Geopolitik

China in Berlin: Besuch bei guten Kunden

Deutschland bezieht mehr Waren als es nach China liefert. In China selbst verliert Deutschland dagegen an Boden. 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) empfängt den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang im Schloss Bellevue. 
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) empfängt den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang im Schloss Bellevue. Kay Nietfeld/dpa

Pünktlich zum Beginn der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen gab es am Montag eine Erfolgsmeldung über ein in den vergangenen Monaten höchst umstrittenes Projekt: Nach langen und kontroversen politischen Debatten wurde der Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen endgültig besiegelt. Wie der Terminalbetreiber HHLA mitteilte, wurde der Vertrag am Montag unterzeichnet. Der Deal sichert Cosco eine 24,99-prozentige Beteiligung an dem Terminal Tollerort. Es ist eines von vier Containerterminals im Hamburger Hafen.

Die Bundesregierung hatte den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns im Oktober trotz breiter politischer Bedenken prinzipiell erlaubt. Auf Druck mehrerer Ministerien wurde Cosco aber nur die Minderheitsbeteiligung von weniger als 25 Prozent gestattet. Nach letzten Prüfungen der Verträge gab die Bundesregierung dann im Mai endgültig grünes Licht für die Transaktion.

Xi empfängt Blinken

Von Michael Maier

19.06.2023

Die Nachricht der Vertragsunterzeichnung kam gewissermaßen als Begleitmusik zum Deutschland-Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang, der im Lauf der Woche nach Frankreich weiterreisen wird. Li wurde am Montagvormittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen. In seiner Grußbotschaft an die Deutschen sagte Li laut autorisiertem Pressetext: Trotz ungünstiger Faktoren wie der Pandemie und der geopolitischen Lage hätten die deutsch-chinesischen Beziehungen auch in den vergangenen Jahren „stets Fortschritte“ gemacht, „bei einer sich ständig vertiefenden Kooperation“. China sei nun bereits im siebten Jahr in Folge Deutschlands weltweit größter Handelspartner, während Deutschland seit 48 Jahren Chinas größter Handelspartner in Europa sei. Die chinesische Seite sei „bereit, sich im Geiste von gegenseitigem Respekt, Suche nach Gemeinsamkeiten trotz Unterschieden und Win-win offen und intensiv mit der Bundesregierung auszutauschen, Kooperationspotenzial auszuschöpfen, Unterschiede und Differenzen angemessen anzugehen und unsere umfassende strategische Partnerschaft inhaltlich zu bereichern, um damit ein starkes, positives Signal für eine stabile, internationale Industrie und Lieferketten sowie Weltfrieden und -prosperität zu senden“. Die Menschen in China und Deutschland sollten „die Tradition der Freundschaft hochhalten, Austausch und Kooperation intensivieren, Intelligenz bündeln, Herausforderungen überwinden und Chancen beim Schopfe ergreifen“.

Thema des Gesprächs mit Steinmeier war einer Sprecherin zufolge unter anderem das Verhältnis Chinas zu den USA. Steinmeier habe „die besondere Bedeutung der Beziehungen beider Staaten für die weltweite Sicherheit und Zusammenarbeit“ betont, schrieb die Sprecherin im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der Bundespräsident warb demnach „für die Stärkung der Kommunikationskanäle zwischen beiden Ländern“. Diese Aufforderung hatte eher notariellen Charakter, denn bereits zuvor hatte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping den amerikanischen Außenminister Antony Blinken in Peking empfangen. Die Europäer müssen sich in dem Konflikt zwischen den beiden Supermächten positionieren, was ihnen nicht leichtfällt, da Deutschland im Grunde auf die Partnerschaft mit China nicht verzichten kann. China sei der größte Warenhandelspartner Deutschlands, betonte das Bundespräsidialamt zur Visite von Ministerpräsident Li. „Die Zusammenarbeit bleibt wichtig, hat sich aber in den vergangenen Jahren verändert“, hieß es. China sei für Deutschland und Europa „ein Partner, aber auch zunehmend Konkurrent und Rivale auf der politischen Bühne“.

Das deutsch-chinesische Verhältnis erfährt momentan eine signifikante Verschiebung der Gewichte im Hinblick auf die Handelsbilanz: Während China als Beschaffungsmarkt seit Jahren tendenziell wichtiger wird, hält der Absatz deutscher Produkte dort mit der Entwicklung nicht Schritt. So war China noch 2020 und 2021 zweitwichtigstes Zielland für deutsche Exporte, bevor es im vorigen Jahr laut vorläufigen Daten auf Rang vier abrutschte.

Der deutsche Importüberschuss ist nach Angaben des Bundesamts für Statistik im Jahr 2022 auf einen neuen Spitzenwert von rund 85 Milliarden Euro gestiegen. Während China im vergangenen Jahr bei den Importen mit einem Volumen von 192 Milliarden Euro der mit Abstand wichtigste Handelspartner Deutschlands war, sah das bei den Exporten anders aus: Die USA, Frankreich und die Niederlande nahmen mehr deutsche Waren ab als China.

Steinmeier forderte China laut einer Sprecherin auf, im Ukraine-Krieg „sein weltpolitisches Gewicht und seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um auf einen gerechten Frieden hinzuwirken“.

Li trifft am Montagabend Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt zu einem gemeinsamen Abendessen. Am Dienstag finden nach einem Empfang mit militärischen Ehren durch Scholz die siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen unter dem Titel „Gemeinsam nachhaltig handeln“ statt. (mit AFP und dpa)