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Mikrochips: Zehn Milliarden Euro an US-Hersteller – wird Deutschland zur „Werkbank der Welt“?

Die Ampel hat dem US-Hersteller Intel Subventionen von zehn Milliarden Euro genehmigt oder über eine Million Euro pro Arbeitsplatz. Wird Deutschland dadurch noch abhängiger vom Ausland?

Chipforschung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Chipforschung an der Otto-von-Guericke-Universität MagdeburgKlaus-Dietmar Gabbert/dpa

Der Wettlauf um die besten Mikrochips ähnelt dem Goldrausch im Wilden Westen. In kurzer Zeit werden weltweit Fabriken aus dem Boden gestampft und von den Staaten mit Milliardenbeträgen subventioniert. In Deutschland soll deindustrialisierten Regionen neues Leben eingehaucht werden – neben dem einstigen Kohlerevier im Saarland soll in Ostdeutschland ein Zentrum der Halbleiterindustrie entstehen.

Bislang produzieren die deutschen Konzerne Bosch und Infineon sowie Global Foundries aus den USA Mikrochips in Dresden. Das amerikanische Unternehmen Intel hat angekündigt, 30 Milliarden Euro für zwei Fabriken in der Nähe von Magdeburg hochzuziehen – es wäre die größte Auslandsinvestition in der Geschichte der Bundesrepublik. Dafür soll es nun einen Zuschuss in Höhe von zehn Milliarden Euro vom Staat bekommen, wie die Bundesregierung am Montag beschlossen hat. Die großzügige Förderpolitik lockt weitere Unternehmen an. Weltmarktführer TSMC aus Taiwan hat bereits Interesse bekundet.

Ein Arbeitsplatz für eine Million Euro Subvention? Westen hat die Mikrochip-Entwicklung lange verschlafen

Politiker gehen mit der Aussicht auf steigende Beschäftigtenzahlen hausieren. Intel hat angekündigt, 10.000 Arbeitsplätze in Magdeburg zu schaffen. Land und Kommune freuen sich auf höhere Steuereinnahmen. Die Anschubfinanzierung vom Bund rechne sich langfristig, da die Halbleiter wesentlich für die Modernisierung der Wirtschaft seien, lauten die Argumente.

Das Areal an der Autobahn A14. Dort will der Chiphersteller Intel neue Halbleiter-Fabriken bauen.
Das Areal an der Autobahn A14. Dort will der Chiphersteller Intel neue Halbleiter-Fabriken bauen.Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Viele Wirtschaftsexperten sind hingegen weniger begeistert. Denn die Chips in Deutschland werden nicht primär für die heimische Industrieproduktion benötigt. Unter dem Strich subventioniert Deutschland einen Arbeitsplatz bei Intel in Magdeburg mit einer Million Euro. Hersteller von Handys und Computern im Ausland freuen sich über günstige Importe made in Germany. 

Westliche Unternehmen haben die Entwicklung von Mikrochips lange verschlafen. 1990 stellte Europa 44 Prozent der weltweiten Halbleiter her. Heute liegt dieser Anteil nur noch bei neun Prozent, in den USA sind es zwölf. Die Weltmarktführer sitzen in Asien, allen voran Branchenprimus TSMC in Taiwan. Auslöser für den Chipwettlauf sind steigende globale Rivalitäten: Der Westen will unabhängiger von Produkten aus Asien, insbesondere China, werden. Bei einer Eskalation auf Taiwan – auf der Insel wird 60 Prozent des Weltmarkts hergestellt – würden Lieferketten gesprengt und die globale Industrie empfindlich in Mitleidenschaft gezogen.

Gute Jobs und europäische Maschinen als Gegenleistung für Subventionen

Aber gerade das geopolitische Argument lassen viele Ökonomen nicht gelten. Was, wenn sich das Verhältnis zu den USA verschlechtert? Ein Handelskrieg, wie ihn Donald Trump vom Zaun gebrochen hatte, kann sich leicht wiederholen. Trump hatte Deutschland vorgeworfen, die heimische Industrie massiv zu subventionieren, und hatte der deutschen Exportindustrie mit hohen Zöllen gedroht. Bleibt die Frage, ob wir uns bei der Abhängigkeit von einem Land zum nächsten nicht vom Regen in die Traufe begeben?

Die IG Metall kritisiert, dass die neuen Chipfabriken in Deutschland mit Produktionsanlagen aus Asien bestückt werden. Die Subventionen sollten daran gebunden werden, dass mit europäischen Maschinen in den Werken produziert wird und gute Arbeitsbedingungen herrschen. Andernfalls drohe Deutschland zur „Werkbank der Welt“ abzusteigen. Denn die neu entstandenen Jobs scheinen nicht so modern wie die Hightechprodukte, die in den Fabriken hergestellt werden. Bei Bosch in Dresden klagen die Arbeiter über viele unbezahlte Überstunden und, wie oft üblich, deutlich geringere Entgelte als im Westen. Das geringere Lohnniveau ist leider immer noch ein Standortvorteil Ostdeutschlands. 

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