„Bittere Wahrheiten über unsere Rekordschulden“, titelte die Bild-Zeitung im Juni 2022. Und im Februar: „Diese kriminellen Clans haben Deutschland im Griff“! Ob die Redaktion von Deutschlands „härtester Tageszeitung“ damit wohl die Finanzgeschäfte von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner meinte?
Denn 2006 bettelte Döpfner um einen 60-Millionen-Euro-Kredit beim damaligen Warburg-Gesellschafter Christian Olearius, dem nun etliche Jahre Haft wegen Cum-Ex-Geschäften drohen. Döpfners Verbindung zur Warburg-Bank enthüllte der Investigativ-Journalist Oliver Schröm am Mittwoch im Stern. Im Unterschied zur Europäischen Zentralbank (EZB) kann selbst Döpfner kein Geld auf Knopfdruck schaffen.
Eine echte Bild-Schlagzeile wäre vielleicht: „Cum-Ex im Axel-Swingerclub?“ Denn die Bande zwischen Bild und der Warburg-Bank ist eng. Zur Erinnerung: Cum-Ex ist Organisierte Kriminalität von Banken und Fonds, die Aktien hin- und herschoben, um sich Steuern erstatten zu lassen, die sie nie gezahlt hatten. Die Abzocke kostete uns etwa eine Million Euro für jede unserer 30.000 Schulen in Deutschland.
In Deutschland kauft man sich in Dynastien ein
Die Warburg-Bank wurde beim aktuellen Bundeskanzler vorstellig, weil sie 2016 und 2017 insgesamt 90 Millionen Euro Tatbeute nicht zurückzahlen wollte. Diese Warburg-Affäre habe ich erst kürzlich wieder umfangreich für die Berliner Zeitung geschildert, da ich mich seit mehreren Jahren hierüber mit Olaf Scholz öffentlich duelliere und ihn im Bundestag in Widersprüche verwickelte.

Der Warburg-Kredit stammt aus einer Zeit, als der frühere Musikkritiker im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Mathias Döpfner, noch nicht über einen Enkeltrick von Friede Springer Aktien im Wert von einer Milliarde Euro erbte, auf die er laut Medienberichten kaum Steuern entrichtet haben soll. Was der Adel früher über Inzest regelte, wird bei Deutschlands reichsten Oligarchen eben über Aktienpakete eingefädelt. Man kauft sich in die Dynastien ein.
Für Zeitungsdruck braucht es großes Kapital
Christian Olearius, der Pate von der Elbe, hat dieses System verstanden wie kein Zweiter: In seinem Tagebuch schrieb er laut Stern über die Hürden der Haftung. Denn Döpfner verfügte damals – bis auf die Aussicht auf zwei Prozent der Springer-Aktien – kaum über Sicherheiten. Doch Olearius, der kühl kalkulierende Pfeffersack von der Elbe, beschrieb in seinem Tagebuch auch, warum er dem neureichen Döpfner den Kredit gewährte. Der Stern hierzu: „Es sei ein großer Kredit, ja, aber er könnte die Bank an den Springer-Verlag heranführen – mit allen Möglichkeiten.“
Das klingt nach dem alten Satz des früheren Herausgebers der FAZ, Paul Sethe, der einst bemerkte: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Und Sethe fügte prophetisch an: „Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“
Hamburger Hof-Schreiber der Cum-Ex-Bankiers
Sicher: Hinter mancher Schlagzeile der Konkurrenz über Axel Springer und die durchgeknallten privaten Textnachrichten von Döpfner stecken auch kommerzielle Eigeninteressen. Es ist zudem kein Geheimnis, dass sich auch manch arrivierter Hauptstadt-Journalist an der eigenen Meinungsmacht berauscht. Die neuen Eliten in Medien und Wirtschaft tendieren etwa häufig zum wirtschaftsliberalen Flügel der Grünen und schwitzen dies aus jeder Pore. Und dass die Bild-Zeitung gegründet wurde, um die kleinen Leute zu bestehlen und ihre Wut von denen da oben auf jene da unten zu lenken, ist wirklich nicht neu. So wetterte die Bild-Zeitung auch gegen Mindestlöhne für Postboten. Man muss wissen: Axel Springer hatte in den privaten Briefzusteller PIN investiert, um diesen später wieder nach wirtschaftlichen Problemen zu verkaufen.

