Mobilität

European Sleeper von Berlin nach Brüssel: Neuer Nachtzug ist ein Erfolg

Klimafreundlich durch Europa – dafür gibt es Nachfrage. Besonders Schlafwagen sind gut gebucht. Noch 2023 könnte der Nightjet Berlin–Paris starten.  

Mit dem Nachtzug unterwegs: Fahrgäste im European Sleeper.
Mit dem Nachtzug unterwegs: Fahrgäste im European Sleeper.Eva Plevier/imago

Berlin hat eine neue Nachtzugverbindung. Der European Sleeper fährt dreimal pro Woche in die Niederlande und nach Belgien. Zweieinhalb Monate nach dem Start zieht Chris Engelsman, Mitgründer des Unternehmens, jetzt eine positive Bilanz. Unterdessen zeichnet sich ab, dass das Berliner Nachtzugnetz weiter wächst. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) planen weiterhin eine Verbindung von Berlin nach Paris und Brüssel. Es könnte einen Start in zwei Stufen geben, beginnend im Dezember 2023. 

Am Abend des 25. Mai war es endlich so weit. Nach langen, schwierigen Vorbereitungen brach der European Sleeper in Berlin zu seiner ersten Fahrt in Richtung Westen auf. Mit Crowdfunding und anderer Unterstützung hatten Fans dieses Verkehrsmittels das Projekt ins Rollen gebracht. Seitdem fährt der neue private Nachtzug sonntags, dienstags und donnerstags nach Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und Brüssel, wo es Anschluss nach London gibt. Montags, mittwochs und freitags rollt er über Nacht von dort wieder zurück. Wer im Voraus bucht, kann für 49 Euro im Sitzen und 79 Euro im Liegen reisen. 

So klimafreundlich der Nachtzug ist: Er gilt als Nischenprodukt. Kann er sich gegen Flugzeuge und Busse durchsetzen? Wie andere Nachtzugbetreiber zeigt sich Chris Engelsman mit der Nachfrage zufrieden. „Die Sommermonate waren hinsichtlich der Buchungszahlen und der Auslastung sehr gut“, teilte er der Berliner Zeitung mit. „Im Durchschnitt sind die Züge noch nicht rentabel, aber wir sind auf dem Weg dorthin.“  

„Wir hatten im Sommer mehrere Züge, die komplett ausgebucht waren“

Die Fahrgäste können aus drei Komfortklassen wählen: Sitzwagen, Liegewagen, Schlafwagen. „Wir sehen mittlerweile in allen Klassen eine hohe Nachfrage“, berichtete der Unternehmenschef. „Die Sitzplätze erfreuen sich unerwarteter Beliebtheit“ – was vermutlich daran liege, dass viele Fahrgäste mit Interrail-Tickets in den Sitzwagen reisen.

Frühstück! Ein Zugbegleiter bringt Fahrgästen im European Sleeper nach Berlin den mitgebuchten Snack.
Frühstück! Ein Zugbegleiter bringt Fahrgästen im European Sleeper nach Berlin den mitgebuchten Snack.Eva Plevier/AFP

„Der Schlafwagen ist immer ausgebucht“, sagte Chris Engelsman. Auch andere Nachtzugbetreiber wissen, dass die höchste Komfortklasse trotz des Preisniveaus besonders begehrt ist. Nachtzugprofis schätzen es, allein oder mit bekannten Menschen im eigenen Schlafwagenabteil zu reisen, ohne sich mit anderen Reisenden arrangieren zu müssen. Im Nachtzug Berlin–Stockholm des schwedischen Betreibers SJ ist die Nachfrage nach Bettplätzen ebenfalls groß – was sich in hohen Preisen niederschlagen kann. Europaweit sind gebrauchte Schlafwagen kaum zu bekommen: Der European Sleeper hat fünf bis sieben Liegewagen pro Zug, aber nur einen Wagen mit Betten.  

Angesichts des Bedarfs sei die Zahl der Schlafwagen inzwischen viel zu gering, sagte Martin Kopetschke von der Bahnagentur Schöneberg. Während die DB und andere Zugbetreiber den Nachtzugverkehr abgeschafft hätten, sei zum Beispiel in Finnland und in Italien investiert worden. Dort sei das Platzangebot für die Fahrgäste größer. „Jede Nacht gibt es rund 900 Bettplätze von Helsinki nach Nordfinnland“, berichtete er.

