Freitagmorgen im Bundestag: In einer Aktuellen Stunde beraten Bundestagsabgeordnete den Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Null Toleranz bei Clankriminalität – Ankündigungen müssen unverzüglich Taten folgen“. Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) fordert in seiner Eröffnungsrede ein „konsequenteres Vorgehen bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“. Der Bundesregierung wirft er vor, Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung nicht konsequent umzusetzen. Für den Antrag erfährt er jedoch nicht nur Kritik vonseiten der Ampel-Parteien, sondern auch von der AfD.
Für die AfD-Fraktion sprach zuerst ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann. Sein Vorwurf: Die Union habe „jetzt fast unser gesamtes Programm kopiert, man könnte auch sagen: raubkopiert!“. Baumann zufolge forderte die AfD in den Jahren 2019, 2021, 2022 und 2023 jeweils ein „Lagebild Clan“. Vier Mal habe die CDU abgelehnt. Tatsächlich lassen sich mehrere Anträge der AfD zu den einzelnen von ihm erwähnten Punkten finden.
Baumanns Vorwurf: Union gibt AfD-Forderungen als eigene aus
Den Anträgen der AfD zur Abschiebung krimineller Clanmitglieder, zur Rücknahme von Einbürgerungen sowie zur Beweislastumkehr bei kriminellen Vermögen hat die CDU laut Baumann ebenfalls ihre Zustimmung verweigert – zuletzt bei einer Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch. Anstatt den Forderungen der AfD zuzustimmen, setze die Union nun die Forderungen der AfD als „eigene Punkte“ auf, so Baumann – ein schwerer Vorwurf. Zuvor hatte Baumann in einer Bundestagsrede kritisiert, die Union habe sämtliche migrationspolitische Forderungen von der AfD übernommen.
Tatsächlich hatte die CDU auf ihrem 31. Parteitag am 8. Dezember 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss für die Linkspartei und die AfD erlassen. Will heißen: Wenn CDU-Abgeordnete einem Antrag der Linken oder der AfD zustimmen, droht ihnen der Parteiausschluss. Bei Themen der Inneren Sicherheit, bei denen die AfD schon seit Jahren einen restriktiven Kurs vertritt, sorgte das in Unionskreisen für ein Dilemma. Sollte man beispielsweise Grenzschließungen ablehnen, nur weil die AfD das fordert? Und was ist mit einem härteren Vorgehen gegen kriminelle Clans?
Die Union befindet sich dadurch in einem taktischen Spagat: Angesichts ihres Unvereinbarkeitsbeschlusses darf sie nicht für AfD-Anträge abstimmen. Gleichzeitig versucht sie, durch Themensetzungen in den Bereichen Migration und Innere Sicherheit zu punkten – und Wähler zurückzugewinnen, die sie infolge der Flüchtlingskrise 2015 verloren hatte.
Forsa-Umfrage: Nur 27 Prozent halten die Union für eine gute Alternative
Appelle für eine restriktivere Migrationspolitik oder für eine konsequentere Bekämpfung krimineller Clans in ihre eigenen Forderungskataloge aufzunehmen, erscheint vor dem Hintergrund einer schwachen Bundesregierung naheliegend: Laut dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer des Meinungsforschungsinstituts Forsa glauben lediglich 26 Prozent der Wahlberechtigten, die Ampel-Regierung führe das Land gut durch die Krise.
Doch der Kurswechsel der Union hin zu einer restriktiveren Migrations-und Innenpolitik scheint bei den Wählern bislang nicht verfangen zu haben. Laut Forsa sind nur 27 Prozent der Ansicht, die CDU/CSU unter Führung von Friedrich Merz wäre eine gute Alternative. Selbst von den Anhängern der CDU und CSU glaubt offenbar ein Drittel (32 Prozent) nicht, dass eine von der CDU/CSU mit Friedrich Merz geführte Bundesregierung die Krisen besser meistern könnte als die gegenwärtige Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Und würde am Sonntag gewählt werden, kämen ganze 21 Prozent der Stimmen auf die AfD.
„Bundes-VeRA“: Union erhöht Druck auf Bundesregierung
Die Union ließ am Freitag jedenfalls Baumanns Vorwurf nicht auf sich sitzen. Und Unionsabgeordneter Moritz Oppelt (CDU) nahm ein Thema auf die Tagesordnung, das trotz seiner enormen strategischen Relevanz bislang noch in keinem Forderungskatalog der AfD-Bundestagsfraktion zu finden war: Die bundesweite Einführung der polizeilichen Recherche- und Analyseplattform „Bundes-VeRA“ des amerikanischen Software-Konzerns Palantir. Die Software erlaubt es Polizeiermittlern, verschiedenste Spuren innerhalb kürzester Zeit zu verknüpfen, und sie wird schon in mehreren Bundesländern eingesetzt.
Zuvor hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Vertragsabschluss des Bundes mit dem Konzern torpediert und als Gegenprogramm den Abschluss einzelner Verträge durch die Bundesländer sowie die Entwicklung einer eigenen Software durch den Bund vorgeschlagen. Das brachte ihr vom Unions-Abgeordneten Stefan Heck (CDU) den Vorwurf ein, es mit der Bekämpfung schwerer Kriminalität nicht ernst zu meinen. Jetzt fordert die Union in ihrem Antrag „Null Toleranz bei Clankriminalität“ unter anderem, „die Beschaffung und den Einsatz der vertraglich für alle Länder und den Bund abrufbaren ‚Verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA)‘ unverzüglich sicherzustellen“.
Bernd Baumann: Union will auf Bundesebene mit Grünen koalieren
Derweil kritisierte AfD-Politiker Baumann im Bundestag die „Brandmauer“ der CDU gegenüber der AfD. Diese zwinge die CDU laut Baumann dazu, Mehrheiten mit „Grünen“ und „Linken“ zu suchen. Die CDU war jedoch in den vergangenen Monaten mehrfach in die Kritik geraten, weil sie auf kommunaler Ebene gemeinsam mit der AfD abgestimmt hatte. Im Juli hatte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz betont, die „Brandmauer“ beschränke sich nur auf eine Zusammenarbeit in gesetzgebenden Körperschaften, jedoch nicht auf die exekutive Ebene beispielsweise in den Kommunen. Gleichzeitig lehnt Merz eine Koalition von Union und Grünen für die kommende Bundestagswahl 2025 ab.