Der Warburg-Kredit und der Cum-Ex-Bankier könnten Indizien dafür sein, warum sich die Bild Hamburg regelmäßig wie die Pressestelle der Warburg-Bank und der Hamburger SPD aufführte. Bereits vor Monaten schrieb ich, dass ich dies nicht für einen Zufall halte. Die Bild unterhielt enge Kontakte zur Warburg-Bank.
So titelte der Hamburger Hof-Schreiber der Cum-Ex-Bankiers, Bild-Redakteur Markus Arndt, etwa über den Hamburger Untersuchungsausschuss zur Warburg-Affäre: „Durchsichtiges Spiel von CDU und den Linken“ und weiter: „Dutzende Zeugen und mehrere Vernehmungen von Scholz und Tschentscher später, ist festzustellen: Es gibt keine einzige Aussage, die die beiden belastet. Es gibt keinen einzigen konkreten Beweis, z. B. ein Schriftstück, das den Mauschelverdacht stützt.“
Ein „teuflischer“ Plan
Das ist die Unwahrheit, wie ich auch im Interview mit der Berliner Zeitung erläutere: Es gibt Passagen in den Tagebüchern des Cum-Ex-Bankiers, dass sich Scholz der Cum-Ex-Sache annehmen wolle. Dieser forderte Olearius sogar auf, sich in der Steuersache an ihn zu wenden, es gibt Geldflüsse an Vertraute von Scholz, die das erste Treffen des damaligen Bürgermeisters mit dem Bankier einfädelten, es gibt laut Polizei und Staatsanwaltschaft klare Indizien für verdächtige Löschungen aus Scholz’ Kalender.
Vor allem aber gibt es ein Schreiben der Warburg-Bank, die Argumente der Bank mit grüner Tinte des Finanzsenators unterstrichen, das mit der Bitte um Unterrichtung des Senators in die Finanzverwaltung wanderte, bevor das Hamburger Finanzministerium eine Finanzbeamtin einbestellte und diese ihre Entscheidung zum Einzug der Cum-Ex-Tatbeute verwarf.
Es gibt eine Kommunikation der Finanzbeamtin über einen „teuflischen Plan“, die Ermittler bei einer Razzia fanden. Und es gab richterliche Genehmigungen für diese Razzien: auch in der Hamburger Finanzbehörde – dem Hamburger Finanzministerium – und beim Warburg-Lobbyisten und früheren SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs. Auch die Kommunikation der Büroleiterin von Olaf Scholz wurde beschlagnahmt.
Eine klassische Manipulation der Bild
Bild-Redakteur Markus Arndt verkündete widersinnig: „Generalstaatsanwaltschaft entlastet Scholz“. Gemeint war, dass die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft, die der grünen Justizsenatorin untersteht, die Entscheidung der Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigt hat, Ermittlungen gegen Scholz einzustellen. Begründung: Dieser habe anfängliche Erinnerungen an ein Treffen mit Olearius womöglich nur vorgetäuscht. Es handelt sich um dieselbe Staatsanwaltschaft, die nichts eigenständig gegen die Warburg-Bank unternahm, während Kölner Ermittler rund um die Staatsanwältin Anne Brorhilker gegen die kriminellen Geschäfte einschritten.
Oft trat die Bild Hamburg dabei im Konzert mit der SPD Hamburg auf. So textete Arndt 2021: „Fabio De Masi behauptet aktuell wieder mal: ‚Absurd ist (...), dass die Finanzbehörde in Hamburg das Geld der Steuerzahler nie zurückwollte.‘ Tatsächlich hat das zuständige Finanzamt sogar sehr intensiv geprüft. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagt dazu: ‚Diese Behauptung von De Masi ist schlicht eine Lüge. So etwas zu verbreiten, um politisches Kapital daraus zu schlagen, ist zutiefst unlauter.‘“
Das Problem: Ich sprach – wie die Bild ja selbst schreibt – von der Finanzbehörde, dem Hamburger Finanzministerium, die auf das Geld verzichten wollte. Ich sprach nicht vom Finanzamt, das ja zunächst die Tatbeute zurückfordern wollte. Eine klassische Manipulation, wie auch der investigative Journalist Oliver Hollenstein auf Twitter unterstrich, der für seine Enthüllung der Warburg-Affäre mit Oliver Schröm den Deutschen Journalistenpreis erhielt.
