Mobilität

CDU-Senatorin nimmt Autofahrern Parkplätze weg: „Da müssen wir durch“

In der Schönhauser Allee bekommen Radfahrer mehr Platz. Doch ein Vorgehen wie dort, bleibe eine Ausnahme, sagt Manja Schreiner: „Ich möchte Parkplätze erhalten.“

Die Schönhauser Allee am U-Bahnhof Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg: Noch müssen Radfahrer schmale Bürgersteig-Radwege nutzen, noch gibt es Parkplätze. Das wird sich jedoch ändern.
Die Schönhauser Allee am U-Bahnhof Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg: Noch müssen Radfahrer schmale Bürgersteig-Radwege nutzen, noch gibt es Parkplätze. Das wird sich jedoch ändern.Volkmar Otto/Berliner Zeitung

Die Bauschilder stehen schon. In der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg entfallen rund 150 Autostellplätze, an ihrer Stelle werden Radfahrstreifen angelegt. „Die Arbeiten können am 4. September beginnen“, sagte Britta Elm, Sprecherin der neuen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Eine christdemokratische Politikerin nimmt Autos Platz weg – wie kann das sein? Im Gespräch mit der Berliner Zeitung erklärt Manja Schreiner ihre Entscheidung. Und sie erläutert, was Berlins Radfahrer demnächst von ihr erwarten können. Das Vorgehen in der Schönhauser Allee sei eine Ausnahme, betont sie.

Auf den schmalen Bürgersteig-Radwegen abseits der Fahrbahn drängen sich die Radfahrer. In der Schönhauser Allee fehlt eine gute Infrastruktur für den Radverkehr, das ist klar. Vor einem Jahrzehnt fanden die Forderungen, das zu ändern, erstmals Nachhall in der Pankower Bezirkspolitik. Aktivisten berichten, dass es drei Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gab, die jeweils fast einstimmig gefasst wurden.

Geplant ist, südlich der Gleim- und der Stargarder Straße auf einem 720 Meter langen Abschnitt beidseitig geschützte Radfahrstreifen anzulegen. Der fließende Verkehr wird dort seine zwei Fahrstreifen pro Richtung behalten. Allerdings ist die Straßenbahn M1 dort ebenfalls unterwegs, und die rechte Fahrspur soll zu bestimmten Zeiten für den Lieferverkehr reserviert werden. Die Senatorin hielt auch dieses Projekt an. Doch im Juli gab sie grünes Licht für das Vorhaben der landeseigenen Infravelo – obwohl alle Autostellplätze entfallen werden. Jetzt erläuterte Schreiner, warum sie so entschied.

Senatorin Schreiner: „Der Straßenraum ist nun einmal begrenzt“

„Grundsätzlich möchten wir in jedem Fall einen guten, pragmatischen Weg finden. Das Bezirksamt Pankow hat uns versichert, dass mit den Anwohnern gesprochen wurde“, sagte Schreiner jetzt der Berliner Zeitung. „Doch klar ist auch, dass mit unseren Lösungen nicht immer alle zufrieden sein werden. Der Straßenraum ist nun einmal begrenzt.“ Das Projekt Schönhauser Allee habe die Besonderheit, dass es weit vorangeschritten ist. „Es steht kurz vor der Ausführung, das Bauunternehmen ist beauftragt“, so die Senatorin. „Darum sollten wir jetzt pragmatisch sein.“

In der Schönhauser Allee steht schon ein Bauschild: Ein 720 Meter langer Abschnitt der Bundesstraße 96a im Bezirk Pankow bekommt geschützte Radfahrstreifen. Die Autostellplätze fallen weg.
In der Schönhauser Allee steht schon ein Bauschild: Ein 720 Meter langer Abschnitt der Bundesstraße 96a im Bezirk Pankow bekommt geschützte Radfahrstreifen. Die Autostellplätze fallen weg.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

Auch Schreiner hält es für notwendig, dass sich auf diesem Abschnitt der Bundesstraße 96a etwas ändert. „In der Schönhauser Allee gibt es Bedarf an sicheren Radverkehrsanlagen, denn dort sind sehr viele Fahrräder unterwegs, immer wieder gibt es Unfälle“, sagte sie. „Wir haben Alternativen und alle Interessen umfassend abgewogen, aber jetzt müssen wir sagen: Da müssen wir durch.“

Doch die CDU-Politikerin sandte auch ein klares Signal an ihre Parteifreunde und Wähler aus, die sich nach fast sieben Jahren grüner Verkehrspolitik eine Wende wünschen. Während Grünen-Politiker und Umweltverbände fordern, in Berlin jährlich eine bestimmte (hohe) Zahl von Autostellplätzen aufzuheben, will sie den Parkraum unterm Strich nicht verknappen. „Wenn nach allen Prüfungen herauskommt, dass Parkplätze entfallen müssen, dann ist es eben so. Aber ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich möchte Parkplätze erhalten“, so die Senatorin, die seit Ende April im Amt ist.