Es sei vorgekommen, dass bei einigen Fahrten des European Sleeper keine Plätze mehr verfügbar waren – alles voll, sagte Chris Engelsman. „Wir hatten im Sommer mehrere Züge, die komplett ausgebucht waren“, so der Niederländer.  

Was die Betriebsqualität anbelangt, ist das Fazit für den Nachtzug nach Westeuropa gemischt. „Detaillierte Zahlen liegen uns noch nicht vor, aber die Pünktlichkeit der European-Sleeper-Züge war relativ gut“, berichtete Engelsman. „Es gab nur sehr wenige Verzögerungen, und in den wenigen Fällen, in denen es zu schwerwiegenderen Verzögerungen kam, hatte dies einen bestimmten Grund.“ Dazu zählten ein Gewitter in Berlin und der Ausfall des Signalsystems rund um Amsterdam.  

Auf nach Berlin: Im niederländischen Deventer steigen Fahrgäste in den European Sleeper nach Berlin.
Auf nach Berlin: Im niederländischen Deventer steigen Fahrgäste in den European Sleeper nach Berlin.Eva Plevier/AFP

Immer wieder erfordern Baustellen Änderungen. Auch im August 2023 müssen die Reisenden Fahrzeitverlängerungen einplanen – bis zu anderthalb Stunden. Das bedeutet, dass die Züge zum Teil früher abfahren, später ankommen oder dass Halte ausfallen. „Aufgrund der vielen Gleisarbeiten in den Niederlanden und in Deutschland im Sommer mussten wir bereits zwar viele Umwege in Kauf nehmen, aber das liegt natürlich außerhalb unserer Kontrolle“, hieß es bei European Sleeper. „Wir versuchen, unsere Fahrgäste so früh wie möglich zu informieren.“  

„Wir raten dir, kurz vor der Abreise Toiletten auf dem Bahnhof zu benutzen“

Eine weitere Herausforderung: Weil Technik ausfällt, könne es Probleme mit einigen Einrichtungen im Zug geben. So komme es vor, dass nicht alle Toiletten verfügbar seien, bestätigte Engelsman. „Wir raten dir, kurz vor der Abreise Toiletten auf dem Bahnhof zu benutzen“, ist auf der Internetseite von European Sleeper zu lesen.  

In mehreren Abteilen funktionierten die Steckdosen nicht, hieß es weiter. Dort sei es dann nicht möglich, zum Beispiel Akkus von Mobiltelefonen aufzuladen. Zudem stünden in Ausnahmefällen einzelne Wagen nicht zur Verfügung. „Wir informieren die betroffenen Passagiere nach Möglichkeit vorab und bieten Downgrades oder Entschädigungen an“, beteuerte der Firmenchef. „Wir tun alles, was wir können, um die Annehmlichkeiten wiederherzustellen und den Service an Bord weiter zu verbessern.“  

European Sleeper bemüht sich darum, die Flotte zu erweitern – was Experten angesichts des mageren Angebots an weiteren Fahrzeugen für schwierig halten. Es gebe Möglichkeiten, zusätzliche Wagen zu mieten, erklärte Engelsman. „Es ist wichtig, mehr Reservewagen zur Verfügung zu haben, um die Strecke nach Tschechien zu verlängern.“ Allerdings werde auch das noch nicht ausreichen, um den Zug täglich fahren zu lassen. Immerhin: Die Verlängerung nach Dresden und Prag sei „noch nicht bestätigt“, aber es sehe gut aus. Für den ebenfalls geplanten Linienast nach Warschau gebe es zurzeit „keinen Plan“. 

Mit dem Zug in den Sonnenuntergang: ein Nightjet der ÖBB unterwegs in Europa.
Mit dem Zug in den Sonnenuntergang: ein Nightjet der ÖBB unterwegs in Europa.Harald Eisenberger/Österreichische Bundesbahnen (ÖBB)

Wie berichtet, wollen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ebenfalls eine Nachtzugverbindung von Berlin nach Brüssel anbieten – zusammen mit einer Verbindung von Berlin nach Paris. Der geplante Nightjet mit Sitz-, Liege- und Schlafwagen würde eine Nachtzugroute wiederbeleben, die von der Deutschen Bahn 2014 eingestellt wurde. Als Startdatum für die Strecke nach Belgien und Frankreich ist weiterhin der Fahrplanwechsel im Dezember 2023 im Gespräch. Nach Informationen der Berliner Zeitung lautet der Plan bislang, zunächst dreimal pro Woche zu fahren. Mitte 2024 könnte der neue Nightjet über Mannheim nach Paris und Brüssel täglich rollen. 

