Mobilität

Berliner U-Bahn oft gestört: Nicht selten sind die BVG-Fahrgäste schuld

Wenn die Bahn nicht kommt, hat das Gründe. Welche das sind und welche Linien betroffen sind, hat der Senat jetzt aufgelistet. Wie steht es um die Sauberkeit?

Ein Zug der U-Bahnlinie 5: Diese Strecke ist mit der U2 besonders oft von Störungen betroffen.
Ein Zug der U-Bahnlinie 5: Diese Strecke ist mit der U2 besonders oft von Störungen betroffen.Christoph Hardt/imago

Tagsüber sind es meist fünf Minuten. Meist vergeht nicht besonders viel Zeit, bis in Berlin die nächste U-Bahn kommt. Trotzdem wollen Fahrgäste Ungeduldigen etwas Gutes tun – und halten ihnen oft mit Gewalt die Wagentür auf. Dieses Verhalten führt nun immer häufiger dazu, dass U-Bahn-Fahrzeuge wegen Türstörungen ausfallen. „Vermehrtes Aufhalten der Türen von Fahrgästen“ ist einer der Gründe, warum der U-Bahn-Verkehr in Berlin in den vergangenen beiden Jahren jeweils rund 6700-mal gestört war. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken hervor. Er nennt auch die Linien, die besonders oft durch Störungen im Betriebsablauf betroffen sind.

Gemessen an der Zahl der Fahrgäste ist die U-Bahn das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel in Berlin. Allein im vergangenen Jahr wurden die sonnengelb lackierten Züge für 492 Millionen Fahrten genutzt – die S-Bahn kam mit 410 Millionen nur auf den zweiten Platz. Die U-Bahn ist zuverlässiger als Straßenbahnen und Busse, doch der Wert ist leicht gesunken. Fanden 2021 in Berlin noch 99,5 Prozent der Fahrten statt, waren es im Jahr darauf 99,2 Prozent. Das hört sich immer noch nach einer guten Bilanz an. Im Einzelfall ist jedoch jede Störung nervig – und kann den Tagesablauf durcheinanderbringen.

„Die Zahl der Störungen im Betriebsablauf der U-Bahn sind besorgniserregend, vor allem wenn sie sich auf bestimmte Linien konzentrieren“, sagt der Linke-Politiker Kristian Ronneburg. Er hatte den Senat zum Thema befragt. Die Antwort trägt den Namen der neuen Staatsekretärin Claudia Stutz. Sie ist vom Bundesverkehrsministerium in die Senatsverwaltung für Mobilität gewechselt, die nicht mehr von der Grünen-Politikerin Bettina Jarasch, sondern von der Christdemokratin Manja Schreiner geleitet wird.

In diesem Jahr habe die BVG bis Ende März rund 1500 Störungen bei der U-Bahn registriert, bilanzierte Stutz. Vorfälle dieser Art führten oft nur zu einigen Minuten Verzögerung, allerdings könne auch ein Ausfall die Folge sein. „Rund zwei Drittel der Störungen sind technisch bedingt“, so die Staatssekretärin.

U-Bahn-Hersteller musste Federn austauschen

Claudia Stutz sprach die Fahrzeugdefekte bei der neuen U-Bahnbaureihe IK17 an, für die Probleme mit den Primärfedern der Züge verantwortlich seien. Primärfedern dämpfen die Stöße, die vom Fahrweg ausgehen, absorbieren Erschütterungen und verringern das Fahrgeräusch. Inzwischen habe der Hersteller Stadler diese Federn ausgetauscht, so die BVG in ihrem jüngsten Geschäftsbericht.

Um die Zahl der Türstörungen zu senken und zu verhindern, dass Fahrgäste Türen aufhalten, gebe es laut Stutz jetzt mehr Durchsagen in den Zügen. Zudem gebe es nun „deutliche Piep-Geräusche, um anzuzeigen, dass sich die Türen schließen müssen“, erklärte die Senatspolitikerin. Techniker berichteten der Berliner Zeitung, dass die Türtechnik immer empfindlicher werde. Gewalt könne ernste Schäden verursachen.

Bei Twitter wird allerdings auch berichtet, dass auch die BVG Schuld treffe. Die Züge seien „zu klein“ und „zu voll“, zum Ein- und Aussteigen sei zu wenig Zeit, hieß es. Nicht selten schließt das Personal die Türen „ohne Rücksicht“, obwohl noch Fahrgastwechsel stattfindet. Besonders betroffen seien die U-Bahn-Linien U1, U2 uns U5, hieß es.

20 Prozent der Störungen bei der Berliner U-Bahn würden durch Betriebsvorkommnisse verursacht, hieß es weiter. Dazu zählten Notsignale, Gegenstände im Gleis, Vandalismus, Fahrgastunfälle oder erkrankte Fahrgäste. Vandalismusschäden an Fahrzeugen hätten bei der U-Bahn negativen Einfluss auf die Zuverlässigkeit, heißt es im Geschäftsbericht. „In geringeren Umfängen gibt es auch infrastrukturelle Störungen, meist Weichen- oder Stellwerksstörungen oder personalbedingte Ausfälle“, ergänzt Claudia Stutz in der parlamentarischen Drucksache.

