In einer langen Fußnote auf Seite 104 des kürzlich erschienenen Büchleins „Abschied von Hans Modrow“ rettet dessen Witwe die Ehre von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Gabriele Lindner fand dessen Kondolenzschreiben während der Trauerfeier für ihren verstorbenen Lebenspartner, den letzten SED-Ministerpräsidenten der DDR. Auf dessen Umschlag stand nur: „Frau Gabriele Lindner“. Keine Adresse, kein Absender. Darin lag ein Blatt mit dem geprägten Bundesadler, dem Datum Berlin, im Februar 2023, und einem kurzen Text. Augenscheinlich von einem Fahrer abgegebene Post aus dem Bundespräsidialamt.
Die Trauerfeier fand am 15. März im Münzenbergsaal im nd-Gebäude am Mehringplatz statt, eine Woche nach der Urnenbeisetzung im kleinsten Familien- und Freundeskreis. Freunde hatten auch die Feier organisiert, Modrows Partei, die Linke, hatte sich bis dahin nicht dazu aufraffen können. Anwesend waren neben vielen Weggefährten und Linken wie Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht sowie Botschaftern auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Frau und Ex-Staatsratsvorsitzender Egon Krenz – aber kein Repräsentant des Staates Bundesrepublik Deutschland.
Zuvor hatten die New York Times und die Londoner Times großformatige Nachrufe veröffentlicht, auch die Berliner Zeitung gedachte des Ministerpräsidenten der DDR der turbulenten Wendezeit zwei Tage nach seinem Tod am 10. Februar 2022 in großer Aufmachung. Die Zeit konnte sich immerhin zu einem ausschließlich online veröffentlichen Nachruf entschließen.

Titel: Abschied von Hans Modrow. Reden, Nachrufe und Kondolenzen
Erschienen bei: Verlag am Park, Berlin
Umfang und Preis: 140 Seiten, 10 Euro
In dem nun erschienenen Büchlein ist der Bericht der Berliner Zeitung von der Trauerfeier nachgedruckt, in dem über das Befremden der Anwesenden wegen des Fehlens eines Vertreters der Bundesrepublik informiert wurde. Daher soll nun fairerweise ergänzt werden, was bei Abschluss der Feier noch nicht bekannt war: Der Bundespräsident hat doch noch kondoliert, zwar gewissermaßen heimlich und anonym – aber immerhin.



