Bundeskanzler Olaf Scholz ist der Auffassung, dass die Bundesregierung auf eine Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China setzen sollte. „Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkopplung von China“, sagte Scholz am Dienstag nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen bei einem gemeinsamen Auftritt mit Ministerpräsident Li Qiang im Kanzleramt. Der Zugang zum chinesischen Markt sowie faire Wettbewerbsbedingungen für Deutschland und andere ausländische Unternehmen blieben eine Herausforderung, bei denen man auf konkrete Verbesserungen dringe, ergänzte Scholz.
Als einflussreiche Mächte sollten China und Deutschland enger zusammenarbeiten, wird Li Qiang in chinesischen Medien zitiert. China sei bereit, mit Deutschland zusammenzuarbeiten, „um die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Ebene zu heben“, hieß es.
Deutschland und China versuchen aktuell, einen eigenständigen Kurs in den Beziehungen zu entwickeln. Beide fürchten neue Spannungen zwischen Washington und Peking, die unter Umständen zu neuen Sanktionen gegen China führen könnten. Dadurch würde die Zusammenarbeit erheblich beeinträchtigt. Passend zu den Spannungen wurde ausgerechnet am Tag der gemeinsamen Pressekonferenz der Regierungschefs der neue Verfassungsschutzbericht veröffentlicht, in dem vor massiver Wirtschaftsspionage aus China gewarnt wird.
Ohne auf konkrete Vorwürfe gegen China einzugehen, betonte Scholz die Bedeutung der Achtung der Menschenrechte bei der Herstellung von Produkten und in der Lieferkette. Verbraucher auf der ganzen Welt würden immer genauer darauf achten, wie Produkte hergestellt würden. „Würdige Produktionsbedingungen und damit verbunden Verbesserungen der Menschenrechtslage sind in unser beider Interesse.“
Scholz bekräftigte nach dem Treffen mit Li, Deutschland setze „auf eine aktive Verbreiterung unserer Wirtschaftsbeziehungen nach Asien“. Sein Land wolle sich „nicht gegenüber einem Partner verschließen“, strebe aber „ausgewogene Partnerschaften in ganz Asien und darüber hinaus“ an. Beide Seiten signalisierten die Bereitschaft, auch im Bereich des Klimaschutzes enger zusammenzuarbeiten. Unterzeichnet wurde eine Absichtserklärung zur Einrichtung eines Klima- und Transformationsdialogs. Die Erklärung hat jedoch keinen bindenden Charakter.
Im November soll es laut Scholz ein deutsch-chinesisches Umweltforum auf Ministerebene geben. Schon am Montag hatten beide Seiten demnach eine Absichtserklärung zu Elektro- und Wasserstoffmobilität unterzeichnet. Grüne Technologien könnten ein wichtiges Kooperationsfeld für beide Seiten sein, sagte Li. Peking lege „großen Wert“ auf die Entwicklung der Beziehungen zu Deutschland und der EU. Er verwies darauf, dass es international an Wachstumsdynamik fehle, und forderte, Lieferketten aufrechtzuerhalten. China und Europa könnten von der jeweiligen Entwicklung profitieren. Geplant ist laut Scholz auch ein dritter hochrangiger deutsch-chinesischer Finanzdialog in Berlin.
Scholz appellierte außerdem an die chinesische Regierung, ihren Einfluss auf Russland im Ukraine-Konflikt noch stärker geltend zu machen. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat „trägt China hier eine ganz besondere Aufgabe“, sagte Scholz. Auch im Rahmen der G20 „sollten wir hierzu gut zusammenarbeiten“, sagte Scholz. Es sei „wichtig, dass China weiter keine Waffen an den Aggressor Russland liefert“, sagte der Kanzler. Dankbar sei er für den gemeinsamen Standpunkt, dass es weder Drohungen mit noch einen Einsatz von Atomwaffen geben dürfe. Zu einem möglichen Frieden in der Ukraine sagte Scholz, dieser dürfe nicht ohne Berücksichtigung der Rechte der Ukraine erfolgen, nämlich dem Recht auf territoriale Integrität und Souveränität. „Kein Land darf andere Länder als seinen Hinterhof betrachten und mit Gewalt versuchen, Grenzen zu verschieben“, sagte Scholz. „Imperialismus ist nie die Lösung.“
China hat sich den Sanktionen des Westens nicht angeschlossen, sondern vielmehr seine Wirtschaftsbeziehungen mit Russland ausgebaut: Die chinesischen Importe von russischem Öl haben im vergangenen Monat einen neuen Höchststand erreicht. Im Mai importierte China 9,71 Millionen Tonnen Öl aus Russland, wie aus am Dienstag veröffentlichten Daten des chinesischen Zolls hervorgeht. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar des vergangenen Jahres haben sich die Einfuhren demnach nahezu verdoppelt.


