Wettlauf um Mikrochips

Steuermilliarden für Mikrochips? Robert Habeck will noch mehr Staatsgeld ausgeben

Intel & Co.: Halbleiter-Hersteller fordern Subventionen in Milliardenhöhe – das Wirtschaftsministerium ist zahlungsbereit. Experten halten die Strategie für gescheitert.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der symbolischen Grundsteinlegung des Infineon-Werks in Dresden.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der symbolischen Grundsteinlegung des Infineon-Werks in Dresden.Robert Michael/dpa

Der Wettlauf um die Vorherrschaft in der Mikrochipindustrie läuft. Wer über die modernste Halbleitertechnik verfügt, liegt vorne bei der Produktion von E-Autos bis zur Militärtechnik. Spätestens seit August 2022 ist ein offener Wettstreit ausgebrochen, denn die amerikanische Regierung hat mit dem Chips and Science Act und dem Inflation Reduction Act ein bis zu 400 Milliarden US-Dollar umfassendes Subventionsprogramm aufgelegt, in dem Investitionen und Steuererleichterungen für die Ansiedlung der Halbleiterbranche vorgesehen sind.

Brüssel hat im kleinen Stil nachgezogen und will im Rahmen des European Chips Act mit bis zu 43 Milliarden Euro Halbleiterfabriken in der Wirtschaftsunion ansiedeln. Bis 2030 sollen 20 Prozent aller Mikrochips aus Europa kommen. Das wäre mehr als das Doppelte des heutigen Weltmarktanteils.

Deutsche Wirtschaft hält wenig von EU-Chipplänen

Die Wirtschaft hält nur wenig von der EU-Strategie. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist der Meinung: „Mit dem EU Chips Act gelingt der EU nicht die angestrebte Aufholjagd.“ Brüssel hätte „deutlich mehr Finanzmittel“ bereitstellen müssen. Statt den Abstand zu den USA zu verringern, werde Europa als Halbleiter-Region weiter an Boden verlieren, erklärt der BDI.

Dennoch werden in Deutschland Chiphersteller mit hohen Subventionen gelockt. Die Amerikaner von Wolfspeed sollen für ihr Werk im Saarland eine halbe Milliarde Euro an finanzieller Förderung vom Staat erhalten. Für den Münchner Produzenten Infineon, der in Dresden eine Chipfabrik hochzieht, soll es eine Milliarde Euro sein und der Halbleiterhersteller Intel aus den USA, der zwei Fabriken in Magdeburg errichten will, hat sogar eine Zusage über 6,8 Milliarden Euro erhalten.

Habeck will mehr Geld vom Staat für Intel freigeben

Intel will sich sein Engagement in Deutschland vergolden lassen. Wegen der gestiegenen Bau- und Energiekosten verlangt der Chipproduzent mittlerweile zehn Milliarden Euro vom deutschen Staat. Der Baustart wurde ins nächste Jahr verzögert. Längst ist eine Debatte um die Sinnhaftigkeit der Subventionen entbrannt.

Bund und Land halten dennoch an ihrer Strategie fest. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte dem MDR, er halte es für extrem wichtig, Intel und die Halbleiterproduktion in Deutschland anzusiedeln. Die Unterstützung der Bundesregierung sei hoch und ungebrochen. „Es ist, glaube ich, ein offenes Geheimnis, dass die Produktionskosten für alles noch mal höher geworden sind und dass wir für die zusätzlichen Kosten noch die Gelder im Haushalt finden müssen“, sagte er dem MDR.

Um die Energiekosten für den Konzern zu senken, erwägt Habeck eine eigene Stromversorgung für Intel aufzubauen. Auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt scheint klein beigeben zu wollen. „Es ist logisch, dass, wenn das Ausmaß der Investition erhöht wird, auch das Niveau der Subvention steigen wird“, sagte Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) der Financial Times.

Experte: Besser Geld für Bildung als für Mikrochips

Für den Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Reint E. Gropp, ist die Haltung der Landesregierung verständlich. Schließlich schielt Magdeburg auf bis zu 3000 Jobs. Aber es handele sich um Steuergeld, und das sei andernorts besser investiert. Historische Beispiele von Subventionswettläufen hätten gezeigt, dass letztlich alle Beteiligten schlechter dastünden.

„Am Ende ist es besser, die subventionierten Chips aus Amerika zu kaufen“, sagt Gropp im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Während die Mikrochips im Saarland und Dresden wenigstens für die deutsche Industrie benötigt werden, finden die Halbleiter-Modelle von Intel aus Magdeburg weder Verwendung in der deutschen Autoindustrie noch im Maschinenbau. „Intel produziert Chips, die für Computer und Handys benötigt und nicht in Deutschland hergestellt werden“, fasste es der Ökonom zusammen.

„Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben“, sagt Gropp. Wirtschaftswachstum werde es am Ende nur dann geben, wenn die Subventionen in Forschung und Entwicklung investiert werden. Ein kluger Weg wäre es, die in Deutschland notorisch sehr knapp finanzierten Universitäten und andere Forschungseinrichtungen mit mehr Geld auszustatten. Denn diese seien im internationalen Vergleich größtenteils nicht wettbewerbsfähig. „Finanzielle Unterstützung für Forschung und Entwicklung ist sinnvoller als Steine für eine Fabrik zu bezuschussen“, findet der Präsident des IWH.

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