Polizei-Software

Union macht Druck: Neuer Ärger für Problem-Ministerin Nancy Faeser

Das Innenministerium verzögert die Einführung einer Polizei-Software, die im Kampf gegen Kinderpornografie und Organisierte Kriminalität entscheidend sein könnte. Die Union ist empört.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)Florian Gärtner/imago

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) könnte aus politischen Gründen ein wichtiges Software-Projekt für die Polizei verhindert haben. Dies geht aus einer Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag an das Bundesinnenministerium hervor. Konkret geht es um die Analyse-Plattform Bundes-VeRA der Softwarefirma Palantir. 

Der Kampf gegen das organisierte Verbrechen und Kinderpornografie ist für Polizeibeamte oft nervenaufreibend: Das liegt nicht nur daran, dass viele der schweren Straftaten selbst hartgesottene Kriminalbeamte nicht kaltlassen, sondern auch an der mühevollen Kleinarbeit für die Ermittler. Um Beweismittel im Gigabyte-Bereich zu durchforsten und auf Verwertbares zu untersuchen, fehlt es im Polizeialltag oft an Zeit, aber auch an der notwendigen Software. 

Deshalb verständigten sich die Innenminister von Bund und Ländern bereits im November 2016 in der „Saarbrücker Agenda“ auf die Modernisierung, Digitalisierung und Vereinheitlichung der polizeilichen IT-Architektur. Das Mammut-Projekt trug ursprünglich den Titel „Polizei 2020“. Wirkliche Erfolge sind bis jetzt allerdings ausgeblieben.

Das Projekt wurde inzwischen kleinlaut in „P20“ umbenannt, wohl auch um die Verknüpfung mit der Jahreszahl 2020 aus der öffentlichen Wahrnehmung zu lösen. Nach wie vor herrschen in Bund und Ländern völlig unterschiedliche Voraussetzungen für die Polizeiarbeit im digitalen Raum. 

Ein zentrales Versprechen von „P20“: Der Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern sollte verbessert werden. Das Bundesinnenministerium sollte zu diesem Zweck eine „verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“ (im Behördendeutsch zu VeRA abgekürzt) des amerikanischen Softwareherstellers Palantir bereitstellen. Wie die „Welt“ zuvor berichtete, soll Faeser das Projekt im Juli dieses Jahres gestoppt und dem BKA, der Bundespolizei und dem Zollkriminalamt die Einführung der Bundes-VeRA untersagt haben. Für viele Kriminalbeamte war das ein schwerer Schlag.

Unionsfraktion will Antworten von Faeser

Jetzt erhöht die Unionsfraktion im Bundestag den Druck und fordert Aufklärung von Faeser: Warum wurde das wichtige Projekt in letzter Minute gestoppt? Hat das Faeser-Nein politische Gründe? 

Unions-Innenpolitiker Stefan Heck (CDU) sagte der Berliner Zeitung, es sei „nicht nachvollziehbar“, warum Faeser der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt jetzt die Einführung der dringend benötigten VeRA-Software untersagt habe, „nachdem das BMI das Projekt der Einführung eines einheitlichen polizeilichen Analysetools zuvor ausdrücklich unterstützt hatte“. Die Software „könnte bei der Bekämpfung schwerster Kriminalität, wie zum Beispiel des sexuellen Kindesmissbrauchs, einen äußerst wichtigen Beitrag leisten“, so der Rechtsanwalt aus Hessen. Heck mahnt an, die von Faeser angestrebte eigenständige Entwicklung einer ähnlichen Software werde „wohl mehrere Jahre dauern“, zumal der Abschluss separater Verträge mit Palantir für die einzelnen Länder „deutlich höhere Kosten“ zur Folge hätte als eine bundesweite Software-Lösung.

Für Heck ist es „auffällig“, dass die Entscheidung des BMI, die Software des US-amerikanischen Unternehmens Palantir Technologies auf Bundesebene nicht abzurufen, „wenige Wochen vor den hessischen Landtagswahlen getroffen wurde“. Immerhin sei Bundesinnenministerin Faeser zugleich Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Aus der Perspektive des BMI sei die Absage an Palantir zwar nicht nachvollziehbar, aus Sicht der hessischen SPD jedoch durchaus: Diese hatte „unter der Führung von Frau Faeser in ihrer damaligen Rolle als Generalsekretärin der SPD Hessen im Hessischen Landtag 2018 einen Untersuchungsausschuss zur Software „HessenData“ des Unternehmens Palantir Technologies ins Leben gerufen“.

Damals sei „mehrmals Faesers grundsätzliche Skepsis bezüglich des Unternehmens Palantir Technologies“ deutlich geworden. Daher hält Heck bei der Entscheidung gegen die Einführung der Bundes-VeRA ein Wahlkampfmanöver Faesers für „wahrscheinlich“. Und Heck bekräftigt: „Falls für den Einsatz der VeRA-Software auf Bundesebene eine Gesetzesänderung notwendig wäre, würden wir als Unionsfraktion uns für eine entsprechende Gesetzesänderung einsetzen.“

Der Hintergrund: Im Februar erklärte das Bundesverfassungsgericht Normen des hessischen und Hamburger Polizeirechts, dass den Einsatz von Polizeisoftware zur Datenanalyse regeln sollte, für teilweise verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte, dass die bestehenden Regeln des Polizeirechts zu weitreichend waren, grundsätzlich sei der Einsatz von Analysesoftware zur Verbrechensbekämpfung jedoch erlaubt.

Hessen, das bereits seit längerer Zeit auf die Palantir-Software „HessenData“ bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität vertraut, hatte entsprechend sein Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) angepasst. Das bestätigte ein Sprecher des Hessischen Datenschutzbeauftragten der Berliner Zeitung. In Bayern wird derweil an einer Gesetzesreform gefeilt, damit die Palantir-Software auch in Zukunft eingesetzt werden kann. Vor der Landtagswahl sei noch nicht mit einer Gesetzesreform zu rechnen, war in Medienberichten zu lesen.

Auch in NRW wird von der Polizei eine Software von Palantir eingesetzt. Wie jedoch ein Sprecher des Landesbeauftragten für Datenschutz dieser Zeitung sagte, war das dort geltende Polizeigesetz nicht Gegenstand des Karlsruher Urteils. Allerdings sei auch gegen die NRW-Norm eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig, über die noch nicht entschieden worden sei. Bis auf Bayern, Hessen und NRW setzte noch kein deutsches Bundesland die Datensoftware von Palantir ein.

Auch Berlin will Analysesoftware einsetzen

Doch auch in Berlin wünscht man sich eine bundesweite Software-Lösung zur Bekämpfung schwerer Kriminalität, wie die Senatsverwaltung für Inneres der Berliner Zeitung mitteilte: Das Land wolle „die polizeiliche Analysefähigkeit zur Bekämpfung schwerer Kriminalität weiter verbessern“ und dabei „bundesweite Synergien bei der Beschaffung und dem Betrieb einer solchen Lösung nutzen“, so der Sprecher Thilo Cablitz.

Zwischen den Zeilen wird jedoch auch eine gewisse Unzufriedenheit über Faesers Entscheidung deutlich: Wie Cablitz dieser Zeitung mitteilt, hat das BMI „kürzlich entschieden, derzeit keine seitens des Bundes betriebene Plattform einzurichten“. Daher werde im Moment geprüft, „wie der Bedarf anderweitig – weiterhin in Zusammenarbeit mit den Ländern – gedeckt werden kann“. Auf Faesers Entscheidung, so viel steht fest, scheint niemand vorbereitet gewesen zu sein. Jetzt müssen schnelle Lösungen her.