Linke-Politiker Ronneburg fordert mehr Sicherheitspersonal

Mit 1100 bis 1400 Störungen pro Jahr seien die U-Bahn-Linien 5 und 2 am stärksten betroffen, so die Staatssekretärin. Das erkläre sich vor allem dadurch, dass sie mit die längsten Linien sind.  „Danach folgen die U7, die ebenfalls sehr lang ist, die U8 und die U6 mit Werten pro Jahr und Linie zwischen 850 und 1000“, erläuterte sie. Die wenigsten Störungen verzeichnen die U-Bahnlinien U4, U1, U3 und U9. Dort bewegen sich die Werte zwischen 40 und 400 pro Jahr und Linie.

„Wir brauchen dringend mehr Sicherheitspersonal und infrastrukturelle Maßnahmen, um vermeidbare Störungen im Betriebsablauf besonders auf der U2 und U5 deutlich zu reduzieren“, forderte Kristian Ronneburg. „Darauf haben die Fahrgäste ein Anrecht, und auch die Fahrerinnen und Fahrer der BVG müssen entlastet werden. Dass der Vorstand auf den jüngsten Brandbrief reagiert und unter anderem mehr Sicherheitspersonal einstellen will, ist zu begrüßen.“

Ein provisorisches Obdach am U-Bahnhof Bülowstraße an der U2 in Schöneberg. Ein U-Bahner hat es fotografiert.
Ein provisorisches Obdach am U-Bahnhof Bülowstraße an der U2 in Schöneberg. Ein U-Bahner hat es fotografiert.Privat

Wie berichtet, hatten sich U-Bahn-Mitarbeiter in einem offenen Brief an den Vorstand des Landesunternehmens, Berliner Politiker und die Gewerkschaft Verdi gewandt.  „Wir stellen fest, dass die Zustände in der U-Bahn immer schlimmer werden“, sagte der Autor der Berliner Zeitung. „Tagtäglich werden wir angepöbelt, beleidigt, manchmal auch bespuckt.“ Viele Stationen seien schmutzig. Drogenabhängige und Wohnungslose ließen sich dort nieder. Leider würden viele U-Bahnhöfe nachts nicht verschlossen, so eine weitere Schilderung.

BVG besetzt 40 neue Stellen für Sicherheitskräfte

„Es ist nicht vorgesehen, sämtliche Bahnhöfe in der Betriebspause zu verschließen“, so Claudia Stutz, die sich auf Angaben der BVG bezieht. Immerhin: Wenn Stationen nachts verschlossen werden, hätten unterirdische U-Bahnstationen Priorität. Designierte „Kältebahnhöfe“, die Wohnungslosen zum Übernachten angeboten werden, gebe es bei der Berliner U-Bahn seit 2020 nicht mehr.

Die BVG habe auf den Brandbrief reagiert, hieß es. Die Situation sei im Vorstand besprochen worden, gemeinsam mit den verantwortlichen Bereichen wurde sie mit den Initiatoren des Briefes erörtert. Dem Vernehmen nach fand das Gespräch am 3. April statt. Als Reaktion habe das Unternehmen die Zahl der Sicherheitsstreifen erhöht. „Hierfür wurden rund 30 zusätzliche Stellen geschaffen, die in mobilen Unterstützungsgruppen formiert zusätzlich die Schwerpunktbahnhöfe bestreifen.“ Insgesamt seien 40 freie Stellen im Besetzungsprozess, so Stutz. Derzeit habe die BVG rund 190 Stellen für Sicherheitskräfte.

„Die Türen sind teilweise schon aufgequollen vom ganzen Urin“

Auch beim Thema Sauberkeit sei reagiert worden, teilte die Staatssekretärin mit. Die Zwischenreinigung der Fahrzeuge an den Endstellen wurde intensiviert. „Gleichzeitig wurden bei den turnusmäßigen Reinigungen anstelle der ‚kleinen Reinigung‘ grundsätzlich auf eine ‚mittlere Reinigung‘ umgestellt. Die Vor-Ort-Präsenz auf den U-Bahnhöfen wird weiter gestärkt.“

In ihrem Brandbrief wiesen die U-Bahner auf Schmutz in den Stationen hin. Hier die Station Schlesisches Tor an den Linien U1 und U3 in Kreuzberg.
In ihrem Brandbrief wiesen die U-Bahner auf Schmutz in den Stationen hin. Hier die Station Schlesisches Tor an den Linien U1 und U3 in Kreuzberg.Privat

Die Bilanz der U-Bahner ist gemischt. Kurzzeitig habe er bei seinen Diensten mehr Sicherheitskräfte gesehen, dann drei Tage lang wieder nicht, sagte ein BVG-Mitarbeiter der Berliner Zeitung. „Seitdem habe ich keine Sicherheitsmitarbeiter gesehen, dafür jede Menge Obdachlose und Drogenszene auf dem Bahnhof Kottbusser Tor der U8.“

An vielen Stationen der Berliner U-Bahn sei die Situation weiterhin kritisch. Ein Beispiel sei der Hochbahnhof Bülowstraße an der U2. Dort kampieren Wohnungslose. Der Zugang zu den Betriebsräumen sei erschwert: „Die Türen sind teilweise schon aufgequollen vom ganzen Urin und lassen sich schlecht öffnen. Von Geruch innen mal ganz abgesehen.“

Ein anderer Mitarbeiter, der auf der U6 und U9 unterwegs war, habe dagegen eine positive Bilanz gezogen, so der U-Bahner weiter. Der Kollege habe viel Polizei und Sicherheitskräfte gesehen. Der U-Bahnhof Leopoldplatz in Wedding sei nun frei von Drogenabhängigen und Wohnungslosen. „Aber nun wird es ja auch warm“, viele Menschen säßen jetzt draußen. „Ich bin auf den Herbst gespannt.“