Dreimal die Woche nachts von Berlin nach Paris – ab 2024 dann täglich

Die ÖBB nennt weiterhin keinen Termin. In Wien wird lediglich bekräftigt: „Wir haben dieses Angebot in Planung“, wie Sprecher Bernhard Rieder auf Anfrage der Berliner Zeitung mitteilte. Er kündigte eine Pressekonferenz an. „Davor können wir leider keine finalen Bestätigungen über Strecken und Angebote geben.“

Im neuen Nachtzug, der zwischen Berlin, Amsterdam und Brüssel verkehrt, wird Frühstück serviert.
Im neuen Nachtzug, der zwischen Berlin, Amsterdam und Brüssel verkehrt, wird Frühstück serviert.Eva Plevier/imago

„Wie ich die ÖBB kenne, wird sie das Nightjet-Netz nur so weit ausbauen, wie die vorhandenen Fahrzeuge mitsamt der nötigen Reserven es zulassen“, schätzte der Hamburger Nachtzugexperte Joachim Holstein gegenüber der Berliner Zeitung ein. Entscheidend ist, dass Siemens die bestellten Nachtzuggarnituren liefert – was sich bereits verzögert hat. „Die Einflottung der ersten neuen Nightjet-Züge von Siemens ist noch in diesem Jahr vorgesehen“, teilte ÖBB-Sprecher Rieder dazu mit. Das Unternehmen wolle sich im September äußern – auch zur Strecke Berlin–Paris/Brüssel.

Nachtzug nach Przemyśl an der Grenze zur Ukraine kehrt vorerst nicht zurück

Wie berichtet, gab es Hinweise, dass der 2021 eingestellte Nachtzug Berlin–Krakau–Przemyśl im Dezember 2023 auf die Schienen zurückkehrt. Doch der Plan, auch nachts zur ukrainischen Grenze zu fahren, werde nicht weiterverfolgt, berichtete der Berliner Bahnexperte Jürgen Murach jetzt. „Es wird keinen Nachtzug nach Przemyśl geben“, sagte er. „Dafür soll zusätzlich ein Eurocity Berlin–Breslau–Krakau verkehren.“

Eine andere Verbindung nach Polen sei in Gefahr: der Kulturzug, der 2016 erstmals zwischen Berlin und Breslau verkehrte. Der Regionalzug, in dem sich die Reisenden die Zeit bei Lesungen, Musik und anderen Kulturangeboten vertreiben können, hatte den Betrieb Mitte Juni nach einer mehrmonatigen Pause wieder aufgenommen. Doch die Finanzierung ist nur bis zum Fahrplanwechsel im kommenden Dezember gesichert.

„Der Kulturzug ist gefährdet“, bedauert Murach. Dafür werde geprüft, das Kulturprogramm in den Eurocity zu verlagern, der tagsüber zwischen Berlin, Breslau, Krakau und Przemyśl verkehrt. „Geprüft wird, ob an Wochenenden ein Konferenzwagen der PKP Intercity an den Eurocity gehängt wird“, so der Bahnexperte.

Künftig auch am Tag von Berlin über Saarbrücken nach Paris – mit dem TGV

Dafür laufen die Planungen für eine durchgehende Tagesverbindung zwischen Berlin, Frankfurt am Main und Paris weiter. Insider berichten übereinstimmend, dass der Zug aller Voraussicht nach ab Dezember 2024 verkehren wird. Als Fahrzeug ist ein TGV Duplex im Gespräch, der aus Doppelstockwagen besteht. Obwohl die Route über Straßburg schneller wäre, wird die Verbindung aller Voraussicht nach über Saarbrücken verlaufen. Oliver Luksic (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr, stammt aus dem Saarland.

Künftig auch in Berlin? Ein TGV der französischen Staatsbahn SNCF hält in Bordeaux.
Künftig auch in Berlin? Ein TGV der französischen Staatsbahn SNCF hält in Bordeaux.Philippe Lopez/AFP

Beobachter schließen nicht aus, dass es ab Ende 2025 eine weitere direkte Zugverbindung tagsüber zwischen Berlin und Köln geben könnte – mit dem Thalys über Hannover und Köln. So viel steht fest: Bahnfans werden in Berlin in den kommenden Jahren interessante und bisher ungewohnte Fahrzeuge vor die Linse bekommen.