Kommentar zur Kabinettsklausur

Die Ampel muss ihre Grabenkämpfe beenden und endlich liefern

Das Kabinett trifft sich zwei Tage zur Klausur und verkündet hinterher nur allgemeine Versprechen. Das ist zu wenig angesichts der momentanen Krise.

Drei Männer im Jackett, viel guter Wille und wenig Konkretes: Christian Lindner, FDP-Bundesminister der Finanzen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck, grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (v. l.) vor Schloss Meseberg.
Drei Männer im Jackett, viel guter Wille und wenig Konkretes: Christian Lindner, FDP-Bundesminister der Finanzen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck, grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (v. l.) vor Schloss Meseberg.Kay Nietfeld/dpa

Erinnert sich noch jemand an das berühmte Zitrus-Selfie? Das war im vergangenen Jahr, die Bundestagswahl lag erst einige Tage zurück. Klar war damals erst, dass CDU und CSU abgewählt waren, auch wenn es ihren Politikern erst später aufging. Das neue Regierungsbündnis lag noch im Ungefähren, da tauchte in den sozialen Medien ein Foto auf, das Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck zeigte, die Spitzenpolitiker von FDP und Grünen, die sich eigentlich erst für den nächsten Tag zum Gespräch verabredet hatten.

Das Foto wurde zeitgleich auf ihren Accounts veröffentlicht. Es war kein spontaner Schnappschuss, sondern ein klares Zeichen des Selbstbewusstseins: Die beiden Kleineren verständigen sich schon mal, hieß das.

Dachte man damals noch, dass sich die SPD warm anziehen muss, ist man heute froh, dass Olaf Scholz mit unerschütterlichem Optimismus die Streithähne moderiert. Nicht mal ein Jahr nach dem berühmten Selfie und der spektakulären Annäherung sind die Buddies von einst die Streithähne der Koalition. Am Mittwoch sprach der Bundeskanzler unbeirrt von der guten und konstruktiven Atmosphäre während der Kabinettsklausur in Meseberg. „Wir haben die Gelegenheit genutzt, uns noch einmal unterzuhaken“, sagte er. Man kann sich das nur sehr schwer bildlich vorstellen. Aber es ist schön, dass er es sagt.

Die Konkurrenz zwischen Grünen und FDP ist verständlich, schließlich werben beide um die annähernd gleiche Wählerschaft. Man hat das bei der Bundestagswahl gesehen: Erstwählerinnern und -wähler votierten mehrheitlich für eine der beiden Parteien. Doch leider haben es die beiden Parteien in nicht mal einem Jahr geschafft, aus dem Wettbewerb einen kleinlichen Grabenkampf zu machen.

Beim Tankrabatt rüffelt der grüne Wirtschaftsminister den liberalen Finanzminister und fordert Nachbesserungen. Der Finanzminister wiederum rächt sich bei der – wirklich verkorksten Gasumlage – aus dem Wirtschaftsministerium. Das mag einen gewissen Unterhaltungswert haben, aber angesichts der realen Existenzsorgen vieler Menschen wirken die gegenseitigen Stänkereien zunehmend abstoßend.

Die Kabinettsklausur in Meseberg kam daher also gerade zu rechten Zeit, auch wenn sie schon länger in den Kalendern der Koalitionäre stand. Dort saßen wenigstens mal wieder alle an einem Tisch statt übereinander in den Medien zu lästern. Es soll ein neues „wuchtiges“ Entlastungspaket geben, versicherten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner bei ihrer gemeinsamen Abschluss-Pressekonferenz. Das war aber auch das Mindeste, was man erwarten konnte, denn am Mittwoch liefen mit dem Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket  zwei entscheidende Erleichterungen aus.

Ob es dafür wenigstens annähernden Ersatz gibt, ist unklar. Stattdessen wurde von Lindner und Habeck am Mittwoch wortreich eine Reform des Strommarktes angekündigt. Die ist auch wichtig, aber megakompliziert und kurzfristig schon gar nicht zu haben. Was schlicht bedeutet: So schnell wird es nicht billiger werden.

Wir Bürger warten daher weiter auf Ergebnisse. So banal das ist, aber auf die kommt es in der Politik vor allem an. Es wäre schön, wenn sich das die Koalitionäre beim gemeinsamen Unterhaken in Meseberg auch mal klargemacht haben.