Wiederaufbau Ukraine

Russisches Vermögen der Ukraine zuführen? EU findet bislang keinen legalen Weg

Die Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in London zeigt: Die EU kommt mit der Finanzierung nicht voran. Werden sich deutsche Firmen am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen?

Der ukrainische Präsident Woldymyr Selenskyj war am Mittwoch in London zugeschaltet.
Der ukrainische Präsident Woldymyr Selenskyj war am Mittwoch in London zugeschaltet.Henry Nicholls/Pool AFP

Bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz, die am Mittwoch und Donnerstag in London stattfindet, sollen vor allem private Unternehmen angeregt werden, zu investieren.

„Es gibt sehr viele deutsche Unternehmen, die sich dort engagieren und auch investieren wollen“, sagte die Vorsitzende des Ostausschuss der deutschen Wirtschaft, Cathrina Claas-Mühlhäuser. Bei der Absicherung von Exportkrediten und Investitionsprojekten sei Deutschland international ein Vorreiter. Im ersten Kriegsjahr 2022 seien durch die Bundesregierung Exportkredite im Umfang von 144 Millionen Euro abgesichert worden. Ein Problem für deutsche Investoren seien die von Kiew verfügten Beschränkungen bei der Devisen-Ausfuhr.

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Bei dem Besuch einer Delegation deutscher Unternehmer und Wirtschaftsminister Robert Habeck Anfang April in Kiew, hatte der Ostausschuss erklärt, die Nachfrage in der Ukraine sei hoch in Branchen wie der Baustoffproduktion, Landwirtschaft, Logistik und dem Energiesektor. „Wir glauben, dass die Ukraine der beste Standort ist für die Saatgutproduktion in Europa“, hatte Bayer-Unternehmenssprecher Matthias Berninger damals in Kiew dem ZDF erklärt. „Wir werden noch mal weitere 60 Millionen in eine Kapazitätsausweitung investieren.“

Kiew strebt an, sich nach dem Ende des Krieges als Energielieferanten für den Westen engagieren zu wollen. „Die Ukraine kann und wird einer der Schlüssellieferanten für umweltfreundliche Elektroenergie und grünen Wasserstoff für Europa werden“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in einer Video-Botschaft. 2020 hatte bereits der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Ukraine als künftigen Lieferanten für grünen Wasserstoff genannt.

Bei der Finanzierung der Ukraine hapert es bislang noch. Der Westen hat bislang keine geeignete legale Möglichkeit gefunden, um eingefrorene russische Vermögenswerte der Ukraine zuzuführen. Laut einem Dokument, das der Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch vorlag, prüft Brüssel zwei Optionen, um die mehr als 200 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Zentralbankguthaben an die Ukraine weiterleiten zu können.

Für die Möglichkeit, die liquiden Mittel der russischen Zentralbank zu investieren und die Erlöse an die Ukraine weiterzuleiten, bestünden erhebliche rechtliche Hindernisse. Deshalb werde eine außerordentliche Abgabe (Windfall Contribution) bevorzugt, bei der Unternehmen, die mit russischen Beteiligungen große Gewinne erwirtschaften, dazu verpflichtet werden sollen, einen erheblichen Betrag an die EU zu überweisen. Dies könnte das rechtliche Risiko verringern, da die EU nicht die russischen Beteiligungen verwalten würde.

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„Alles, was wir in diesem Unterfangen tun, muss also absolut wasserdicht sein“, sagte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg. Die Maßnahme könnte vor europäischen oder amerikanischen Gerichten angefochten werden. „Würde eine dieser Maßnahmen von einem Richter aufgehoben, wäre das eine diplomatische und wirtschaftliche Katastrophe“, warnte Schallenberg.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte am Mittwoch in London, dass die Union vor der Sommerpause Mitte Juli einen Vorschlag für die Verwendung dieser Bestände vorlegen werde. Mehr als die Hälfte der Vermögenswerte bestehe aus Bargeld und Einlagen, während ein „erheblicher Teil“ des Rests in zwei bis drei Jahre laufende Wertpapiere angelegt sei.

Eine spektakuläre „Fehlbuchung“ hatte das amerikanische Verteidigungsministerium am Dienstagabend gemeldet. Das Pentagon teilte mit, dass es aufgrund von Buchhaltungsfehlern 6,2 Milliarden US-Dollar mehr als ursprünglich geplant für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeben könne.

Im Geschäftsjahr 2022 habe sich das Verteidigungsministerium um 2,6 Milliarden US-Dollar und im Geschäftsjahr 2023 um weitere 3,6 Milliarden US-Dollar verrechnet, hatte die stellvertretende Sprecherin Sabrina Singh am Dienstagabend gegenüber Reportern im Pentagon mitgeteilt. Die Militärdienste hätten die Waffenlieferungen an die Ukraine zu „Wiederbeschaffungskosten“ und nicht zum „Nettobuchwert“ verbucht. Die Korrektur sei nun aber „endgültig“. Das Geld werde zurück in das Budget fließen, das für die Ukraine bereitgestellt wurde.

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US-Präsident Joe Biden hat stets erklärt, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten die Ukraine so lange wie nötig gegen die russische Invasion unterstützen werden. Jedoch werden aus Teilen der republikanischen Partei Stimmen lauter, die die steigenden Kosten und die unbestimmte Zeitspanne der Waffenlieferungen kritisieren. Der plötzliche „Fund“ könnte ein leichter Ausweg für die amerikanische Regierung sein.

Die Mitgliedstaaten der EU vereinbarten am Mittwoch, ihren gemeinsamen Militärhilfe-Fonds um weitere 3,5 Milliarden Euro aufzustocken. Seit der russischen Invasion in der Ukraine haben die EU-Staaten somit rund 5,6 Milliarden Euro bereitgestellt.

Die russische Regierung erhob unterdessen schwere Vorwürfe in Richtung Westen. „Die Führung der ukrainischen Streitkräfte plant, russisches Territorium, einschließlich der Krim, mit HIMARS- und Storm-Shadow-Raketen anzugreifen“, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstagabend laut AFP bei einem Treffen mit Militärvertretern. Schoigu drohte mit „sofortigen“ Vergeltungsmaßnahmen: „Der Einsatz dieser Raketen außerhalb der Zone der speziellen Militäroperation bedeutet die volle Einbindung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens in den Konflikt und wird sofortige Angriffe auf Entscheidungszentren in der Ukraine nach sich ziehen“, sagte Shoigu. Bei einem versuchten Angriff der Ukraine habe das russische Militär am Mittwoch drei Drohnen außerhalb von Moskau abgeschossen, teilte das Verteidigungsministerium mit.