Mobilität

Radbahn U5: Schnelle Fahrradtrasse in den Osten von Berlin hat immer mehr Fans

Aktivisten fordern eine durchgehende Radroute vom Ostkreuz nach Marzahn-Hellersdorf. Jetzt erhalten sie Unterstützung – von ungewohnter Seite. 

Ein Radfahrer unterwegs in Berlin. Durchgehende Routen sind selten – das soll sich ändern.
Ein Radfahrer unterwegs in Berlin. Durchgehende Routen sind selten – das soll sich ändern.Monika Skolimowska/dpa

Sicher und entspannt auf einer neuen durchgehenden Radroute entlang der U-Bahn-Linie 5 von der Mitte in den Osten Berlins radeln: Das ist ein Vorhaben, für das sich Fahrradaktivisten seit Jahren einsetzen. Jetzt bekommen sie Unterstützung von einer Partei, die sich neuerdings auf diesem Feld profilieren will: den Christdemokraten. „Die Radbahn U5 ist ein ambitioniertes Projekt, das nicht nur den Radverkehr stärken, sondern auch die Lebensqualität verbessern könnte“, sagte die Lichtenberger CDU-Abgeordnete Lilia Usik am Mittwoch. Sie hat nachgefragt, wie weit die Vorbereitungen inzwischen sind und nun eine Antwort bekommen. Doch sowohl für die Radbahn U5 als auch für die geplante Radschnellverbindung (RSV) nach Hönow ist noch einiges zu tun.

Wollen wir wetten? Heinrich Strößenreuther, einst Mitinitiator des Fahrrad-Volksentscheids und seit einigen Jahren CDU-Mitglied, sieht gute Chancen für viele neue Radverkehrsanlagen in Berlin. „Ich rechne damit, dass bis zum Ende der Wahlperiode 2026 mehr neue Radwege geschaffen werden als unter grüner Ägide seit 2016“, sagte er. Ein Teil der Fahrradszene habe die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner missverstanden. Die CDU-Politikerin meine es ernst, wenn sie davon spricht, dass das Radverkehrsnetz in Berlin ausgebaut werden soll, ist Strößenreuther überzeugt.

Kurz nachdem sie das Amt Ende April übernahm, hatte Schreiner allerdings für Irritation und heftige Kritik gesorgt. Weil sie und ihre Staatssekretärin Claudia Elif Stutz (die übrigens im Alltag Rad fährt) Pläne für Radfahrstreifen prüfen ließ, kam es zu einem Aufschrei in der Szene. Radfahrer demonstrierten gegen „Auto-Manja“, die einen verkehrspolitischen Rollback plane. Zwar können nun 16 von 19 Vorhaben wie geplant oder mit Änderungen weiter verfolgt werden. Drei Projekte bleiben aber angehalten – und der fertiggestellte Radfahrstreifen in der Ollenhauerstraße in Reinickendorf, der vorerst als Autostellplatz dient, ist immer noch nicht freigegeben worden.

CDU-Politikerin nahm dem Sozialdemokraten Andreas Geisel Wahlkreis ab

Doch die große Koalition aus CDU und SPD besteht darauf: In Berlin soll das Radverkehrsnetz weiter wachsen. Allerdings könne es sein, dass neue Radfahrstreifen schmaler ausfallen, als das Mobilitätsgesetz dies bisher vorsah. Nicht nur der Ton in der Debatte, auch der Schwerpunkt innerhalb des Stadtgebietes soll sich ändern. „In den vergangenen Jahren wurde stark polarisiert über Verkehr diskutiert, und die Außenbezirke ließ man außer Acht“, sagte Schreiner im Interview mit der Berliner Zeitung.

Da kommt die Wortmeldung von Lilia Usik gerade recht. „Wir wollen eine Stadt, in der sich die Bürger sicher und bequem mit dem Fahrrad bewegen können, und die Radbahn U5 könnte uns diesem Ziel ein großes Stück näherbringen“, erklärte das Mitglied des Abgeordnetenhauses. Der Wahlkreis, in dem sich die gebürtige Ukrainerin bei der Wiederholungswahl gegen den SPD-Politiker Andreas Geisel knapp durchsetzte, liegt außerhalb der Ringbahn. Zu ihm gehören Karlshorst sowie Teile von Rummelsburg und Friedrichsfelde – Bereiche, die von der geplanten Radbahn U5 profitieren würden.

Auch für Kinder und ältere Menschen

Die geplante Radroute entlang der U-Bahn-Linie nach Hellersdorf könnte als „wegweisende Verkehrslösung“ gelten, ist Usik überzeugt. „Eine gut geplante und sichere Radbahn U5 wird zu einer nachhaltigen und sicheren Mobilität, einem gesünderen Lebensstil und einer lebenswerteren Stadt beitragen. Sie fördert eine umweltbewusste Fortbewegungsweise und kann das tägliche Leben der Menschen auf vielfältige Weise bereichern“, teilte die Abgeordnete mit. Inzwischen liege die Antwort des Senats auf ihre Anfrage zu dem Projekt vor, sagte die 34 Jahre alte CDU-Politikerin.

Die angekündigte Machbarkeitsuntersuchung zur Radverkehrsanlage U5 sei inzwischen durchgeführt worden, teilte Staatssekretärin Stutz in der Drucksache mit. Verantwortlich sei die landeseigene GB InfraVelo. Nach deren Auskunft wurde ein Streckenverlauf untersucht, der am Bahnhof Ostkreuz beginnt. Über die Haupt- und Zobtener Straße geht es Richtung Osten. Weitere Abschnitte betreffen den Hönower Weg, die Friedenshorster Straße, den Richard-Kolkwitz-Weg, die Schackelster- sowie die Wulkower Straße. Jenseits des Elsterwerdaer Platzes geht es weiter über die Walsheimer, die Altentreptower, die Gülzower und die Hellersdorfer Straße zur Cecilienstraße in Hellersdorf.