Falsche Angaben zu meiner Steuererklärung
Die Warburg-Affäre und der Döpfner-Kredit könnten auch erklären, warum die Bild-Zeitung versuchte, ausgerechnet meine Glaubwürdigkeit beim Thema Steuern zu beschädigen. So veröffentlichte ich in meiner Zeit als EU-Abgeordneter und später Mitglied des Deutschen Bundestages freiwillig meine Steuerbescheide. Die Bild wollte mich jedoch dafür bestrafen, dass ich die Gangster im Nadelstreifen jagte: Im EU-Parlament zahlen Abgeordnete EU-Steuern und werden in Deutschland dann nachversteuert, wenn die Steuerbelastung geringer ist, als sie es bei gleichen Einkommen in Deutschland wäre. Dies war auch klipp und klar auf meiner Homepage und in einer Pressemitteilung erläutert. Denn mit meiner erfolgreichen Wahl in den Bundestag im Herbst 2017 war ich aus dem EU-Parlament ausgeschieden. Ich hatte also im Jahr 2017 überwiegend Steuern in der EU entrichtet.
Ein Journalist der Bild, Kai Weise, rief mich zur Veröffentlichung meiner Steuererklärung auf einer Dienstreise des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag an. Mitten in einem Termin im Palazzo Chigi, dem Sitz des italienischen Ministerpräsidenten, bestätigte er mir, dass er die Sache mit den EU-Steuern verstanden habe. Wenige Tage später feixten jedoch meine CDU-Kollegen auf den Fluren des Bundestages, ob sie die Telefonnummer meines Steuerberaters haben könnten. Denn Weise hatte nur die Steuern, die ich in Deutschland bezahlt hatte, auf mein Einkommen angelegt und schrieb in der Bild-Zeitung: „Laut Finanzamt Hamburg-Altona verdiente De Masi 104.380 Euro und musste dafür 9391 Euro Einkommensteuer zahlen. Hinzu kamen für ihn 453,14 Euro Soli und 741,51 Euro Kirchensteuer (katholisch).“

Die mächtigsten Männer der Republik
Das klang fantastisch. Ein Steuersatz von unter zehn Prozent. Tatsächlich waren es mit den EU-Steuern über 30 Prozent Steuern. Auch unterschlug die Bild einen zentralen Satz aus meiner Pressemitteilung: „Aus meinem Steuerbescheid für das Jahr 2017 wird sichtbar, dass Spitzenverdiener wie ich keineswegs über Gebühr belastet werden.“
Als ich mich bei Weise beschwerte, meinte er lapidar, für Bild seien nur die deutschen Steuern relevant. Nach zigfachen Protesten von Lesern, die in sozialen Medien auf die Manipulation aufmerksam wurden, und der Berichterstattung des Bildblogs über den Bild-Fake korrigierte die Bild-Zeitung die Meldung. Der Umgang mit Cum-Ex-Bankiers und mit mir, der ich für Steuergerechtigkeit kämpfte, bestätigt, dass die Bild-Zeitung ein Herz für Wirtschaftskriminelle hat!
Eines muss man Christian Olearius aber lassen: Die mächtigsten Männer der Republik – ob Döpfner oder Scholz – zittern vor seinen Tagebüchern! Denn sie sind ein Dokument der Zeitgeschichte, ein Sittengemälde der mächtigen Männer und der heuchelnden Hobbypatrioten in diesem Land. Denn sie machen sich von einem Bankier erpressbar, während sie Millionen Menschen verraten, die sich anstrengen, an die Regeln halten und nach der Corona-Krise und Preis-Schick um ihre Existenz bangen.
Christian Olearius investierte früh strategisch: mit Parteispenden an die CDU und SPD, als es um die Rückforderung der Cum-Ex-Tatbeute ging. Beide Parteien haben die Spenden nie zurückgezahlt, obwohl die Warburg-Bank von kriminellen Cum-Ex-Geschäften profitierte. Und Olearius investierte in den Axel-Springer-Chef. Wie sagte es Marlon Brando noch als Don Corleone in „Der Pate“? „Irgendwann, möglicherweise aber auch nie, werde ich dich bitten, mir eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.“ Und: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“ Herr Döpfner und Herr Scholz, sie haben ihren Don Corleone an der Elbe gefunden!












