Verbrenner-Verbot

Die Macher der ersten E-Fuels-Tankstelle: „Wir kämpfen gegen fossile Kraftstoffe“

Ein Team passionierter Verbrenner-Fans will von Berlin aus den Kraftstoffmarkt aufmischen. Die weltweit erste Tankstelle für E-Fuels soll schon dieses Jahr kommen. Ein Interview.

Geschäftsführer von P1 Performance Fuels Martin Popilka posiert auf den Fässern für E-Fuels.
Geschäftsführer von P1 Performance Fuels Martin Popilka posiert auf den Fässern für E-Fuels.Emmanuele Contini

In den roten Backsteinwänden der Lanolinfabrik am Berliner Salzufer haben viele Start-ups ihre Heimat gefunden. Seit 2015 ist auch P1 Performance Fuels (kurz P1 Fuels) dabei, ein unkonventioneller Kraftstofflieferant, der zu gerne die Regierungsflotte mit den alternativen synthetischen Kraftstoffen, kurz als E-Fuels bekannt, beliefern würde. Und nicht aus Fässern, sondern von einer richtigen Tankstelle. Ambitioniert? Und wie!

Wir treffen uns mit dem Vertriebsmanager der Firma Benjamin Cuyt (29), um über das Verbrenner-Verbot der EU ab 2035 zu sprechen. Der Geschäftsführer Martin Popilka ist auch dabei, doch es ist überwiegend Cuyt, der redet. Für ihre Firma gibt es eine gute Nachricht: Es wird eine Ausnahme für neue Verbrenner geben, die mit E-Fuels fahren. Ein Sieg nicht nur für die FDP, sondern für alle Nachhaltigkeitsfans, die die Zukunft der Mobilität nicht nur auf E-Autos reduzieren, sondern glauben: Echte Nachhaltigkeit wird es nur mit, nicht gegen die Verbrenner geben. Nur der Kraftstoff muss halt klimaneutral werden.

Verbrenner-Motoren könnten mit Sensoren ausgestattet werden

„Wir kämpfen gegen fossile Kraftstoffe“, sagt Cuyt lächelnd. Nein, er ist on fire, begeistert und von der Richtigkeit seiner Sache komplett überzeugt. Wir quatschen kurz über den Motorsport, der bereits langsam auf E-Fuels umsteigt. Die F3 und F2 mischen die E-Fuels bereits den fossilen Kraftstoffen bei, und die Formel 1 will ab 2026 komplett auf den reinen E-Fuels-Kraftstoff setzen. Hier bei P1 Fuels sind alle Fans des deutschen Rennfahrers Sebastian Vettel, der selbst ein Befürworter der Technologie ist. Seitdem Vettel seine Karriere bei der F1 im letzten Jahr beendet hat, unterstützt Cuyt den Holländer Max Verstappen.

Sales Manager von P1 Performance Fuels Benjamin Cuyt im Gespräch mit der Berliner Zeitung
Sales Manager von P1 Performance Fuels Benjamin Cuyt im Gespräch mit der Berliner ZeitungEmmanuele Contini

„Wie möchte man denn ab 2035 kontrollieren, ob ein Auto übliches oder synthetisches Benzin verbraucht?“, fragen wir Cuyt. Der Motor sollte ja der gleiche bleiben. „Man kann die Motoren über Sensoren steuern und vorgeben, dass sie nur mit einem bestimmten Typ von Kraftstoff fahren können“, erklärt der junge Profi. „Man kann auch an den Tankstellen eindeutig erkennen, ob der Kraftstoff ursprünglich aus den Raffinerien stammt. Um die technische Umsetzung wird sich aber die Automobilindustrie kümmern. Wir liefern den richtigen Kraftstoff dazu.“

So könnte auch Deutschland E-Fuels herstellen

Im Moment beliefert die Firma nach Cuyts Worten zahlreiche private Kunden, von denen zum Beispiel einige ihre Oldtimer klimaneutral fahren wollen, Rennserien wie die Fia WRC und Fia World Karting Championship, aber auch den Deutschen Motorsportbund, der die E-Fuels u.a. bei den Deutschen Kart-Meisterschaften verwendet. Der Kraftstoff, den die Firma aus Belgien in Fässern importiert, wird mithilfe von Strom als Hydrocarbon aus CO und Wasserstoff, aber auch als synthetischer Kraftstoff aus der Biomasse der zweiten Generation, also aus den Abfallprodukten der Nahrungsindustrie, hergestellt. P1 Fuels gehe beide Wege und mixe die beiden Variationen in einen Kraftstoff in Deutschland, so Cuyt.

Künftig könnten E-Fuels nach seinen Worten auch in Deutschland entstehen, dafür habe man genug CO aus der Industrie. Nur müsste man mehr grüne Energie generieren und vor allem: mehr Speicher. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel, wo Cuyt lebt, gibt es genug Wind, aber fast keine Windkrafträder, die ausreichend Strom einspeisen können, da es keine Speichermöglichkeiten gibt. Man braucht auch Anlagen zur E-Fuel-Herstellung, die das CO2 aus der Atmosphäre abschneiden könnten, damit die E-Fuels am Ende wirklich klimaneutral sind. 

