Die Sommerpause ist zu Ende, alle sind zurück aus dem Urlaub – und schon wird in der Linkspartei erneut erbittert gestritten. Dieses Mal allerdings könnte die Krise ernster werden, das sagen selbst altgediente Parteikämpen. Natürlich nicht offiziell. Gleich zwei prominente Mitglieder sind in dieser Woche aus der Partei gleich ganz ausgetreten, weitere könnten folgen. Das macht viele nervös.
Stein des Anstoßes war die Bundestagsrede von Wagenknecht in der vergangenen Woche, in der sie die Ampelkoalition als die „dümmste Regierung in Europa“ bezeichnete und ihr unter anderem vorwarf, einen Wirtschaftskrieg gegen Russlands Präsidenten Putin angezettelt zu haben. Direkt danach war ein Sturm der Entrüstung losgegangen, der sich auch nach Tagen nicht beruhigt hat.
Für die meisten in der Partei ist die zerstrittene Bundestagsfraktion schuld an der aktuellen Misere. Dort habe man es nicht verstanden, Wagenknecht von der Rede abzubringen. Andere wiederum sagen, dies sei nur ein Anlass, um alte Rechnungen mit der umstrittenen prominenten Frontfrau zu begleichen. Abfällig-verzweifelte Bezeichnungen wie „Gurkentruppe“ hört man aus beiden Lagern. Offiziell reden will so gut wie niemand, doch die Erbitterung ist groß, dass sich die Partei gerade jetzt ausgiebig mit sich selbst beschäftigt, während sie als Oppositions- und auch als Protestpartei gerade in der Energiekrise gebraucht werde.
So ähnlich sieht es auch der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch. „Wir müssen die soziale Opposition gegen die desaströse Ampelpolitik sein“, sagte er am Mittwoch der Berliner Zeitung. „Das ist es, was viele Menschen von uns erwarten. Die Debatte darüber, einzelne Mitglieder auszuschließen, oder gar Spaltungsversuche bringen uns nicht voran.“
Der Parteivorsitzende Martin Schirdewan dagegen nimmt die Fraktionsführung in die Pflicht. Es sei ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederhole, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe im Hinblick auf die Rede Wagenknechts. Der Austritt der prominenten Mitglieder schmerze sehr, so Schirdewan. „Die Missachtung demokratischer Beschlüsse bei Auftritten im Namen der Fraktion durch einzelne Abgeordnete schadet unserer Partei massiv.“

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, hatte seinen Austritt am Montag explizit mit der Rede Wagenknechts begründet. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi, der am Dienstag austrat, nannte das „eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei“ als Grund.
Sahra Wagenknecht dagegen verteidigte ihre Rede. „Ich habe selten nach einer Rede so viel Zustimmung aus der Bevölkerung erhalten wie in diesem Fall“, sagte die frühere Fraktionsvorsitzende am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Wer ein Problem damit hat, die Regierung scharf anzugreifen und ihr ihre katastrophale Politik vorzuwerfen, die Millionen Menschen mit Armut und sozialem Abstieg bedroht, hat nicht begriffen, was Aufgabe einer linken Oppositionspartei ist.“ Für den Parteivorsitzenden Schirdewan fand sie ebenfalls deutliche Worte: „Ein Parteivorsitzender, der das Paralleluniversum seiner Twitter-Blase mit der Stimmung in der Bevölkerung verwechselt, ist eine Fehlbesetzung“, sagte sie laut Zeit Online.
Streit in der Linkspartei: Abgeordnete fordern Ende der Nabelschau
In den Bundesländern schüttelt man den Kopf über die Kollegen im Bundestag. Carsten Schatz, Fraktionsvorsitzender der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, unterstützte Parteichef Schirdewan. Man habe auf dem Parteitag eine klare Linie beschlossen, auf der man sich in Berlin weiterhin befinde, sagte Schatz der Berliner Zeitung am Mittwoch. Dazu gehörten einerseits die Forderungen nach Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger angesichts hoher Energiepreise, andererseits die volle Solidarität mit der Ukraine und bei den Protesten auf der Straße eine klare Abgrenzung nach rechts. „An dieser Stelle darf es kein Wackeln geben“, so Schatz. Angesichts der Rede von Sahra Wagenknecht sieht er „Klärungsbedarf in der Bundestagsfraktion“.
Der brandenburgische Landeschef der Linken, Sebastian Walter, fordert von seiner Partei ein Ende der Selbstbeschäftigung. „Die Menschen in diesem Land erwarten von uns, dass wir uns um ihre Probleme kümmern, nicht um unsere eigenen Befindlichkeiten“, sagte Walter am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.