„Bürgern einfach nur Parkplätze wegzunehmen, bringt sie auf die Palme“

Wenn Anwohner Stellplätze vor der Tür verlieren, werden sie nicht sofort ihre Autos verkaufen, davon ist Schreiner überzeugt. „Nicht jeder Berliner braucht sein Auto. Aber soll ich mit ihnen diskutieren: Du brauchst Dein Auto wirklich nicht? Mir ist es wichtig, Angebote zu schaffen“, betonte die Senatorin. Der Senat wolle stattdessen mit Parkhausbetreibern ins Gespräch kommen, mit Supermarktbetreibern über ihre Parkplätze sprechen, sagte sie. „Zu diskutieren wäre auch, ob bei Bauprojekten in Berlin Tiefgaragen wieder zur Pflicht werden sollten. Bürgern einfach nur Parkplätze wegzunehmen, bringt sie auf die Palme. Wir wollen die Berliner nicht verärgern.“

Weil die neue Senatorin Radverkehrsprojekte anhalten ließ, um sie in Nachtarbeit gemeinsam mit ihrer Verkehrsstaatssekretärin Claudia Elif Stutz (ebenfalls CDU) zu überprüfen, sah sie sich mit lautstarkem Protest konfrontiert. Radfahrer demonstrierten gegen „Auto-Manja“, die einen „verkehrspolitischen Rollback“ begonnen habe. Die Umwelthilfe drohte mit Gerichtsverfahren. Selbst die AfD wunderte sich.

In der Blankenfelder Chaussee sollen Radfahrer auf den Radwegen bleiben

„Ich habe es noch nie erlebt, dass ich so sehr in der Öffentlichkeit stand. Das war neu für mich“, sagte Manja Schreiner im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Aber in diesem Fall war es auch zu erwarten. Für die meisten Berliner ist Verkehrspolitik ein emotionales Thema. Jeder, der vor die Tür tritt, nimmt am Verkehr teil, jeder ist betroffen.“

Weitere Überprüfungen von Radverkehrsprojekten werde es nicht geben, sicherte die Senatorin zu. „Doch es stimmt, dass drei Radverkehrsprojekte jetzt noch einmal vertieft überprüft werden. Dazu gehört die Blankenfelder Chaussee im Bezirk Pankow“, sagte sie. „Dort verläuft ein Radweg, der durch einen Grünstreifen mit Bäumen geschützt ist, und wir haben eine vierspurige Fahrbahn mit zwei Fahrstreifen pro Richtung. Die Blankenfelder Chaussee ist eine stark belastete Ausfallstraße. Deshalb ist es dort mein Fokus, die Radfahrer nicht auf die Fahrbahn zu bringen, sondern sie dort zu lassen, wo sie sicher sind: auf den Radwegen. Das ist der Kern der Planung, die wir vorantreiben.“

„Berlin braucht leistungsfähige Hauptstraßen“

Sie verfolge eine klare Linie: „Berlin braucht leistungsfähige Hauptstraßen“, betonte Schreiner. „Dort werde ich dem Kraftfahrzeugverkehr keine Fahrstreifen wegnehmen – schon gar nicht, wenn es bereits Radwege gibt.“

Die Hauptstraße in Schöneberg: Derzeit nutzen Radfahrer die Busspuren. Künftig bekommen sie dort eigene Fahrstreifen. Die Busspuren werden vom Rand in die Mitte verlegt, Autos bleibt eine Fahrspur pro Richtung.
Die Hauptstraße in Schöneberg: Derzeit nutzen Radfahrer die Busspuren. Künftig bekommen sie dort eigene Fahrstreifen. Die Busspuren werden vom Rand in die Mitte verlegt, Autos bleibt eine Fahrspur pro Richtung.Volkmar Otto/Berliner Zeitung

Und klar sei aus ihrer Sicht auch: „Wir müssen bedarfsgerecht agieren. Wo wir viel Radverkehr haben, können Projekte dringlich und prioritär sein“ – wie in der Schönhauser Allee, wie die Senatspolitikerin bekräftigte. „Dagegen können auf einer Ausfallstraße wie der Blankenfelder Chaussee, wo kaum einer mit dem Rad unterwegs ist, 1,50 Meter oder etwas breitere Radwege reichen.“ Im Westen Berlins gebe es Beispiele, wo auf Ausfallstraßen Fahrstreifen entfielen. „Während auf den neuen Radwegen wenig los ist, stehen die Autos daneben im Stau. Ich begnüge mich nicht mit der Erwartung, dass wir dort in zehn oder 15 Jahren vielleicht mehr Radverkehr haben werden. Dann können wir immer noch reagieren. Bis dahin gibt es Zwischenstufen.“

