Für 49 Euro im Monat durch das ganze Land: Seit dem 1. Mai gibt es das Deutschlandticket, das bundesweit im gesamten Nah- und Regionalverkehr gilt. Das neue Jahresabonnement, das als Handy- oder Chipkarte zu haben ist, stößt auf großes Interesse. In Berlin und Brandenburg besitzen mehr als 600.000 Menschen das Ticket, rund 90.000 sind Neukunden. Doch die Freude wird oft gleich wieder gedämpft: Viele Ticketinhaber müssen feststellen, dass ihre Chipkarte nicht anerkannt wird. So zeigen Kontrollterminals in Bussen an, dass das Ticket angeblich ungültig ist. Was ist passiert? Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hatte bereits Anlaufprobleme erwartet.
In Callcentern von Verkehrsbetrieben laufen die Telefone heiß. Fahrgäste rufen an und beschweren sich darüber, dass ihre Deutschlandtickets nicht akzeptiert würden. In Bussen von Brandenburger Verkehrsunternehmen, aber auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zeige die Kontrolltechnik in vielen Fällen an, dass die dort vorgezeigten Tickets angeblich ungültig seien, berichten die Kunden erbost. Dann kann es passieren, dass das Kontrollterminal einen Alarmton hören lässt.
„Zwar übt das Busfahrpersonal meist Kulanz“, teilte ein Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens am Mittwoch mit. „Trotzdem sind die Fahrgäste zu Recht verärgert. Die Kunden wollen natürlich Aufklärung und dass ihre Chipkarten getauscht werden. Die vielen Rückfragen beanspruchen die Mitarbeiter extrem.“ Und das nicht nur in Callcentern, sondern auch in Kundenzentren.
„VBB-Fahrcards sind aktuell größtenteils nicht kontrollierbar“
„Bei der Einführung des deutschlandweit gültigen Tickets gab es auch Anlaufschwierigkeiten. So kam es am Wochenende zu Serverproblemen beim Bestellvorgang und ganz aktuell gibt es mancherorts noch einige technische Probleme mit der Lesbarkeit der Chipkarten“, so der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).
Der flächenmäßig größte Verkehrsverbund in Deutschland hat begonnen, die Schwierigkeiten zu analysieren. Problem Nummer eins sind offenbar fehlerhafte Chipkarten. 15 Verkehrsunternehmen nutzen die Software des Herstellers highQ. „Die mit dieser Software ausgegebenen VBB-Fahrcards sind aktuell größtenteils nicht kontrollierbar“, so eine Auswertung, die der Berliner Zeitung vorliegt. Auch vorhandene Fahrberechtigungen, zum Beispiel Firmentickets und Umweltkarten, könnten nicht geprüft werden, nachdem das fehlerhafte Deutschlandticket aufgespielt wurde.

Problem Nummer zwei ist, dass Kontrolltechnik nicht aktualisiert wurde. Wenn jemand eine Chipkarte zum Beispiel in einem Linienbus an ein Kontrollgerät hält, wird im Hintergrund geprüft, ob sie im Buchungssystem verzeichnet ist. Findet sich kein Eintrag, wird die Karte als ungültig eingestuft. Der Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens in der Hauptstadt-Region formuliert es so: „Das Problem ist, dass korrekt ausgestellte und gültige Karten von manchen anderen Unternehmen, teilweise auch von der BVG, wegen nicht aktualisierter Kontrolltechnik als ungültig bezeichnet werden.“
Damit ist klar, wie reagiert werden muss, damit sich die Kunden künftig sicher fühlen kann, nicht mehr als Schwarzfahrer eingestuft zu werden. Zum einen müsse die Kontrolltechnik auf den aktuellen Stand gebracht werden, skizzierte ein Insider am Mittwoch. Zum anderen müssten Chipkarten, die nicht überall richtig funktionieren, rasch ausgetauscht werden. „Alle Unternehmen, die bei dem Dienstleister sind, der die defekten Karten produziert hat, müssen schleunigst die Karten ersetzen.“ Auf die betroffenen Verkehrsunternehmen kommt also erneut viel Arbeit zu.
