Die Schlagzeilen der Website der staatlichen China Daily zu Beginn des Besuchs von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in China geben Aufschluss, welche Prioritäten die chinesische Führung setzt: „Verstärkte chinesisch-russische Beziehungen bieten weltweit ein neues Kooperationsmodell“, „Die Beziehungen zu China werden von den Brasilianern positiv bewertet“ und „Macron sagt, Europa müsse sein Schicksal kontrollieren“ stand ganz oben auf der Seite, Baerbocks Besuch wurde mit einer dürren Notiz weiter unten angekündigt.
Die South China Morning Post, ein Blatt britischer Provenienz aus Honkong, platziert Baerbock zu Beginn ihrer Reise wenn schon nicht ganz oben, so doch etwas prominenter, und gibt die Kernbotschaft aus Baerbocks Vorab-Pressestatement wieder. Die Zeitung titelt: „Baerbock sagt, dass ein ,schnelles und gerechtes' Ende des Ukraine-Krieges ganz oben auf ihrer Agenda stehen wird, wenn sie diese Woche China besucht“.
Die ebenfalls staatliche Global Times berichtet in einem zusammenfassenden Text zunächst über den geplanten Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dessen Absage wegen eines positiven Corona-Tests des Spaniers. Über den Besuch Baerbocks bei ihrem Amtskollegen Qin Gang hieß es weiter unten: „Während des Besuchs werden Qin und Baerbock gemeinsam die sechste Runde des chinesisch-deutschen strategischen Dialogs über Diplomatie und Sicherheit leiten.“ Inhaltlich ging das Blatt nicht auf Baerbocks Programm ein, sondern befasste sich ausführlich mit der USA-Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wobei besonders die Unterstützung von EU-Ratspräsident Charles Michel für Macrons Idee der „strategischen Autonomie“ hervorgehoben wurde. Die vom SPD-Außenpolitiker Nils Schmid in Politico zitierte Ankündigung, Baerbock werde die Dinge nach den Macron-Aussagen „zurechtrücken“, fanden keinen Niederschlag in der chinesischen Staatspresse.
Baerbock sagte am Donnerstag in Tianjin, es sei ein wichtiges Zeichen gewesen, dass Macron gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen China besucht habe. Dies mache deutlich, dass die EU-Mitgliedstaaten angesichts des gemeinsamen Binnenmarktes „gar keine unterschiedlichen Positionen zum größten Handelspartner“ der EU haben könnten. Macron habe überdies am Mittwoch noch einmal „unterstrichen, dass die französische China-Politik eins zu eins die europäische China-Politik widerspiegelt“. Anders als Baerbock, die sich auf ihr Spezialgebiet „Völkerrecht“ konzentrierte und die Diplomatie in den Mittelpunkt des Besuchs stellt, hatte Macron eine große Wirtschaftsdelegation mitgenommen. Frankreich und die USA treiben unvermindert lebhaften Handel mit China, während Deutschland gerade im Begriff ist, seine China-Strategie neu zu formulieren.
In diesem Zusammenhang scheint die Bundesregierung entschlossen zu sein, auch alte Kooperationen auf den Prüfstand zu stellen. Das bringt für Baerbock gleich eine Hypothek auf dieser Reise: Das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Mittwoch in Berlin erklärt, dass der Einstieg von Cosco bei dem Container-Terminal in Hamburg ein halbes Jahr nach einer Grundsatzentscheidung der Bundesregierung wieder infrage steht. Neue Grundlage ist, dass das Terminal Tollerort nun als kritische Infrastruktur eingestuft wird. Eine Sprecherin Habecks hatte am Mittwoch in Berlin gesagt, da sich die Voraussetzungen geändert hätten, prüfe das Ministerium nun die Auswirkungen auf den Sachverhalt. Die Aktion erschwert naturgemäß den Besuch von Baerbock. Unmittelbar vor ihrem Eintreffen in China sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Donnerstag in Peking: „Wir hoffen, dass die deutsche Seite davon absieht, die kommerzielle Kooperation zu politisieren und es zu etwas über Ideologie oder Sicherheit zu machen.“ Auch solle davon abgesehen werden, Hürden für eine solche Zusammenarbeit zu errichten. Die Vor- und Nachteile des Einstiegs seien der deutschen Seite „sehr klar“, sagte der Sprecher. China hoffe, dass es eine „objektive, rationale Betrachtung unserer praktischen Kooperation“ gebe. Die deutsche Seite solle ein faires und „nicht diskriminierendes“ Geschäftsumfeld für chinesische Firmen schaffen, sagte Wang Wenbin.
Baerbock wies am Donnerstag auf die Bedeutung von Taiwan für den Welthandel hin: 50 Prozent des Welthandels und 70 Prozent der Halbleiter passierten die Straße von Taiwan, sagte Baerbock. „Das heißt, die freie Zufahrt in die Straße von Taiwan ist auch in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse“. Die Spannungen in der Region könnten Deutschland und der EU damit „nicht egal sein“. Eine militärische Eskalation zwischen China und Taiwan wäre „ein Worst-Case-Szenario weltweit, aber besonders für uns als eine der größten Industrienationen“, sagte Baerbock. Daher bemühe sich die Bundesregierung gemeinsam mit Partnern weltweit, die Spannungen in der Region abzubauen und eine weitere Eskalation zu verhindern.








