Geopolitik

CDU will harten Kurs: Kampfansage an China

Die Unionsfraktion legt ein Papier vor, in dem China als systemischer Rivale gesehen wird. Die Position soll für alle Parteien „nationaler Konsens“ werden. 

Friedrich Merz fordert einen nationalen Konsens in der China-Politik.
Friedrich Merz fordert einen nationalen Konsens in der China-Politik.dpa

Unter dem Titel „Souveränität aus eigener Stärke – Eckpfeiler einer neuen China-Politik“ zeigt ein Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag die Grundlinien einer neuen Standortbestimmung Deutschlands gegenüber China. Das Papier liegt der Berliner Zeitung vor. Sollte CDU-Chef Friedrich Merz die nächste Bundestagswahl gewinnen und Bundeskanzler werden, dann würde sich dem Papier zufolge die Gangart gegenüber China deutlich verschärfen. Aber schon vorher bietet die Union der Bundesregierung an, bei einer neuen China-Politik mit der Bundesregierung zusammenzuarbeiten. Denn die CDU sieht die neue China-Politik nicht als mögliche Sichtweise einer Partei, neben der es auch andere Positionen geben kann, sondern als nationale Verpflichtung für alle Parteien. In dem Papier heißt es: „Deutschland braucht zum Umgang mit China einen nationalen Konsens über die Grenzen aller demokratischen Parteien und Fraktionen hinweg. Der strategisch richtige Umgang mit China ist eine Aufgabe, die über diese oder die nächste Legislaturperiode hinausweist.“

Die China-Frage werde nicht nur die 20er-Jahre prägen. Deswegen sei „eine deutsche China-Strategie keine parteipolitische Frage“. Die Union sei bereit, „mit der Bundesregierung zur Wahrung und Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Souveränität im Verhältnis zu China einen nationalen Konsens gemeinsam zu erarbeiten“. So könnte man „aus einer Position der Einigkeit und der eigenen Stärke heraus agieren, und eine kohärente, nachhaltige und ganzheitliche Strategie der Bundes-, Landes- und Kommunalebenen im Sinne eines whole-of-government-approach erreichen“.

Wie schon in der Corona-Politik schwebt der Union also die Aufhebung des Widerstreits von Regierung und Opposition zugunsten einer an kriegswirtschaftliche Ansätze erinnernden gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung vor. Ein „solcher umfassender Ansatz“ sei „auch und gerade im Hinblick auf den Schutz unserer kritischen Infrastruktur rasch erforderlich“, so das Papier: „Dieser nationale Konsens muss dabei in die Nationale Sicherheitsstrategie einerseits und in eine europäische China-Strategie andererseits eingebettet und eng mit unseren transatlantischen Verbündeten und Partnern im indo-pazifischen Raum abgestimmt werden.“ Denn nur gemeinsam mit den Partnern könnte Deutschland „angesichts der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Größe Chinas die Kraft und Stärke haben, im System- und Technologiewettbewerb bestehen zu können“.

Die „Pandemie hat im Vergleich zur chinesischen Ein-Parteien-Diktatur gezeigt“, dass „Demokratien besser für die Menschen liefern“ könnten. Chinas Corona-Politik sei „gescheitert – virologisch und ökonomisch“. Demokratien hätten „mit ihrer Offenheit und Verlässlichkeit, mit höherem Vertrauen durch politische Legitimation, mit öffentlichen und breit angelegten Beratungsprozessen und mit ihrer Fähigkeit zur Selbstkorrektur sowie mit ihrer Innovationskraft entscheidende Wettbewerbsvorteile bewiesen“.

Auch „die starke Reaktion weiter Teile der internationalen Staatengemeinschaft auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“ habe der Welt demonstriert: „Die Demokratien und Verfechter der regelbasierten internationalen Ordnung verfügen über die Kraft und die Ressourcen, handlungsfähige Allianzen und Partnerschaften zu schmieden.“ Dies sei „ein essenzieller Vorteil gegenüber China, das zwar vielen Ländern kurzfristige Vorteile in der Zusammenarbeit bietet, eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe in der Regel aber nicht zum Ziel“ habe.

