater. Durch den fehlenden Wettbewerb müssten sie sich nicht gegenüber anderen beweisen und der Fortschritt bleibe „träge“.

Nach Lachers Einschätzung waren vor allem die sinkenden Erdgaspreise ab 2015 fatal für die Entwicklung der Fernwärme. 2010 kostete Erdgas etwa 3 Cent pro Kilowattstunde und lag zu den günstigsten Zeiten bei nur 1,5 Cent. Bis zum Ausbruch das Krieges sei der Preis sehr günstig gewesen, weshalb die Anbieter von Fernwärme erst mal kein Bestreben hatten, in erneuerbare Energien zu investieren. „Das ist natürlich fatal“, sagt Lacher.

Zukunft: Gibt es eine Lösung, um grüne Fernwärme voranzutreiben?

Im Zuge der Wärmestrategie für das Land Berlin plante der inzwischen abgewählte Senat, die Berliner Fernwärme durch „die Einbindung erneuerbaren Energien sowie durch Elektrifizierung zu dekarbonisieren, nachzuverdichten und auszubauen“. Noch ist offen, wo die Reise der Fernwärme hingeht.

Für eine nachhaltige Entwicklung der Fernwärme sei der Wettbewerb unabdingbar, ist sich der Energieberater Lacher sicher. „Seit letztem Jahr erleben wir aus Verbrauchersicht, dass alle Risiken, die das Geschäft mit sich bringt, auf den Endkunden abgewälzt werden“, sagt er.

Neben der Entkopplung der Monopolstellung vom Gesetzgeber schlägt der VZB-Energieberater das kalte Fernwärmenetz vor, das sich in den Neubaugebieten bereits durchsetze. „Damit würde man in der Stadt ein großflächiges Wärmenetz in der Erde verlegen, was kälter ist als die Erde“, erklärt er. Es diene als Medium, aus dem die Wärmepumpe Wärme herausziehe.

Das Konzept des kalten Wärmenetzes würde den Lüfter oder die Bohrung einer Wärmepumpe ersetzen. Momentan betreibt die Stadt Berlin allerdings ein Hochtemperaturnetz. Die nächsten Schritte seien, ein Niedertemperatur-Fernwärmenetz aufzubauen. Der Schritt zum kalten Fernwärmenetz biete sich bislang nur für gut gedämmte Gebäude an, merkt Lacher an.

Erneuerbare Energien: Welche Möglichkeiten gibt es für Verbraucher neben der Fernwärme?

Als grüne Alternative zur Fernwärme biete sich die Holz- beziehungsweise Pellet-Heizung an, weist der VZB-Energieberater hin. Dennoch bleibe es nur ein kleines Segment im Wärmesektor: „Nur circa 3 bis 5 Prozent werden sich auch in Zukunft mit Holz versorgen“, sagt er. Einen Großteil werde die Wärmepumpe übernehmen. Hier solle aber zuvor die Netzverträglichkeit geprüft werden.

Baut man eine Wärmepumpe richtig, so könne man mit einem Teil Strom und drei Teilen aus der Umwelt vier Teile Wärme generieren. Bei einer schlechten Planung liege der Wert nur bei zwei. Es zeigt sich also, Planung ist alles, da die gleiche Wärmepumpe bei optimalen Bedingungen doppelt so viel Wärme erzeugen könne.

Außerdem bleibe die hybride Lösung: Mit einem fossilen Gasbrennwertkessel und einer halb so großen Wärmepumpe könne man schon jetzt 75 Prozent mittels erneuerbarer Energien herstellen. „Und das geht in jedem Gebäude“, betont Lacher im Gespräch. Die hybride Lösung sei für alle geeignet, die noch Sorgen haben, die Wärmepumpe funktioniere eventuell nicht.

Neben der Wärmepumpe plädiert Lacher für die Einbindung von Solarthermie mit einem saisonalen Speicher: „Das heißt, ich kann im Sommer in großen Puffern speichern, Wärme befüllen und sie im Winter wieder abgeben.“

Einen neuen Ansatz könnte laut Dulinski auch die Geothermie darstellen, bei der die Wärme aus 2000 Metern Tiefe geholt wird. Damit könne dann künftig beispielsweise auch eine Fernwärme-Anlage betrieben und so mehrere Wohnhäuser beheizt werden. Die Technologie braucht allerdings noch etwas Zeit.

Idee gut, Umsetzung schlecht: Das Angebot gering, die Fachkräfte zu wenig, die Preise hoch

Das aktuelle Gebäudeenergiegesetz sollte schon in den nächsten Monaten entsprechend dem neuen Gesetzentwurf von Habecks Ministerium aktualisiert werden. Die Verbraucherzentrale Brandenburg begrüßt im Grunde genommen den Weg in Richtung erneuerbare Energien. „Aus unserer Sicht sollte das aber so ausgestaltet sein, dass es sich auch jeder Hausbesitzer entsprechend leisten kann“, betont Dulinski. Dennoch zeigt die Entwicklung anderes: Möchte jemand beispielsweise sein Haus auf eine Wärmepumpe umstellen, sei das Angebot so gering, der Fachkräfte so wenig und die Preise so hoch, dass viele davon auch schnell wieder Abstand nehmen würden.

Erst gestern hat der Energieberater Lacher einem Kunden, welcher seine Heizungsanlage von 1995 in seinem Einfamilien-Holzhaus von 1934 austauschen möchte, zu einer Wärmepumpe mit Tiefenbohrungen geraten. Der Kunde müsste dafür insgesamt circa 50.000 Euro investieren. Bei einer aktuellen Förderung von ungefähr 20.000 Euro bleiben noch 30.000 Euro, die er selbst zu tragen hat.

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