Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrer Sitzung am Donnerstag eine Anhebung der Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte beschlossen. Seit Juli vergangenen Jahres hat die EZB sechsmal in Folge die Zinsen im Euroraum erhöht. Der Leitzins im Währungsraum liegt nun bei 3,75 Prozent. Die beiden anderen Zinssätze erhöhte die EZB am Donnerstag ebenfalls um 0,25 Punkte auf 4,0 Prozent beziehungsweise 3,25 Prozent. Dabei handelt es sich um die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität zur kurzfristigen Beschaffung von Geld sowie für die Einlagefazilität, wenn Banken ihr Geld bei der EZB einlagern.
Die Inflation in der Eurozone werde nach aktuellen Prognosen „noch zu lange zu hoch bleiben“, erklärte die EZB in einer Mitteilung. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main, sie hoffe, dass es bei den Lebensmittelpreisen zu einer Entspannung kommen werde. Es sei jedoch nicht möglich, genaue Vorhersagen zu machen.
Die Inflation im Euroraum ist im April wieder angestiegen. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 7,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im März war die jährliche Teuerungsrate deutlich von 8,5 Prozent auf 6,9 Prozent gesunken. Allerdings liegt die Inflation damit noch meilenweit von der EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Der frühere EZB-Chef Mario Draghi hatte diese Marke vor vielen Jahren ausgerufen und gesagt, dass die zwei Prozent eine Art Mittelwert seien. Er räumte damals sein, dass wegen der lange Zeit niedrigen Inflation auch eine Phase kommen könnte, in der die Inflation dauerhaft hoch bleibe.
Zuvor hatte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins am Mittwoch ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte angehoben. In den USA liegt der Leitzins nach der jüngsten Zinsanhebung in einem Korridor von 5,0 bis 5,25 Prozent. Die jüngste Entscheidung war die zehnte Erhöhung in Folge. Auf ein vorläufiges Ende der Erhöhungen wollte sich Fed-Chef Jerome Powell nicht festlegen. „Unsere Geldpolitik hängt von den kommenden Entwicklungen ab. Wir sind bereit, noch mehr zu tun, falls eine geldpolitische Straffung geboten sein sollte.“ Deutlicher wurde er bei der Frage, ob absehbar Zinssenkungen möglich seien. Das sei aktuell keine Option, betonte Powell.
Im Fokus der Zentralbank stehen naturgemäß die Turbulenzen bei Banken in den USA und in Europa. Christine Lagarde sagte im Hinblick auf die Zwangsübernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS, die Schwierigkeiten der CS hätte sich schon lange abgezeichnet. Die Schweizer Regierung habe am Ende keine Alternative zur vollzogenen Fusion gehabt. Lagarde sagte, es sei gut, dass Investoren nun wüssten, dass sie das Risiko für ihre Investments zu tragen hätten. Lagarde erwartet nicht, dass es bei europäischen Banken Liquiditätsengpässe geben könne und verwies auf die Instrumente der EZB, den Banken genau in einer solchen Lage zu helfen. EZB-Gouverneur Luis de Guindos sagte auf der Pressekonferenz, die europäischen Banken befänden sich in wesentlich besserem Zustand als die amerikanischen Institute. Er erwarte keine Ansteckung durch die Ereignisse in den USA.
Unmittelbar vor der EZB-Entscheidung war bekannt geworden, dass nun auch die kalifornische Regionalbank PacWest ums Überleben kämpft. Die PacWest-Aktien stürzten am Donnerstagmorgen um mehr als 40 Prozent ab. Die Bank hatte am Mittwoch bekannt gegeben, sie prüfe alle strategischen Optionen von einem Verkauf bis zu einem Teilverkauf. Fast wortgleich hatten erst vor wenigen Wochen andere US-Banken ihr Ende eingeleitet. Die First Republic war schließlich von der größten US-Bank, JPMorgan Chase, geschluckt worden. Die Aktionäre verloren ihre kompletten Investments. Die Aktie der PacWest war am Mittwoch im nachbörslichen Handel um 60 Prozent eingebrochen. Die Bank hat laut Medienberichten die Boutique-Investmentbank Piper Sandler beauftragt, ihr bei der Erkundung strategischer Optionen, einschließlich eines Verkaufs, zu helfen. Es sei noch kein formeller Verkaufsprozess eingeleitet worden. Die Bank erwäge auch die Aufnahme von neuem Kapital. PacWest hatte erst kürzlich die Märkte zu beruhigen versucht, indem sie bekannt gab, dass sich der Abfluss von Kundengeldern verlangsamt hatte.