Dennoch mache „uns gerade die freiheitliche Ordnung und unser demokratisches System verwundbar und anfällig für hybride Angriffe und Einflussnahme Chinas“. Umso wichtiger sei es daher, „unsere freiheitlich demokratische Grundordnung resilienter und stärker zu machen“. Die Politik Chinas unter Präsident Xi Jinping Deutschland und Europa gegenüber habe sich gewandelt. China sei „für Deutschland und Europa Partner, wirtschaftlicher Konkurrent und systemischer Rivale“. Dies habe die EU-Kommission im Jahr 2019 festgestellt.

Man dürfe jedoch „ die Augen nicht davor verschließen, dass China von sich aus die Gewichte verschoben und den Kern der Beziehung deutlich in Richtung systemische Rivalität getrieben hat“. Die systemische Rivalität werde „nicht von Deutschland und Europa gesucht, sondern von China an uns herangetragen“. Das zeige nicht zuletzt Chinas Handeln im Kontext des Kriegs gegen die Ukraine. Auch der XX. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Herbst 2022 habe diese Entwicklung verdeutlicht: „Die Elemente systemischer Rivalität werden immer bestimmender und von China teils bewusst herausgestellt, teils durch gemischte Signale zumindest billigend in Kauf genommen.“

Die Unionsfraktion rechnet in dem Papier auch mit der Außenpolitik von Willy Brandt und allen seinen Nachfolgern ab. Die Idee einer Brückenfunktion Deutschlands zwischen Ost und West oder gar die von Frankreichs Präsident in die Debatte gebrachte Supermacht-Rolle der EU werden in dem Papier nicht als Option gesehen. Das Prinzip „Frieden durch Handel“ sei „mit Blick auf Russland, aber auch China, gescheitert“. Die Leitidee des Prinzips „Frieden durch Handel“ sei darauf ausgerichtet gewesen, „Vernetzung zu schaffen, um Annäherung zu erreichen“. Staaten aus anderen Regionen der Welt hätten „dieses Prinzip allerdings nicht in dieser Form erwidert, sondern eigene Interessen formuliert. In „Abgrenzung zu liberalen, marktwirtschaftlichen Demokratien, die als ‚alter Westen‘ diskreditiert werden“, sei „ein einseitiges Abhängigkeitsnetz“ entstanden, „das jetzt von Russland, aber vor allem aus China heraus gegen die liberale Weltordnung und den politischen Westen instrumentalisiert wird“.

Die Union glaubt, China wolle „eine Weltordnung schaffen, die stärker sinozentrisch und hierarchisch ausgerichtet ist sowie autoritären Prinzipien und Werten international stärker Geltung verschaffen soll“. Dies laufe „dem System fundamental entgegen, in dem das friedliche Miteinander von Staaten geregelt ist, freier Handel organisiert wird, Menschenrechte geschützt und alle Staaten gleichermaßen und auf Augenhöhe beteiligt werden“. China wolle „diese bestehenden Regeln verändern und anpassen“.

Mit „seiner Größe, seiner finanziellen und wirtschaftlichen Stärke und mit seiner rasant wachsenden militärischen Macht“ entwickele sich China zur „größten Herausforderung seit dem Ende der Sowjet-Zeiten, auch ideologisch“. Die Union erwähnt in dem Papier ausdrücklich die Möglichkeiten von „Sanktionen“, die auch gegen China eingesetzt werden sollen. Die Nato müsse sich regelmäßig in einem eigenen Gremium mit der chinesischen Bedrohung auseinandersetzen. Die deutsch-chinesischen wie die europäisch-chinesischen Beziehungen seien zwar „nicht nur durch einen besonders hohen Austausch von Waren und Gütern, sondern auch durch ein Geflecht von Kontakten und Dialogformaten geprägt“. An diesen soll auch festgehalten werden, „wenn und solange sie zum beiderseitigen Nutzen beitragen und von Reziprozität und auf Augenhöhe geprägt sind“.

Als Herausgeber des Papiers, das mit „Beschluss 18. April 2023“ überschrieben ist, fungieren die Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei und Stefan Müller.