Heizungen

Wärmepumpe kommt – Energieexperte: Robert Habeck hat (fast) alles richtig gemacht

Habeck will bei neuen Heizungen einen Anteil an erneuerbaren Energien, dem weder die Fernwärme noch der deutsche Strommix gerecht werden. Hat er uns alle überlistet?

Robert Habeck am 30. März bei einer Energiekonferenz in der kanadischen Botschaft.
Robert Habeck am 30. März bei einer Energiekonferenz in der kanadischen Botschaft.Political-Moments/imago

Vor kurzem hat sich die Bundesregierung auf Details zur sogenannten 65-Prozent-EE-Pflicht geeinigt, die schon länger als Vorschlag existierte und nun genau vorschreibt: Schon ab dem 1. Januar 2024 muss jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Am Wochenende beruhigte Habeck dann die besorgten Otto Normalverbraucher mit der Perspektive der sozialen Staffelung, sodass der Einbau klimafreundlicher Heizungen die Bürger nicht finanziell überfordern sollte. Doch wer glaubt schon den Versprechen des Grünen-Ministers, dem vorgeworfen wird, allein schon beim 65-Prozent-Prinzip nicht die Realitäten anzuerkennen?

Wenn die 65-Prozent-Pflicht greift: Keine passenden Heizungen auf dem Markt?

Habeck plädiert neben den Wärmepumpen, die höhere Investitionen u.a. in die Dämmung verlangen, auch für die Fernwärme. Doch im Strommix lag der Erneuerbare-Energien-Anteil in Deutschland 2022 bei 46,2 Prozent und der Brennstoffmix in den deutschen Fernwärmesystemen bei maximal 20 Prozent und bei der Vattenfall Wärme, dem Berliner Grundversorger, nur bei acht Prozent. Sollte die 65-Prozent-Pflicht also schon in neun Monaten greifen, wären die Verbraucher in neuen Häusern oder im Altbau mit allzu alten austauschpflichtigen Gasheizungen plötzlich auf Fernwärme und Wärmepumpen angewiesen. Wie passt das zusammen?

„Grundsätzlich ist die Einigung der Bundesregierung auf eine 65-Prozent-Pflicht richtig“, kommentiert der führende Energie- und Klimaexperte von der Boston Consulting Group, Stefan Schönberger, gegenüber der Berliner Zeitung. Schönberger berät unter anderen den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zum Thema Energie.

Er gibt zu: Die Fernwärme in Berlin sei zwar noch weit davon entfernt, klimaneutral zu sein. „Die nicht von der Fernwärme versorgten Gebäude in Berlin fangen aber viel weiter vorne an – dort liegt der Anteil der erneuerbaren Energien derzeit bei unter zwei Prozent.“ Um die Fernwärme zukunftsfähig zu gestalten, müssen die Lieferanten nach dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes einen Transformationsplan für möglichst 50 Prozent Erneuerbaren-Anteil bis 2030 und 100 Prozent bis 2045 vorlegen.

„Bevor ich in einen neuen Gaskessel reinvestiere, kann ich die gleiche Summe lieber in einen Fernwärmeanschluss stecken und habe damit schon eine zukunftsfähige und im Vergleich zum Gas eine langfristig günstigere Lösung für die Energiewende“, argumentiert der Experte. Gas werde dagegen immer Emissionen hinterlassen und könne sich später wieder uneingeschränkt verteuern. „Wer die Fernwärme anbietet, schützt die Kunden eigentlich vor sehr hohen Preissteigerungen.“ Deswegen findet es Schönberger sinnvoll, dass die Bundesregierung für die Fernwärme im GEG-Entwurf eine Ausnahme von der 65-Prozent-Pflicht vorsieht.

Wärmepumpen: Nur eine Einheit Strom für drei Einheiten Wärme

Und wie sieht es mit dem Anteil der erneuerbaren Energien bei den Wärmepumpen angesichts des deutschen Strommixes aus? Die Wärmepumpe brauche nur circa eine Einheit Strom, um drei Einheiten Wärme zu produzieren, verweist unser Gesprächspartner, denn zwei Einheiten generiere sie umsonst aus der Umgebung, sei es Luft oder Erde. Wenn wir von einem Anteil der Erneuerbaren am Strommix von rund 46 Prozent ausgehen, stamme die Wärme aus der Wärmepumpe somit am Ende zu über 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, argumentiert Schönberger. Da bis spätestens 2045 das Stromsystem zu 100 Prozent erneuerbar sein müsse, seien die Wärmepumpen ebenfalls eine zukunftsfähige Lösung.

Noch vor drei Jahren bekam fast jeder dritte Neubau eine Gasheizung. Aber schon seit 2021 war der Anteil der Wärmepumpen im Neubau nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft auf 50,6 Prozent gestiegen. Die Wärmepumpen seien bereits heute für die meisten neuen Einfamilienhäuser und auch für viele Mehrfamilienhäuser die kostengünstigste Lösung, betont Schönberger.

Angesichts der höheren fossilen Preise und der steigenden CO2-Bepreisung sind Wärmepumpen auch im Gebäudebestand immer wettbewerbsfähiger – und im Verbund mit Wärmespeichern und Fotovoltaik immer besser im zukünftigen Stromsystem integrierbar. Allerdings erfordern sie hohe Anfangsinvestitionen, die ohne Förderung und Investitionszuschüsse viele Hausbesitzer überfordern würden.

In Wärmepumpen jetzt investieren, um später zu profitieren?

Der Umweltökonom Prof. Dr. Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hatte zuvor die Kosten eines allmählichen Umstiegs von 19 Millionen bestehenden Öl- und Erdgasheizungen auf die Wärmepumpen grob auf eine Billion Euro berechnet. Stefan Schönberger findet solche Berechnungen unzureichend, denn sie würden nur die Investitionskosten berücksichtigen, die vermiedenen Investitionen in neue Gas- und Ölkessel nicht berücksichtigen sowie vor allem die Energieeinsparung im Laufe der Betriebszeit ignorieren.

„Was beim Kunden landet, sind nicht nur die Investitionskosten der Wärmepumpe. Die Anschaffungs- und Installationskosten werden sich über die Jahre mit Blick auf die Öl- und Gaspreise rentieren.“ Was am Ende viel teurer werde, warnt unser Gesprächspartner, wäre, nichts zu tun und auf die sogenannten H2-Ready-Heizungen zu setzen, für die Finanzminister Christian Lindner als eine weitere Alternative zu den Gasheizungen plädiert. Im Vergleich zu Wärmepumpen verbrauche aber eine mit grünem Wasserstoff betriebene Heizung indirekt bis zu fünfmal so viel Strom, erinnert Stefan Schönberger.

Kurz formuliert, Robert Habeck macht schon alles richtig? Einen Fehler habe Habeck schon gemacht, und zwar bei der Kommunikation, erwidert Schönberger. Der Eindruck sei entstanden, dass die Gasheizungen sofort verboten werden, ohne dass zuvor diskutiert worden sei, wie die Politik die Hausbesitzer bei der Finanzierung der neuen Wärmeversorgung unterstützt. Diesen Eindruck hätte Habeck aber bereits entkräftet: Die Hilfen sollten kommen.

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