Europa

Nicht genug ausgegeben: EU widmet Corona-Geld für Rüstung um

Die EU macht eine Milliarde Euro für die Rüstungsindustrie locker. Kommen soll das Geld unter anderem aus dem Corona-Rettungsfonds.

Ursula von der Leyen in Dresden. 
Ursula von der Leyen in Dresden. Imago Images

Die europäische Rüstungsindustrie soll mit finanziellen Anreizen in Milliardenhöhe zu einem schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten für Munition bewegt werden. Einem am Mittwoch von der EU-Kommission präsentierten Vorschlag zufolge sollen bis Mitte 2025 bis zu 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Weitere 500 Millionen würden den Planungen zufolge als Kofinanzierung von den Mitgliedstaaten kommen. Das Programm nennt sich „Act in Support of Ammunition Production (ASAP)“. Das Geld soll „hauptsächlich“ verwendet werden, um die „Produktionskapazität zu erhöhen“ und die „Umrüstung“ alter Munition zu finanzieren, sowie als Anreiz, Lieferungen in die Ukraine gegenüber anderen Verträgen zu priorisieren. Das sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton dem Magazin Politico. Die Gelder werden aus verschiedenen Töpfen eingespeist: „Zusätzlich zum direkten Haushalt stellen wir auch Mittel aus den Kohäsionsfonds bereit“, sagte Breton dem Magazin, „und auch die RRF (Recovery and Resilience Facility Funds) für die Mitgliedstaaten, die ihre Rüstungsindustrie kofinanzieren möchten.“ Breton argumentierte, dass dies „hoffentlich den Zugang zu privater Finanzierung, entweder über die Europäische Investitionsbank oder von privaten Banken, wieder ankurbeln wird“. Das Anzapfen des Corona-Rettungsfonds RRF liegt aus EU-Sicht naheliegend, weil erhebliche Summen aus dem Fonds bisher nicht abgerufen wurden. Die Förderung der Rüstungsindustrie verhindert, dass die ungenutzten Gelder nicht ausgegeben werden.

Hintergrund der Maßnahme ist der Munitionsmangel in der Ukraine. Die EU will sicherstellen, dass die Ukraine in der Lage bleibt, sich gegen den russischen Angriff zu verteidigen. In den vergangenen Monaten hatte es Engpässe bei der Munition gegeben, mehrere EU-Staaten konnten nicht helfen, weil Munition in ihren Beständen knapp geworden war. „Die Beträge, die nun vorgesehen sind, reichen eindeutig aus, um dieses Ziel zu erreichen“, sagte Breton und argumentierte, dass „eine der großartigen Erkenntnisse“ seiner Rüstungstour durch die EU-Produktionsstätten darin bestand, dass europäische Unternehmen – insbesondere im Osten – bereits über die erforderliche Infrastruktur verfügen, um große Mengen an schwerer Munition herzustellen. Breton sagte am Mittwoch, er sei zuversichtlich, dass man die Produktionskapazitäten in Europa innerhalb von zwölf Monaten auf eine Million Schuss pro Jahr steigern könne. Die industrielle Basis müsse man nun beleben, um sie an die Bedürfnisse des Konflikts anzupassen: „Wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“, sagte Breton.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Plan bereits am Dienstagabend am Rande eines Treffens mit dem neuen tschechischen Präsidenten Petr Pavel in Prag angekündigt. Es drehe sich derzeit alles „um Geschwindigkeit, Geschwindigkeit, Geschwindigkeit“, so von der Leyen. Die gesamte Unterstützung der Mitgliedstaaten der EU für Kiew beläuft sich laut von der Leyen auf über 68 Milliarden Euro. Pavel, ein ehemaliger Nato-General, würdigte von der Leyens langfristige Unterstützung für die Ukraine. Im Hinblick auf den EU-Beitritt der Ukraine sagte er laut Euractiv: „Wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, aber wir sind bereit, weiterzumachen und der Ukraine zu helfen, alle Hindernisse zu überwinden.“

Über den Vorschlag der EU-Kommission müssen nun die EU-Staaten und das Europaparlament beraten. Man setze auf eine rasche Verabschiedung noch vor dem Sommer, teilte die Kommission am Mittwoch mit.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Mittwoch überraschend zu einem Besuch beim jüngsten Nato-Mitglied Finnland eingetroffen. Selenskyj nehme an einem Gipfel der nordischen Länder teil, gab die finnische Präsidentschaft am Mittwoch bekannt. Wegen des Kriegs in der Ukraine war Selenskyj bisher nur sehr selten zu Besuchen im Ausland, darunter in Polen und in den USA. (mit dpa und AFP)