„Wenn unsere Kraftstoffe nur zugänglicher wären, zum Beispiel an Tankstellen, hätten auch mehr Menschen Zugang zu dieser Technologie“, träumt Cuyt. Der nächste Schritt heißt also: Weg von den Fässern! Deswegen plant die Firma die Eröffnung der ersten Tankstelle für E-Fuels in Berlin schon in diesem Jahr, die zugleich die erste E-Fuels-Tankstelle für den Straßenverkehr weltweit wäre. Man entscheide sich gerade noch zwischen fünf Tankstellen von Sprint in Berlin, die Tochterfirma der BMV Mineralöl Versorgungsgesellschaft sei bereit für die Kooperation.

Was man gerade noch brauche, betont der Manager, sei ein Commitment, ein Signal der Politik, dass man die Technologie nicht nur auf dem Papier unterstütze, sondern bereit sei, sie selbst zu benutzen. Ende Januar hatte die Firma deswegen ein Angebot an die Ministerien verschickt, die Regierungsflotte von einer Tankstelle mit E-Fuels zu versorgen, damit die Regierungsvertreter weltweit als Erste bereits zu 94 Prozent klimaneutral fahren könnten.

Deswegen würde man sich wahrscheinlich für eine Tankstelle in Berlin-Mitte entscheiden, die für alle zugänglich wäre. Man habe auch längst ausreichend Kraftstoff dafür. Die Antworten von einigen Ministerien würden aber noch ausstehen, sogar das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP), der sich verbal so sehr für E-Fuels einsetzt, habe leider noch nicht reagiert, sagt Cuyt.

Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, kommt zur Fortsetzung der Sitzung vom Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt, den 28. März 2023. Die Regierungsflotte fährt überwiegend immer noch mit Verbrennern.
Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, kommt zur Fortsetzung der Sitzung vom Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt, den 28. März 2023. Die Regierungsflotte fährt überwiegend immer noch mit Verbrennern.dpa

5 Euro für einen Liter synthetisches Benzin: Wie lange noch?

Eine Tankstelle für alle: Das klingt schön und gut. Doch die Zugänglichkeit impliziert nicht nur die Mengen, lässt sich widersprechen, sondern auch Preise, die sich mehr Menschen leisten können. Im Moment kostet ein Liter synthetisches Benzin bei P1 Fuels 5 Euro, ein Liter fossiles Benzin dagegen rund 1,75 Euro.

„Wir möchten, Gott bewahre, unser Benzin nicht die nächsten 20 Jahre für 5 Euro verkaufen“, erwidert unser Gesprächspartner. Er wünschte sich nur, dass jede Technologie, nämlich E-Autos, Wasserstoff und E-Fuels, gleichermaßen gefördert würde. Mit Unterstützung werde man mehr neue Kraftstoffe produzieren können und der Preis werde sich allmählich reduzieren, versichert Cuyt.

Auch vom Verbrauch und der Leistung seien die synthetischen Kraftstoffe nicht schlechter, erwidert Cuyt auf die Effizienzfrage. „Unser Benzin ist bereits eins zu eins Placement vom fossilen Kraftstoff, sonst würde man es nicht im Motorsport einsetzen. Auch beim Diesel ist es unser Ziel.“ Aktuell sind nicht alle E-Fuels in der EU zugelassen. Das synthetische Benzin, das u.a. P1 Fuels verkauft, entspricht der europäischen EN228-Normierung für Benzin. Synthetischer Diesel hat aber noch nicht die gleiche Normierung wie der fossile.

Tankstellen lassen sich schnell auf E-Fuels umstellen

„Wir wollen die fossilen Kraftstoffe nicht grüner machen, sondern wir wollen sie ersetzen“, bekräftigt Benjamin Cuyt. „Wir kämpfen nicht gegen die Mobilität. Ich würde mich gerne dafür einsetzen, dass wir mit jeder Technologie, sei es ein Elektrofahrzeug, Wasserstoff oder seien es synthetische Kraftstoffe, gemeinsam gegen fossile Kraftstoffe kämpfen und nicht gegeneinander.“ Eine Energiewende ist nach seiner Auffassung nur möglich, wenn man Inklusion für alle klimafreundlichen Technologien schafft. Bei synthetischen Kraftstoffen könne der Umstieg besonders gut gelingen, denn man müsse dafür keine neuen Tankstellen bauen, sondern die bestehenden lassen sich schnell umstellen.

Am Ende entscheide der freie Markt, inwiefern jede Technologie sich durchsetzen könne und welchen Marktanteil sie bekomme, so der P1-Fuels-Manager. Vor allem für Lkw, aber auch die Luft- und Schifffahrt, wo Batterien technisch schwer vorstellbar sind, wären E-Fuels neben Ethanol aus seiner Sicht eine langfristige Lösung. Norwegen sei zum Beispiel bereits ein Vorreiter, was E-Fuels für die Luftfahrt angehe. Zum Schluss sagt uns der Mann:

„Ich hoffe, dass es bald Tankstellen gibt, wo jeder Verbrenner E-Fuels und gleichzeitig E-Autos grünen Strom tanken können. Das ist mein Traum-Szenario, auch wenn es dauern wird.“

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de