Die größte Übertreibung kommt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gleich am Anfang über die Lippen. Es ist Montagabend, am nächsten Morgen geht es mit dem Bundeskabinett zur Klausursitzung nach Meseberg. Doch jetzt sitzt Habeck mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einem Podium im Hof seines eigenen Ministeriums, um über die Herausforderungen des Klimawandels in Europa zu sprechen. Eigentlich.
Aber natürlich geht es auch hier erst mal um die Gasumlage, die sich gerade zum größten Flop in Habecks noch kurzer Amtszeit entwickelt. Aber das sagen die anderen. Von handwerklichen Fehlern ist die Rede. Habeck ist anderer Meinung.
Er gibt sich ungerührt in dieser Angelegenheit. Moderatorin Anne Gellinek fragt ihn gleich als Erstes, ob er das Wort „Gasumlage“ überhaupt noch hören könne. „Ja natürlich“, sagt Habeck, und noch bevor das Publikum ungläubig schnaubt, spult er gleich noch mal die bekannten Argumente dafür herunter. „Die Gasumlage ist ein solidarisches Instrument, das die Kosten für die Energie vorzieht und auf die Bevölkerung verteilt“, sagte er. Ein Verzicht darauf hätte den Zusammenbruch der Gasversorgung bedeutet.
Natürlich sei es misslich, dass das Gesetz auch für Unternehmen gelte, die Gewinne machen. Satte Gewinne. Dagegen müsse es jetzt eine rechtlich wasserfeste Lösung geben, versichert Habeck. Wann die kommt, sagt er nicht. Es fragt ihn auch keiner.
Stattdessen wendet Gellinek sich Ursula von der Leyen zu und merkt spitz an, dass sie bei der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage auch nicht gerade geholfen habe. Die CDU-Politikerin zuckt bedauernd die Schultern, gibt Habeck aber in einer anderen Angelegenheit Schützenhilfe. Die Übergewinnsteuer, so von der Leyen, spiele europaweit „eine ganz wichtige Rolle bei der Entlastung der vulnerablen Gruppen“, sagt sie.
Die Übergewinnsteuer ist der zweite große Streitpunkt in der Energiepolitik der Bundesregierung. Während Grüne und zumindest Teile der SPD es für eine gute Idee halten, die Gewinnmitnahmen der Firmen für die Staatskasse abzuräumen, wittert die FDP den Untergang der sozialen Marktwirtschaft. Nun zeigt sich: In Europa ist die Übergewinnsteuer offenbar kein linker Kampfbegriff. Die Frage, ob die Kabinettsklausur den Beschluss für diese Steuer bringen könnte, beantwortet Habeck wortreich und vage, also gar nicht. Aber ein Thema wird es in Meseberg wohl sein.
In Europa geht es schon längst um mehr. Das macht von der Leyen klar. Sie will ab 2023 eine große Reform des Strommarktes voranbringen. Derzeit ist es nämlich so, dass der Strompreis im Zuge der Gaspreiserhöhungen ebenfalls ansteigt. Dieser Mechanismus soll so schnell wie möglich entkoppelt werden. „Wir brauchen ein Notfallinstrument, das schneller greift“, so von der Leyen. „Da sprechen wir von Wochen.“ Zu Beginn des kommenden Jahres soll dann eine grundlegende Strukturreform beginnen.
Auf dem europäischen Strommarkt werden die Preise zurzeit vor allem von Gaskraftwerken vorgegeben. Weil der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen ist, ist daher auch Strom teurer geworden. Eine Reform des europäischen Strommarktes könnte diesen Mechanismus überarbeiten, sodass Verbraucher etwa für günstigen Strom aus Sonne und Wind weniger bezahlen. Das ist zumindest eine Reform, die auch den Beifall der FDP findet – obwohl auch hier Kritiker von einer Abkehr von der Marktwirtschaft sprechen.




