Schlechte Nachrichten für die Politik: In Deutschland ist nur noch eine kleine Minderheit der Meinung, dass es hierzulande gerecht zugeht. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Freitag veröffentlicht wird.
Danach sind gerade mal 17 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Meinung, dass es in Deutschland Verteilungsgerechtigkeit gibt. Knapp ein Drittel (27 Prozent) glaubt, dass es zwischen Jung und Alt gerecht zugeht. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Auskommen ist etwas größer: 35 Prozent geben an, dass ihre finanzielle Situation gerecht sei. Aber nur 9,2 Prozent aller Befragten glauben, dass wirtschaftliche Gewinne in Deutschland gerecht verteilt werden.
Auch in die Politik ist das Vertrauen gering. Zwar glauben 78 Prozent der Befragten grundsätzlich an die Demokratie, doch nur 24,5 Prozent setzen Vertrauen in die Politikerinnen und Politiker. Insbesondere ältere oder einkommensschwache Menschen fühlen sich von ihnen nicht vertreten, ebenso Menschen, die auf dem Land leben.
„Wir haben schon seit längerer Zeit in Zusammenhang mit anderen Befragungen festgestellt, dass das Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland nur schwach ausgeprägt ist“, sagt der Co-Autor der Studie, Kai Unzicker, Soziologe und Senior Project Manager von der Bertelsmann-Stiftung. Man habe diesen Aspekt daher noch einmal näher erforschen wollen.
So wurden Ende des vergangenen Jahres zusammen mit dem Münchner Ifo-Institut 4900 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren online befragt. Die Ergebnisse sind dabei eindeutig: Drei Viertel aller Befragten sind der Meinung, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich verringert werden müssen. Allerdings wollen dafür nur 37 Prozent auch höhere Steuern zahlen.
Interessant ist, dass es gerade die Geringverdiener sind, die eher bereit wären, mehr beizutragen, wenn dadurch die Gesellschaft gerechter würde. Je höher das Einkommen ist, desto geringer ist die Bereitschaft, etwas abzugeben. Dieses Ergebnis korreliert mit einem anderen der Studie: Danach sind Menschen mit hohem Bildungsgrad und Gutverdiener eher der Ansicht, dass es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht, als jene, die sozial und ökonomisch schlechter dastehen.
Bedenklich ist, dass viele Befragte von ihrer Meinung auch dann nicht abrücken, wenn ihnen Fakten präsentiert werden, die ihrer These eigentlich widersprechen. Dies ermittelten die Forscher mit einem Experiment. Die Befragten wurden zunächst nach ihren Einschätzungen zu Altersstruktur und Vermögensverteilung in Deutschland befragt. Bei einer weiteren Befragung erhielten sie Zahlen zur Demografie und über die tatsächliche Vermögensverteilung, die weit ungleicher war, als von ihnen eingeschätzt.
Eine dritte Befragung förderte nun Erstaunliches zutage: Während die politisch eher links orientierten Menschen weitgehend bei ihren Einschätzungen blieben, revidierten die politisch eher rechts Stehenden ihre Meinung – aber auf paradoxe Weise. Sie stuften die Generationen- und die Vermögensgerechtigkeit nun sogar höher ein als eine Kontrollgruppe.