Entlang der U5 nach Osten: Die Simulation zeigt, wie sich die Radbahn U5 ins Stadtbild einfügen könnte.
Entlang der U5 nach Osten: Die Simulation zeigt, wie sich die Radbahn U5 ins Stadtbild einfügen könnte.Simulation: Netzwerk Fahrradfreundliches Marzahn-Hellersdorf

Einige Bereiche des Streckenverlaufs seien bereits heute ein Paradies für Radfahrer, sagte Lilia Usik. „Die Strecke entlang der Zobtener Straße ist getrennt vom motorisierten Verkehr und sicher für alle Radfahrer, insbesondere für Kinder, ältere Menschen und weniger erfahrene Fahrer“, erklärte die Abgeordnete. „Es soll unser Ziel sein, dass der gesamte Streckenverlauf der Radbahn U5 so angenehm, sicher und fahrrad- und umweltfreundlich wird.“

Fahrradaktivisten setzen sich seit langem für die Radbahn U5 ein

Derzeit fühlen sich Radfahrer sich in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf allerdings meist als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse. Sie ärgern sich darüber, dass Politiker und Planer dem Radverkehr bislang nur wenig Aufmerksamkeit schenken. Die Radbahn U5 ist ein Projekt, für das sich Fahrradaktivisten schon seit mehreren Jahren einsetzen. „Eine Radschnellverbindung für 260.000 Menschen entlang der oberirdisch verlaufenden U-Bahn-Linie 5. Abseits von Straßen. An der frischen Luft. Im Grünen“ – das wünscht sich auch das Netzwerk Fahrradfreundliches Marzahn-Hellersdorf.

„Die vorhandene Trasse zwischen Tierpark und Biesdorf Süd zeigt, wie entspanntes Radfahren abseits der großen Kfz-Pendlerstrecken aussehen kann“, erklärt das Netzwerk. „Wir regen eine Erweiterung der bestehenden Trasse Richtung Hellersdorf an, da damit viele Menschen in den Genuss einer Radschnellverbindung kommen.“ Die Machbarkeitsuntersuchung sei ein „großer Meilenstein“ für dieses Radverkehrsprojekt.

Der weitere Planungsprozess obliege nun den Bezirken, bestätigte Staatssekretärin Stutz in der parlamentarischen Drucksache. Lilia Usik möchte sich bei den zuständigen Instanzen dafür einsetzen, dass das Projekt Radbahn U5 weitergeht. Einen verbindlichen Zeitplan gibt es bisher allerdings nicht. Das gilt auch für ein anderes Vorhaben, das für Pendler und andere Alltagsradler im Osten Berlins bessere Verbindungen schaffen soll. Es geht um die Ost-Route: die Radschnellverbindung, die vom S-Bahnhof Tiergarten quer durch Berlin nach Marzahn-Hellersdorf führen soll. Die Radbahn U5 würde an diese Fahrradtrasse anschließen.

38 Kilometer von Staaken bis Hönow

Geplant ist, dass die RSV 9 mit der RSV 5, die im Spandauer Ortsteil Staaken beginnen soll, eine 38,3 Kilometer lange Ost-West-Radtrasse bildet. In dem Einzugsbereich, der sich jeweils einen halben Kilometer links und rechts der Route erstreckt, leben mehr als eine halbe Million Menschen. Im Februar 2020 wurde die Vorzugstrasse öffentlich vorgestellt. Zu ihr gehören zum Beispiel die Karl-Marx-Allee und die Proskauer Straße, die Scheffel- und die Bornitzstraße, die Allee der Kosmonauten und die Eitelstraße, weiter östlich die Cecilienstraße, die Hellersdorfer und die Böhlener Straße.

Zwar gehen die Standards für Radschnellverbindungen davon aus, dass die Trasse mindestens drei Meter breit sein soll – als Zweirichtungsradweg insgesamt vier Meter. Auch in diesem Fall ist keine „Radautobahn“ geplant, die vollständig vom übrigen Verkehr getrennt wird. Trotzdem werden Kraftfahrer damit rechnen müssen, dass sie auf einigen Abschnitten künftig weniger Platz haben. So gehen die Planer bislang zum Beispiel davon aus, dass in der Eldenaer Straße Parkplätze wegfallen.

Hier geht’s lang: Das ist die Vorzugstrasse für die Ost-Route (RSV 9), die im Februar 2020 präsentiert wurde.
Hier geht’s lang: Das ist die Vorzugstrasse für die Ost-Route (RSV 9), die im Februar 2020 präsentiert wurde.Isabella von Galanty/Berliner Zeitung

Bislang hieß es, dass die Planfeststellungsverfahren 2023 beginnen sollten. Derzeit ist bei GB InfraVelo davon die Rede, dass das Verfahren für die Ost-Route im ersten Quartal  2026 abgeschlossen wird. Vergabeverfahren und Baumaßnahmen schließen sich an. Zuletzt hieß es, dass die Freigabe der Ost-West-Route „sukzessive bis 2030“ erfolge. 

Ob bei der RSV 9 oder bei der Radbahn U5: So oder so müssen Radfahrer auch im Osten Berlins noch Jahre auf bessere Verhältnisse warten.