Einstweilen ruft der Verkehrsverbund die Bus- und Bahnbetreiber dazu auf, mit den Fahrgästen nachsichtig und kundenorientiert umzugehen. „Wir bitten um Kulanz bei der Fahrausweiskontrolle und um Benachrichtigung des Kontroll- und Betriebspersonals“, so der VBB in einer internen Mitteilung an die Verkehrsbetriebe.
Knapp die Hälfte der Verkehrsbetriebe kann das Ticket nicht kontrollieren
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte für die Anfangsphase des Deutschlandtickets bis Ende Juli 2023 bereits Schwierigkeiten erwartet. „Im Rahmen des Vertriebsstarts können Anlaufprobleme (Verzögerungen beim Versand neuer Chipkarten, Ausgabe fehlerhafter Tickets und so weiter) nicht ausgeschlossen werden“, heißt es in einem internen Dokument. Auch der Branchenverband empfiehlt, Kunden mit Kulanz zu begegnen.
Eine Umfrage des Verkehrsverbunds, an der die BVG, DB Regio, die S-Bahn Berlin und 23 weitere Verkehrsunternehmen teilgenommen haben, zeigt das Ausmaß der Probleme. Die Ergebnisse datieren vom 25. April. Elf Betriebe gaben an, dass sie nicht in der Lage seien, Chipkarten und Barcodes mit dem Deutschlandticket elektronisch zu prüfen, erfuhr die Berliner Zeitung. Drei Unternehmen berichten, dass dies „teilweise“ nicht der Fall sei. Acht Betriebe antworteten mit Ja, vier mit „voraussichtlich ja“.
Der VBB fragte Ende April auch, ob die Bus- und Bahnbetreiber in der Lage seien und sicherstellen könnten, dass alle Kunden die Chipkarte zum 1. Mai bekommen. Bei drei Verkehrsbetrieben lautete die Replik explizit: Nein. Zwei Unternehmen teilten mit, dass dies noch „unklar“ sei. 21 bejahten die Frage.
Das Resümee des Verkehrsverbunds fällt gemischt aus. Es lautet: „Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Ausgabe des Deutschlandtickets nicht bei allen Verkehrsunternehmen pünktlich zum 01.05.2023 erfolgen kann. Darüber hinaus kann knapp die Hälfte der 26 Verkehrsunternehmen keine elektronische Kontrolle sicherstellen.“ Immerhin: Bei der S-Bahn Berlin, dem zweitgrößten Betrieb der Region, hieß es, dass es keine Probleme mit dem Deutschlandticket gebe.
Berliner BVG-Kunde bekam stattdessen das Sozialticket auf seine App
Wie berichtet beschweren sich Fahrgäste auch darüber, dass sie ihr Deutschlandticket bislang nicht erhalten haben. Für diesen Fall ist eine besondere Kulanzregelung einschlägig. Danach gelten die Bestellbestätigung oder das bisherige Abo-Ticket vorübergehend als gültiger Fahrausweis. Der VBB teilte dazu am Mittwoch mit: „Für Abonnenten, die fristgerecht ein Deutschlandticket bestellt haben, ihre neue Chipkarte jedoch bisher nicht erhalten haben, bleibt bis zur Zustellung die 'alte' VBB-fahrCard gültig. Fahrgäste müssen sich also bei einer Fahrkartenkontrolle keine Sorgen machen. Wichtig ist, den Bestellnachweis und einen gültigen Lichtbildausweis mit sich zu führen, dies gilt besonders auch für Neukunden, die noch keine Chipkarte erhalten haben.“
Andere Abonnenten aus Berlin berichten, dass ihnen zweimal Geld abgebucht worden sei: 29 Euro für die bisherige Umweltkarte, 49 Euro fürs Deutschlandticket.







