Die Kritik an der von der Regierung geplanten Gasumlage nimmt zu – auch im eigenen politischen Lager. Am Mittwoch hat sich die neue Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands und frühere grüne Wirtschaftssenatorin von Berlin, Ramona Pop, gegen die bisher geplante Praxis ausgesprochen.
„Es ist sicher richtig, Unternehmen zu retten, die in Schieflage geraten“, sagte Pop am Mittwoch. „Es kann aber nicht sein, dass Menschen, die schon jetzt nicht wissen, wie sie ihre Gasrechnung zahlen sollen, die Gewinne der Unternehmen sichern helfen.“
Seit Tagen gibt es eine Debatte darüber, wie fair die Gasumlage ist und welche Firmen die Unterstützung durch die Gasumlage erhalten. Sie wird ab Oktober fällig und muss von den Gaskunden zusätzlich zum Gaspreis entrichtet werden: 2,4 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde werden dann zusätzlich fällig. Damit sollen Gasimporteure gestützt werden, die vom billigen russischen Gas auf höhere Importpreise umsteigen müssen, diese aber wegen der Vertragslaufzeiten nicht gleich an die Kunden weitergeben können. Andernfalls sei mit einem Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes zu rechnen – so die Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Fiktion vs Realität: Die #Gasumlage der Bundesregierung und was sie "retten" soll pic.twitter.com/2GC6mVdpc2
— Tilo Jung (@TiloJung) August 23, 2022
Anfang der Woche wurden die Namen der Unternehmen bekannt, die mit der Gasumlage gestützt werden sollen – es zeigte sich, dass darunter auch Firmen sind, die ihre Milliardengewinne zum Teil sogar gesteigert haben, wie der österreichische Energiekonzern OMV. Noch ist unklar, wie die Gasumlage genau verteilt wird. Pop forderte am Mittwoch, dass genau geprüft werden müsse, wer unterstützt wird. Sie verwies darauf, dass die Gasumlage laut Verordnung nur zur Insolvenzvermeidung verwendet werden dürfe. „Das scheint aber jetzt nicht mehr der Fall zu sein“, so Pop.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums hatte dies in der Regierungspressekonferenz am Montag damit begründet, dass ein Unternehmen eine gewisse Gewinnspanne brauche, um weiter agieren zu können. Es müssten verschiedene Voraussetzungen gelten, um die Gasumlage zu erhalten, hatte die Sprecherin erklärt: „Eine drohende Insolvenz zählt in der Tat nicht dazu.“
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Das räumt auch die Verbraucherschutzchefin ein. „Natürlich sollen die Verbraucher nicht für Insolvenzverschleppung bezahlen“, so Ramona Pop. Die Gewinne der Energiefirmen mit einer Extrazahlung abzusichern, sei aber auch nicht ihre Aufgabe. Auf die Frage der Berliner Zeitung, warum eigentlich nur Gaskunden zur Stützung der Energiefirmen in Deutschland herangezogen werden, sagte Pop: „Das fragen wir uns auch.“
Mittlerweile rumort es auch in der SPD. Die drei Bundestagsabgeordneten Michael Miersch, Nina Scheer und Andreas Rimkus wandten sich vor einigen Tagen an Habeck. In ihrem Brief, der der Berliner Zeitung vorliegt, verweisen sie den „lieben Robert“ auf das Energiesicherungsgesetz. Es lege fest, „dass Preisanpassungen erst dann erfolgen können, wenn zuvor mögliche Maßnahmen nach den §§ 29 und 26 geprüft und die Prüfergebnisse dokumentiert sind.“ Im Klartext: Erst einmal muss der Staat herausfinden, wer überhaupt Unterstützung braucht.
„Verfassungswidrig“: CDU kündigt Kampf gegen Gasumlage an
Die Union wiederum kündigte am Mittwoch an, dass sie die Gasumlage im Bundestag zu Fall bringen wolle. Sie sei ein „Irrweg“, erklärt der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann. Sie sei außerdem „verfassungs- und europarechtswidrig“, es werde zahlreiche Klagen dagegen geben.
Heilmann kritisierte auch die angekündigte Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf Erdgas von bisher 19 auf demnächst sieben Prozent. Dies habe eine „ungerechte Verteilungswirkung“. Heilmann schlug vor, die Stützung der Unternehmen nach dem Modell zu verfolgen, wie es in der Corona-Krise für die Lufthansa gemacht wurde. Als die Flugzeuge der Airline monatelang am Boden bleiben mussten, war der Staat mit einer Einlage, abgesicherten Krediten und einer direkten Beteiligung am Unternehmen eingestiegen.
Das hat die Regierung bei den Energieunternehmen Uniper und Gazprom Germania bereits gemacht. Bei Uniper stieg der Staat mit 30 Prozent ein, Gazprom Germania steht unter der Verwaltung der Bundesnetzagentur. Diese beiden Firmen, die hauptsächlich russisches Gas importierten, sollen nun offenbar auch am meisten von der Gasumlage profitieren. 90 Prozent des Bedarfes seien von diesen beiden Firmen angemeldet worden, hieß es in verschiedenen Medienberichten. Wie die Gasumlage aber wirklich verteilt wird, ist noch nicht entschieden. Sie wird vom Trading Hub Europe (THE), dem Gemeinschaftsunternehmen der Fernleitungsnetzbetreiber, berechnet.