„Ich habe mir nichts vorzuwerfen, denn wir sind auf dem richtigen Weg“

Manja Schreiner kommt es aber auch darauf an, eine Botschaft an die Berliner Radfahrer zu richten, die gut organisiert und kampagnenstark sind. „Wenn mir vorgeworfen wird, dass ich keine Radwege bauen und die Mobilitätswende behindern will, wird mir das wirklich nicht gerecht“, erklärte sie. Die Überprüfung der Radverkehrsprojekte sei ein „Crashkurs“ für sie gewesen. „In diesem Thema bin ich jetzt drin, und ich bin froh darüber, in kurzer Zeit so tief eingestiegen zu sein“, so die Senatorin. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, denn wir sind auf dem richtigen Weg. Wir wollen Radwege bauen, und dabei werden wir mehr Augenmerk auf das Thema Verkehrssicherheit legen.“

Aus den Bezirken gibt es ein unterschiedliches Echo. Saskia Ellenbeck (Die Grünen), Bezirksstadträtin in Tempelhof-Schöneberg, will die Umgestaltung der Hauptstraße zwischen dem U-Bahnhof Kleistpark und der Dominicusstraße bald in Angriff nehmen. Wie berichtet soll dieser 1,2 Kilometer lange Teil der Bundesstraße 1 beidseitig geschützte Radfahrstreifen bekommen. Neben den Busspuren, die in die Fahrbahnmitte verlegt werden, bleiben Autos nur noch ein Fahrstreifen pro Richtung. Der Senat hatte auch dieses Vorhaben angehalten, es dann aber im Juli wieder freigegeben – mit der Forderung, Ampelschaltungen anzupassen. „Wir schreiben jetzt aus“, sagte Ellenbeck.

In der Handjerystraße in Friedenau könnten die Arbeiten in rund acht Wochen beginnen, hofft die Stadträtin. Die BVV beschloss 2015, dort eine Fahrradstraße einzurichten. Weil die Fahrgasse derzeit ziemlich schmal ist, sehen die Planungen für die andeerthalb Kilometer lange ruhige Wohnstraße vor, einen Teil der Autostellplätze aufzuheben. Nach Protesten von Anwohnern und im Bezirksparlament wurden die Planungen angepasst.

Ein Transparent an einem Vorgarten in der Handjerystraße. Bürger lehnen die Fahrradstraßenplanung des Bezirks ab. Sie fordern eine Miteinander-Straße, in der Radfahrer nicht dominieren – und alle Autostellplätze bleiben.
Ein Transparent an einem Vorgarten in der Handjerystraße. Bürger lehnen die Fahrradstraßenplanung des Bezirks ab. Sie fordern eine Miteinander-Straße, in der Radfahrer nicht dominieren – und alle Autostellplätze bleiben.Berliner Zeitung/Peter Neumann

Für ein anderes Projekt des Bezirksamts verlangt die Senatsverwaltung Änderungen, hieß es in Tempelhof-Schöneberg. Es geht um den Plan, in der Boelckestraße auf rund 1,4 Kilometern geschützte Radfahrstreifen anzulegen. Doch weil dafür viele Autostellplätze wegfallen müssten, gibt es Protest. Dem Vernehmen nach fordert der Senat nun, den Parkraum zu erhalten und links neben den Stellflächen Radfahrstreifen ohne Schutzelemente anzulegen.

Manja Schreiner will mehr Radwege bauen als ihre Vorgängerin von den Grünen

Einen ähnlichen Konflikt gebe es auch in Pankow, sagte die Grünen-Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß. Seit 2015 werden Radwege für die Neumannstraße geplant, die Umsetzung stand unmittelbar bevor, so die Abgeordnete. Doch jetzt würden die Planungen erst einmal überprüft. „Und natürlich soll auch bei dieser Prüfung eine Lösung bevorzugt werden, bei der keine Parkplätze wegfallen“, hieß es.

Manja Schreiner hält an ihrem Vorhaben fest: Das Radwegenetz soll wachsen. Radfahren sicherer werden. Was den Bau von Radverkehrsanlagen anbelangt, möchte sie ihre Vorgängerin Bettina Jarasch (Die Grünen) überflügeln. Dieses Ehrgeiz habe sie, bekräftigte die CDU-Politikerin im Gespräch. „Das ist das Ziel, das maßgeblich ist.“