Politik & Wirtschaft

Dedollarisierung und Schutz vor US-Sanktionen: Was bringt der Brics-Gipfel?

In Südafrika beraten die Brics-Staaten über eine neue Weltwirtschaftsordnung. Die Länder wollen sich gegen Sanktionen der USA schützen – doch es gibt Konflikte unter den Mitgliedern. 

In Johannesburg ist alles angerichtet für den Brics-Gipfel.
In Johannesburg ist alles angerichtet für den Brics-Gipfel.Grigory Sysoev/imago

Es dürfte der bislang wichtigste Gipfel der Brics-Staaten werden. Vom 22. bis zum 24. August verhandeln die Vertreter der Mitgliedstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und des Gastgebers Südafrika in Johannesburg um nicht weniger als eine neue Weltwirtschaftsordnung. Nur Wladimir Putin wird nicht persönlich erscheinen. Weil gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs verhängt wurde, wird er via Zoom zugeschaltet sein.

Chinas Präsident Xi: Ziel der Brics ist es, sich gegen Sanktionen zu wehren

Im Zentrum der Gespräche stehen eine stärkere Vertretung des Globalen Südens, die Reform der multilateralen Entwicklungsbanken sowie geopolitische Krisenherde wie die Ukraine-Krise. China hat ein großes Interesse daran, den Einfluss der Brics-Staaten zu stärken. Präsident Xi Jinping schrieb in einem Beitrag, der am Montag in fünf südafrikanischen Zeitungen veröffentlicht wurde: „Was die Welt heute braucht, ist Frieden, nicht Konflikt; was die Welt will, ist Koordination, nicht Konfrontation.“ China und Südafrika sollten zusammenarbeiten, um für mehr Mitspracherecht und Einfluss der Entwicklungsländer in internationalen Angelegenheiten zu werben, eine beschleunigte Reform der internationalen Finanzinstitutionen zu fördern und sich gegen einseitige Sanktionen zu wenden.

Das politische und wirtschaftliche Gewicht der Brics lässt sich anhand der Tatsache beurteilen, dass auf sie 42 Prozent der Weltbevölkerung, 27 Prozent der Landfläche, 32 Prozent des BIP (in Kaufkraftparitäten), aber nur 16 Prozent des Welthandels entfallen. Den Staaten ist die Vorherrschaft des US-Dollars als Leitwährung zunehmend ein Dorn im Auge, denn die Dominanz des Greenback und des Zahlungssystems SWIFT ermöglicht es den USA, sogenannte extraterritoriale Sanktionen zu verhängen und den betroffenen Ländern damit den Zugang zum Weltmarkt erheblich zu erschweren. Aus diesem Grund beraten die Brics über mögliche Alternativen zum Dollar.

Im Raum stehen verschiedene Varianten. So wird diskutiert, bilateralen Handel vermehrt in den Währungen der beteiligten Staaten abzuwickeln. Auch der Aufbau einer eigenen Reservewährung, die in Anlehnung an die nationalen Währungen der Brics (Real, Rubel, Rupie, Ren­minbi, Rand) als Währungskorb R5 oder R5+ bezeichnet wird, gilt als Möglichkeit. Ziel ist ein Mechanismus, der sich am System der Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds orientiert. Die Schaffung einer neuen Brics-Währung steht ebenfalls im Raum: zum Beispiel als digitales Geld, an Gold oder rare Ressourcen wie seltene Erden gekoppelt. Besonders Brasiliens Staatschef Lula da Silva hat Spekulationen geschürt, als er im April öffentlich erklärte: „Ich frage mich jede Nacht: Warum müssen alle Länder ihren Handel an den Dollar binden? Warum können wir unseren Handel nicht durch unsere eigene Währung absichern?“

Brics-„Erfinder“ glaubt nicht an eine neue Währung

Von solchen Plänen hält der Ökonom Jim O’Neill wenig. Vor mehr als 20 Jahren erfand der damalige Analyst von Goldman Sachs das Akronym Brics, um auf das wirtschaftliche Potenzial der fünf Schwellenländer aufmerksam zu machen. „Die Rolle des Dollars ist für die Art und Weise, wie sich die Welt entwickelt hat, nicht ideal“, sagte er der Financial Times. „Es gibt all diese Volkswirtschaften, die von dieser zyklischen, nie endenden Wendung dessen leben, was auch immer die [US-Notenbank] im Interesse der USA beschließt.“ Eine eigene Brics-Währung hält er aber für nicht realisierbar. „Es ist einfach lächerlich“, sagte er. Die Brics-Mitglieder seien viel zu zerstritten, als dass sie sich auf die Schaffung einer gemeinsamen Zentralbank einigen könnten. „Es ist eine gute Sache für den Westen, dass sich China und Indien nie über irgendetwas einigen, denn wenn sie es täten, wäre die Dominanz des Dollars viel anfälliger“, sagte O’Neill.

Der indische Thinktank Gateway House weist in einer aktuellen Analyse unter anderem darauf hin: „Eine große Enttäuschung für Indien ist das Versäumnis Chinas und Russlands, die Kandidatur der IBSA-Länder (Indien, Brasilien und Südafrika) für eine ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat zu unterstützen.“ Die Bemühungen zur Erreichung dieses Ziels würden fortgesetzt, auch wenn angesichts der derzeit angespannten bilateralen Beziehungen zwischen China und Indien ein positiver Ausgang unwahrscheinlich sei.

Einer der Faktoren, der die Brics-Gruppe für andere Staaten interessant macht, ist die Neue Entwicklungsbank. Sie wurde 2015 mit dem Ziel gegründet, eine Alternative zur Weltbank und zum IWF zu bieten. Die Bank mit Sitz in Shanghai hat seitdem 30 Milliarden Dollar (etwa 27,5 Milliarden Euro) in Infrastruktur-Entwicklungsprojekte in den Mitgliedstaaten und in Entwicklungsländern investiert. Mittlerweile rennen dem Staatenbündnis Interessenten die Türen ein: Mehr als 40 Staaten weltweit haben laut Aus­sage der südafrikanischen Regierung ihr Interesse an einer Brics-Mitgliedschaft bekundet. 23 Staaten haben bereits einen formalen Antrag gestellt.