Was genau Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang am Freitag bei ihrem zweistündigen Treffen besprochen haben, ist nicht bekannt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen trugen beide Minister ihre jeweiligen Positionen vor. Qin Gang sagte, Deutschland und China seien beide für ihre rationale Art, Probleme zu lösen, bekannt. „Beide Nationen haben große Philosophen und Weise in ihrer Geschichte hervorgebracht: China hat Konfuzius und Laotse, Deutschland Kant und Hegel. Die turbulenten Zeiten erfordern von beiden Nationen und ihren Diplomaten und Staatsmännern, rational zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Baerbock sagte, sie sei besorgt, dass die Freiräume für die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte in China beschnitten würden. Qin Gang sagte: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“ Jeder Staat habe seine eigene Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es „keine einheitlichen Standards in der Welt“. Baerbock erwiderte, es gebe durchaus gemeinsame Standards für die Menschenrechte in der Welt und erinnerte an die UN-Charta und die UN-Menschenrechtskonvention. Darin stünden universelle Menschenrechte, an die alle UN-Mitglieder gebunden seien.
Die staatliche Global Times geht allerdings weiter und insinuiert, Baerbock könne bei ihrer China-Reise einiges lernen. Der Wert der Reise liege „im persönlichen Austausch und im Dialog selbst“, so Cui Hongjian, Direktor der Abteilung für Europäische Studien am China Institute of International Studies. Cui wird mit der Aussage zitiert, dass „Baerbock als verantwortungsbewusste Außenministerin verpflichtet sei, sich sorgfältig über China zu informieren und die Realität, den Wert und die Bedeutung der chinesisch-deutschen Beziehungen zu verstehen“. Auch das chinesische Außenministerium will zu diesem Bildungsprozess beitragen: Man gehe davon aus, dass Baerbock durch die Reiseplanung in Tianjin „einen lebendigen und direkten Eindruck von Chinas Entwicklung und der Win-Win-Kooperation zwischen China und Deutschland bekommen könne“, sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, bei der routinemäßigen Pressekonferenz am Freitag.
Auch in den aktuellen politischen Fragen wurden gegenüber der Presse divergierende Einschätzungen geäußert. Baerbock sagte, der Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau habe gezeigt, dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland habe als China. Sie forderte: „Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar.“ Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher, so Baerbock.
Qin wies jüngst geäußerte Vorwürfe zurück, China plane die militärische Unterstützung Russlands gegen die Ukraine. Er sagte: „Wir liefern keine und werden auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern.“ Außerdem kontrolliere man den Export sogenannter Dual-Use-Güter, die zivil und militärisch verwendet werden können, entsprechend der Gesetzeslage. In der Praxis bauen Moskau und Peking ihre militärischen Beziehungen jedoch aus: Am Sonntag reist der neue chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu nach Moskau. Der General, gegen den die USA Sanktionen verhängt hatten, wird seinen russischen Amtskollegen Sergej Schoigu treffen.
Der chinesische Außenminister sagte im Zusammenhang mit dem chinesischen Friedensplan für die Ukraine, die chinesische Rolle in der Ukrainefrage bestehe darin, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen. „Wir werden nicht weiter Öl ins Feuer gießen“, erklärte er laut der offiziellen Übersetzung. Er hob aber auch die russischen Sicherheitsinteressen hervor, die berücksichtigt werden müssten.
Baerbock teilt in dieser Frage die Einschätzung der amerikanischen Regierung, die den Friedensplan für nicht relevant hält. Baerbock kritisierte das Papier und sagte: „Ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu.“
Besonders deutlich wurde der Unterschied der Positionen in der Taiwan-Frage: Baerbock bekräftigte die deutsche Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Taiwans anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei aber nicht zu akzeptieren. Qin Gang sagte, die Taiwan-Frage sei eine innere Angelegenheit Chinas, und verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung. Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz „wirklich respektieren“, sollten sie die separatistischen Aktivitäten Taiwans ablehnen. China werde „keinen Zoll Territoriums preisgeben“.
Baerbock nannte eine militärische Eskalation um Taiwan ein „Horrorszenario“ für die Welt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße. Die „Schockwelle dieser Wirtschaftskrise“ würde auch China treffen. „Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden.“ Vor einer globalen Wirtschaftskrise hatte zuvor die amerikanische Regierung gewarnt.
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